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ОглавлениеAsiatisch cool
BUDENZAUBER
Der Thaimarkt im Preußenpark
Berlinkok liegt in Wilmersdorf inmitten des 55 000 Quadratmeter großen Preußenparks. Thailand und Preußen haben sonst recht wenig miteinander zu tun – in Berlins kleinem Bangkok treffen sie aufeinander. Auf der großen Wiese im Schatten des Hochhauses der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat sich die Stadt von ganz alleine weiterentwickelt – unbürokratisch und autonom ist die große Liegewiese seit den 90er-Jahren Schritt für Schritt zur »Thaiwiese« geworden, der größten Picknickwiese Berlins.
Wir steigen am U-Bahnhof Fehrbelliner Platz aus, laufen von dort in den Park hinein und sehen schon von Weitem die weißen, roten und blauen Schirme, bunte Pavillons, die hier täglich neu auf- und abgebaut werden und unter denen auf Campingtischen mit Wachstuchdecken das eindrucksvollste asiatische Essen Berlins gekocht wird. Auf Gasflammen und Campingkochern brodeln in den mobilen Garküchen in viel benutzten Pfannen Pad Thai und Khao Pad Muh, daneben stehen riesige Kühltaschen und Plastikkörbe mit Pilzen, Mangos, Papayas und Ingwerknollen. Es riecht nach Erdnussöl und Kaffir-Limette, nach gebackenen Bananen und Fischsauce, nach Chili, grünem und rotem Curry, Zitronengras und Basilikum, Knoblauch, Kokosmilch und Koriander.
Am Anfang waren es noch private Picknicktreffen ostasiatischer Familien, dann fingen die Ersten an, ihr Essen zu verkaufen, und im Laufe der Jahre wurde der Thaimarkt zu einem der beliebtesten Streetfood-Märkte Berlins – total illegal war er, denn genehmigt wurde der Markt erst einmal nicht. Auf dem Thaimarkt gab es weder Strom noch fließend Wasser, und die Händlerinnen und Händler zahlten keine Steuern und entrichteten keine Sozialabgaben. Offiziell war man hier also jahrelang kein Kunde, wenn man Mango mit süßem Klebreis und Kokosmilch oder den unwiderstehlichen »Som-Tam-Salat« aus Papaya, Erdnüssen, Tomaten, Karotten, Chili und Tamarindensauce kaufte, sondern man war ein Passant, der bei den thailändischen Familien »mitessen« durfte.
Mitte 2021 gab es endlich grünes Licht: Seither dürfen die Buden, organisiert vom Thailändischen Verein Berlins, ganz offiziell hier stehen. Der Atmosphäre hat das zum Glück nicht geschadet. An den Buden ist weiterhin alles selbst- und hausgemacht und jeder Stand eine kleine Welt für sich: Die Menüzettel stecken in Transparenthüllen, hinter einem der Stände sitzt ein Teenager im Rollstuhl, eine Oma tanzt zu thailändischer Musik und bereitet gleichzeitig Dumplings mit Fisch, Fleisch und Gemüse zu. Vor allem an warmen Tagen ist der Thaimarkt in Wilmersdorf weiterhin eine der romantischsten Essgelegenheiten in Berlin. Mit einer Picknickdecke und einer guten Flasche Weißwein setzen wir uns auf die Wiese und gehen immer wieder auf neue Beutezüge zu den Buden, um Köstlichkeiten anzuschleppen und uns kulinarischen Mutproben zu stellen: Das »Lod Chong dessert in coconut« zum Beispiel sieht aus wie glibberige grüne Würmer in Milch; man kann frittierte Heuschrecken oder Maden probieren, Hühnerfüße oder die Durian-Frucht, deren frisches Fleisch zwar süß schmeckt, deren Gestank jedoch viele abschreckt.
Um uns herum tanzen Herren in schlecht sitzenden Hosen zu Musik aus tragbaren Lautsprechern, Kinder rennen zwischen den Decken umher, bei Kartenspielen wird heimlich um Geld gezockt, wir könnten uns sogar die Haare schneiden oder massieren lassen. Der Preußenpark ist das Gegenteil von hip – und gerade deswegen einer der coolsten kulinarischen Orte der Stadt.
Thaimarkt im Preußenpark
Brandenburgische Straße | 10707 Berlin
Öffnungszeiten: März – Oktober | Fr – So von 10 – 20 Uhr
Anfahrt: U-Bahnhof Fehrbelliner Platz