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Die Presse macht sich an die Arbeit
ОглавлениеVor der Pressekonferenz machen die Chirurgen eine kurze Pause. Es bleibt ein wenig Zeit, sich vorzubereiten. Ruth Gattiker aber muss den Operierten noch auf der Intensivstation installieren. Sie eilt von dort direkt zum Anlass. Die OP-Kleidung hat sie gegen den weissen Arztkittel eingetauscht, so wie ihre Kollegen auch. Die Journalisten stellen Fragen zum Hirntod, der damals noch nicht als übliche Todesdefinition gilt. Ausserdem wollen sie wissen, ob eine solche Organentnahme legal sei und ob man die Angehörigen um ihr Einverständnis gebeten habe. Nein, man hat die Angehörigen nicht gefragt, lautet die Antwort, und es wird mit der Verordnung über die Leichenöffnungen in Pflegeanstalten und Spitälern von 1890 argumentiert. Dort heisst es in Artikel 2, wie die Zeitung Blick tags darauf, am 15. April 1969, zitiert: «Jede Leiche darf ohne vorheriges Befragen der Angehörigen und ohne vorherige Einwilligung des Verstorbenen geöffnet werden.» Aber es ist 1969 und nicht 1890. Als diese Verordnung entstand, dachte niemand daran, dass man irgendwann Organe aus einem Menschen herausschneiden und bei einem anderen Menschen einpflanzen könnte.
Dass sich die Zeiten geändert haben und die Sache nicht so einfach über die Bühne geht, wie die Ärzte im ersten Moment meinen oder hoffen, wird der anschliessende Medienrummel zeigen. Am Dienstag berichten die drei grossen Zürcher Tageszeitungen Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Tages-Anzeiger und Blick über das aufsehenerregende Ereignis. Die NZZ bleibt dabei gewohnt nüchtern und liefert vor allem Fakten. Relativ ausführlich geht sie auf die Frage ein, weshalb man die Angehörigen nicht um eine Einwilligung zur Organentnahme gebeten hat. Regierungsrat Bürgi habe argumentiert, heisst es, dass in der Praxis kaum Zeit bleibe, um die Angehörigen zu informieren, geschweige denn gar darüber zu verhandeln. Wenn, dann müsste man den Spender fragen, aber der sei ja meist nicht mehr in der Lage, einen solchen Entscheid zu treffen.
«Ein grosser Tag für die Schweizer Chirurgie» titelt der Tages-Anzeiger. Der Text ist strukturiert nach den Aussagen der Beteiligten an der Pressekonferenz und beginnt mit dem Satz: «Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Montagnachmittag in der Stadt Zürich die Nachricht von der ersten geglückten Herzverpflanzung, welche Prof. Åke Senning am Montag um die Mittagszeit an einem 54-jährigen Kaufmann vorgenommen hatte.» Darauf wird Regierungsrat Urs Bürgi mit der Aussage zitiert, dass dieser Tag in die Geschichte der Schweizer Chirurgie eingehen werde. Anschliessend kommen die Professoren Rossier und Krayenbühl zu Wort. Dr. Linder erläutert die immunologischen Überlegungen. Professor Senning wird als wortkarg und zurückhaltend beschrieben. «Es gibt nicht viel zu erzählen. Alle Kliniken des Kantonsspitals sind beteiligt. Wir haben nichts Neues gemacht. Wir haben nichts anderes getan als das, was bei allen anderen Kliniken der Welt bei Herzverpflanzungen auch getan worden ist und was wir experimentell bereits geübt haben.» Zuletzt kommt Ruth Gattiker zu Wort. Sie berichtet, dass es keine besonderen Schwierigkeiten gegeben habe. Der Patient sei 56 Minuten an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen gewesen.