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c) Berechtigte Interessen (Nr. 3)

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Die Möglichkeit der Videoüberwachung „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ ist allgemeiner gehalten, erfährt jedoch durch das konkrete Zweckerfordernis ihre Einschränkung. Konkretisierende Vorgaben für die Interessen enthält Abs. 1 S. 2, wonach der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit als besonders wichtiges Interesse gilt.

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Sämtliche Erlaubnistatbestände unterliegen der Voraussetzung, dass noch nicht einmal „Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen“. Die Vorgaben in Abs. 1 S. 2 hinsichtlich der legitimen Interessen sind dabei entsprechend zu berücksichtigen. Diese mit Abs. 1 S. 2 geschaffene normative Gewichtungsvorgabe für die weiterhin zu treffende Abwägungsentscheidung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Videoüberwachung hat erst im Jahr 2017 Einzug ins BDSG a.F. gefunden.[609] Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Interessenabwägung ist insbesondere die mit der Videoüberwachung einhergehende Eingriffsintensität zu würdigen. Diese wird durch Art der erfassten Informationen (Informationsgehalt), Umfang der erfassten Informationen (Informationsdichte, zeitliches und räumliches Ausmaß), den betroffenen Personenkreis, die Interessenlage der betroffenen Personengruppen, das Vorhandensein von Ausweichmöglichkeiten sowie Art und Umfang der Verwertung der erhobenen Daten bestimmt.[610] Dabei sind die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen.[611]

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Diese Interessensabwägung ist für jede Videoüberwachung, als auch für jede daran anknüpfende Speicherung oder gar eine noch folgende Auswertung, durchzuführen. Bei der kurzfristigen Speicherung einer üblichen Videoüberwachung sind entgegenstehende Interessen kaum vorstellbar.[612] Unzulässig dürfte hingegen u.a. eine Dauerüberwachung, die Videoüberwachung in von Intimität bestimmten Bereichen wie Sanitäranlagen oder Umkleidekabinen sowie in privaten Rückzugsbereichen von Restaurants und ähnlichen Freizeiteinrichtungen sein, wo die Entfaltung der Persönlichkeit im Vordergrund steht.[613]

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Abs. 1 S. 2 benennt eine Reihe möglicher Beispiele für öffentlich zugängliche Räume: Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren, Parkplätze, oder Fahrzeuge und öffentlich zugängliche großflächige Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs. Die Räume i.S.d. Anwendungsbereichs dieser Bestimmung sind aber nicht abschließend in der Regelung berücksichtigt.

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Das Ziel des Abs. 1 S. 2 ist es, die Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen dann regeln zu wollen, wenn es sich um hochfrequentierte und damit besonders gefährdete Bereiche handelt. In Einkaufszentren und sonstigen baulich abgeschlossenen Anlagen, im Personennahverkehr, der von Privaten betrieben wird oder auf Parkplätzen soll damit dem Sicherheitsaspekt Rechnung getragen werden. Aus Sicht des Verantwortlichen installiert er die Videoüberwachung in allererster Linie zur Verkehrssicherungspflicht und seinen eigenen privaten Interessen. Er deckt damit gleichzeitig auch öffentliche Interessen ab, die im Fall der Fälle sowohl präventiv, aber auch repressiv wertvoll sein können.[614]

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Eine Videoüberwachung von öffentlichen Räumen durch Private kann im Lichte damit einhergehender öffentlicher Interessen ebenfalls national geregelt werden.[615] Der Fall, in dem die mutmaßlichen Täter des Nagelbombenanschlags in Köln-Mülheim nur von einer privaten Videoüberwachung erfasst wurden und diese Bilder maßgeblich zur Aufklärung der Straftat herangezogen wurden, belegt dies beispielhaft.[616] Es ist diskutabel, ob dieses Szenario ausreicht, private Überwachungsinteressen grundsätzlich auch als öffentliche Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 2, 6 Abs. 1 lit. e einzuordnen. Es bestünde dabei die Gefahr, dass damit jedes Privatinteresse in ein öffentliches Interesse umschlagen kann und eine Differenzierung zwischen ebendiesen beiden Interessensebenen aufgehoben wäre. Der Gesetzgeber hat die Wertungsfrage aber entschieden: Die Durchführung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum durch nichtöffentliche Stellen kann als gesetzliche Aufgabe von öffentlichem Interesse verstanden werden.[617]

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Der EDSA hat im Januar 2020 eine Leitlinie zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen der DS-GVO für die Videoüberwachung verabschiedet. Jede Videoüberwachung aufgrund eines berechtigten Interesses muss demnach von solchem Gewicht sein, dass es die Rechte der betroffenen Person überwiegt.[618] So verlangt die Verhältnismäßigkeit, dass Videoüberwachung nicht immer das mildeste Mittel zur Gewährleistung von Sicherheit darstellt und in einer jeweiligen Einzelfallbetrachtung bewertet werden muss. Alternativ zum Betrieb einer Videoüberwachungsanlage kann so im Einzelfall die Umzäunung des Grundstücks, die bessere Beleuchtung des Geländes oder der Einbau von Sicherheitsschlössern vorzugswürdig sein, da diese Maßnahmen mildere Mittel darstellen.[619] In der Abwägung sind somit immer das Ziel der Videoüberwachung in der konkreten Situation und die Erwartungen der betroffenen Personen besonders zu würdigen. In der Konsequenz können Personen in öffentlichen Räumen in Umgebungen, die typischerweise für Regeneration und Entspannung wie z.B. in Restaurants, Parks, Kinos oder Fitnessstudios gedacht sind, nicht Ziel von Videoüberwachung zu sein.[620]

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