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Das Salz der Integrität
ОглавлениеEine integre Person zu sein bedeutet in den meisten Gesellschaften, gegen den Wind zu segeln. Wir erleben Gegenwind, wenn wir sowohl subtil als auch mutig vorgehen. Ein Beispiel dafür ist ein Erlebnis aus einer unserer Schulen in Somalia: Studierende führten dort oft witzige Theaterstücke auf. In einem dieser Theaterstücke kommt ein Nomade, der nicht lesen und schreiben kann, für einen Tag in die Stadt und lässt sein Geld in der Moschee beim Wadad (ein ungelernter volksreligiöser Leiter) zurück. Am Abend kommt der Nomade zu ihm und verlangt sein Geld zurück. Der Wadad gibt jedoch vor, verrückt zu sein und nicht zu verstehen, was der Nomade will. So kehrt der ungebildete Nomade als Bestohlener nach Hause zurück. Das Stück erntete viel Gelächter. Am nächsten Tag analysierten die Studierenden das Theaterstück. Der überwiegende Teil der Gruppe war der Meinung, dass der Wadad das Richtige getan habe, weil er den Nomaden austrickste. Ich war enttäuscht, denn ich hatte gehofft, dass wir, die an die Bergpredigt glaubten, mit unserer Gegenwart als das nötige „Salz“ und „Licht“ wirkten und Integrität vorlebten, die in der somalischen Gesellschaft nicht vorausgesetzt werden konnte.
Die Lehrkräfte und Theologen der muslimischen Fakultät waren ebenfalls wie wir von der Reaktion der Studierenden betroffen. Integrität ist eine Tugend, die sie durch ihre Lehre des Islam zu verbreiten suchten. Diese Theologen wussten um die ernste Warnung in der islamischen Lehre: Wenn jemand einen anderen fälschlich anklagt, so soll der Ankläger mit der Strafe bestraft werden, zu der der fälschlich Angeklagte verurteilt worden wäre. Innerhalb der muslimischen Gesellschaft, in der wir arbeiteten, war die Ablehnung gegen falsche Zeugenaussagen tief verwurzelt.
In unserer Schule unterstützten sich daher die muslimische und christliche Spiritualität gegenseitig, wenn es darum ging, die Studierenden Integrität zu lehren und die Werte des Wadad im Theaterstück zu kritisieren. Die Gegenwart der Christen schien die Muslime, unter denen wir dienten, zu neuer Verpflichtung und Förderung der Integrität herauszufordern. Deshalb versicherten uns somalische Muslime oft: „Wir vertrauen euch!“
Jesus bezeichnet seine Nachfolger als „Salz“ und „Licht“.23 Die Gegenwart der Christen soll überall, auch in muslimischen Gesellschaften, in Integrität gegründet sein. Ich konnte dieses Salz der Integrität auch bei meinem Besuch eines Christen in Zentralasien beobachten, der bemüht war, in seiner Region eine Hühnerzucht aufzubauen. Er organisierte mit einem Team von anderen Christen eine Verkaufsstelle für Hühnerfutter, um die wachsende Hühnerzucht in der Region zu stärken. Bauern brachten das selbst angebaute Korn zur Verkaufsstelle, wo es nach dem Wägen mit dem anderem Futter gemischt und weiterverarbeitet wurde. Die Gemeinschaft nannte die Waagschalen, mit denen das Futter gewogen wurde, „die Waagschalen der Wahrheit“. Die Verkaufsstelle erarbeitete sich in der ganzen Gegend einen guten Ruf, da sie ihr Geschäft auf ehrliche Weise betrieb.
Das Salz und Licht gelebter Integrität muss alle Lebensbereiche durchdringen. Manche Länder stellen beispielsweise Visa für Geschäftsleute oder Visa für Menschen mit einem gesuchten Beruf, wie z. B. Englischlehrer aus. Diese Visa werden für ein bestimmtes Gewerbe erteilt. Es kommt jedoch auch vor, dass ein Empfänger in Wirklichkeit gar kein Geschäft eröffnet. Die eingetragene Firma ist nur eine Fassade mit einer Visitenkarte und Registriernummer, jedoch ohne eine tatsächliche Handelstätigkeit. Oder ein Englischlehrer unterrichtet nur wenige Stunden pro Woche Englisch, was jedoch nicht ausreicht, um ein entsprechendes Visum zu rechtfertigen. Werden Visa für einen bestimmten Beruf erteilt, so ist es unerlässlich, dass die Person, die ein Visum erhalten hat, sich in dem Beruf über das Mindeste hinaus einbringt. Erfahren Behörden von dem fragwürdigen Gebrauch des Visums und weisen den Mitarbeitenden aus, dürfen wir sie nicht anklagen, dass sie gegen Christen seien, wenn sie eigentlich von dem christlichen Mitarbeitenden nur erwarten, dass er mit Integrität seinem Dienst nachgeht.
Wenn jemand in einem Land als Missionar dienen möchte, ist es meiner Ansicht nach besser, wenn er sich, sofern das möglich ist, bei einer Missionsgesellschaft registriert. So verfuhren wir in Somalia, und auch andere mit der Kirche verbundene Organisationen registrierten sich als „Mission“ oder manchmal auch als „Christlicher Dienst“. In unserer SMM erhielten 40 Mitarbeitende ein Visum für den Dienst in einem Land, das zu 100 Prozent muslimisch war. Jedes Visum war mit einem bestimmten Dienst verbunden, den die Regierung anerkannt hatte. Ich diente als Direktor der SMM-Schulen. Meine Frau erhielt ein Visum als Hausfrau. Alle Unterrichtenden der Bildungsabteilung der SMM bemühten sich, hervorragende Leistung zu erbringen. Entsprechend hatten unsere Schulen den Ruf, die besten des Landes zu sein. Wir bauten in Ergänzung zur Grundschule und zur Middle School24 eine erstklassige Highschool und ein starkes Bildungsprogramm für Erwachsene auf. Man kannte uns als die Mission, die Ausbildung anbietet.
Wir verstanden unsere Verpflichtung zur Erstklassigkeit als ein Zeichen des Reiches Gottes. Unsere Schulen waren so etwas wie ein Erkennungszeichen, und die ganze Nation war von unserer Hingabe an Erstklassigkeit beeindruckt. Unsere Schulen waren keine Fassade. Sie waren keine Tarnung zur Evangelisation. Wir beantworteten Fragen zum christlichen Glauben. Es entstanden kleine christliche Gemeinschaften. Das war kein Geheimnis. Aber die sich entwickelnde Kirche war eher unauffällig. Unsere Präsenz war gezeichnet vom konsequenten Lebensstil einer integren Hingabe. Wir waren nicht die einzige christliche Organisation, die in Somalia diente. Erstklassigkeit jedoch war das Erkennungszeichen jeder dieser vielen christlichen Organisationen, die sich für die Entwicklung des Landes einsetzten. Tatsächlich glaube ich, dass man rund um die Welt die christlichen Organisationen an ihrer Exzellenz und Leidenschaft erkennt und sie dafür schätzt.