Читать книгу Ruth Gattiker - Denise Schmid - Страница 15
Der Gesundheitsdirektor schimpft
ОглавлениеRuth Gattiker tritt nämlich einer Person, die sich im Laufe der Operation unbemerkt hinter ihr auf das Podest gestellt hat, auf die Füsse. Sie schaut sich überrascht um und entschuldigt sich. Wer hinter der grünen OP-Kleidung mit Kopfbedeckung und Mundschutz steckt, kann sie nicht erkennen. «Bürgi, Regierungsrat», antwortet der Vermummte auf ihre Entschuldigung hin. Åke Senning und die anderen Ärzte schauen verwundert auf. Während Senning weiternäht, wettert der Gesundheitsdirektor des Kantons Zürich vom Podest herunter. Ruth Gattiker erzählt: «Die ganze Zeit schimpfte Bürgi, wir hätten nicht kommuniziert, weder in Bern noch hier in Zürich habe man etwas gewusst. Er habe auf Schleichwegen erfahren, dass diese erste Schweizer Herztransplantation stattfinde. Senning hat darauf trocken geantwortet, wir hätten andere Probleme gehabt, zum Kommunizieren sei nicht auch noch Zeit geblieben.»
Wie hat der Regierungsrat so schnell von der Sache erfahren? Ruth Gattiker hat dazu ihre eigene Theorie. «Der Herzempfänger war ein unheimlicher Schwätzer. Ich nehme an, er hat im Taxi auf der Fahrt ins Spital verkündet, dass er jetzt dann gleich im Kantonsspital ein neues Herz bekommen werde. Und so hat sich das womöglich verbreitet, vielleicht ging es aber auch über die Spitalleitung, die davon wusste. Ich weiss es nicht genau. Senning hat gewiss nicht daran gedacht, das vorher gross anzukündigen. Politik hat ihn wenig interessiert, und Schweizer Politik schon gar nicht.»
Die Ärzte im Operationssaal sind verwundert über die hektische Reaktion von Regierungsrat Urs Bürgi, als ehemaliger Urologe übrigens selbst Arzt. «So hoch kompliziert und speziell war diese Operation in unseren Augen nicht, aber wir waren natürlich glücklich, dass das Herz in dem wieder aufgewärmten Patienten sofort weiterschlug. Und dann kommt dieser Regierungsrat und schimpft über Politik und Kommunikation. Wir haben ihn völlig entgeistert angeschaut. Wir haben einen Patienten gerettet, das war alles», erzählt Ruth Gattiker. Bürgi aber ist Politiker. Der Umgang mit der Öffentlichkeit ist sein tägliches Brot. Die Journalisten werden als Nächstes Fragen stellen. Das ist Bürgi klar. Hinzu kommt, dass das Ganze nach einer Erfolgsmeldung aussieht, die man sich nicht entgehen lassen will. Der Regierungsrat hat für 17 Uhr eine Pressekonferenz im Hörsaal des Spitals anberaumt, bei der die Ärzte Red und Antwort stehen müssen. Niemand denkt in diesem Moment an Bernt Bernholm, der die ganze Zeit anwesend ist und die Operation mitverfolgt hat. Aufmerksam, wie der Journalist ist, hat er einen Blick in die aufgeschlagene Krankenakte geworfen, die Gattiker auf einem Gestell neben sich platziert hat und die alle wichtigen Informationen über den Herzempfänger enthält. «Ich habe den Journalisten ehrlich gesagt völlig aus den Augen verloren und die Akte im Operationssaal offen auf einem Glasgestell herumliegen lassen wie immer. Der war natürlich schlau und hat die Situation ausgenutzt. Ich war letztlich schuld daran, dass die Namen von Spender und Empfänger in die Presse geraten sind», erzählt Ruth Gattiker. Bernholm fliegt noch am gleichen Abend zurück nach Stockholm. Er hat alles Material, das er braucht, damit am nächsten Tag ein ausführlicher Artikel über die erste Herztransplantation seines Landsmanns und Freundes Åke Senning in der schwedischen Zeitung Expressen erscheinen kann.