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Ganz andere Dramen

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Das Drama der zwei ersten Herztransplantationen in der Schweiz endet letztlich still und leise, und eigentlich war alles ganz anders. Je nachdem, aus welcher Warte man es betrachtet. Womit die Öffentlichkeit gefüttert wird, ist nur die Spitze des Eisbergs oder der Höhepunkt einer gut 15 Jahre dauernden Entwicklung, in der man in den USA und in Schweden beginnt, am offenen Herzen zu operieren. Möglich wird das nicht zuletzt durch Fortschritte in der Anästhesie, die länger dauernde Operationen ermöglichten, und durch viele einzelne Innovationsschritte. Dazu gehören die verschiedenen Operationstechniken ebenso wie die Entwicklung der Hypothermie – das Herunterkühlen des Körpers, um das Herz für kurze Zeit stillzulegen – oder der Herz-Lungen-Maschine, die während der Operation die Funktion von Herz und Lunge übernehmen kann. Ruth Gattiker gewichtet die erste Herztransplantation deshalb auch anders: «Für die Öffentlichkeit war das eine grosse Sache damals. Weil es um das Herz ging, hat man so ein Gewese darum gemacht und vieles hineininterpretiert. Aber für uns war das anders. Das sieht man ja auch daran, dass es chirurgisch gar keine so schwierige Operation war. Das Schwierige hatten wir in den vielen Jahren zuvor erlebt. Die Herztransplantation war eine Art Höhepunkt einer langen Entwicklungszeit.»

Zu Ende sind die Entwicklungen damit aber noch lange nicht. Sie führen weiter in eine hochtechnisierte medizinische Zukunft, in der einige Jahrzehnte später die meisten Herzprobleme minimalinvasiv behoben werden können. In unserer heutigen, fehlerintoleranten Zeit scheint eine Pionierphase wie in den 1950er- und 1960er-Jahren beinahe undenkbar: eine Zeit, in der zunächst an Tausenden von Tieren, meist Hunden, aber auch Katzen und Schweinen Medikamente, neue Geräte und Operationstechniken rund ums Herz ausprobiert werden, um anschliessend die Versuche an meist todkranken Menschen weiterzuführen. Gesellschaftliche Kritik war bis zu den misslungenen Herztransplantationen nicht zu erwarten. Und selbst da hielten sich die Medien am Ende zurück. Man nahm den Tod der beiden Herzempfänger nüchtern hin. Niemand rief laut, dass es ein Experiment war, oder stellte Fragen nach der Ethik. Und Senning selbst war vernünftig genug, es bei zwei Versuchen zu belassen. Wenig Regulation, der Nimbus der unantastbaren «Götter in Weiss» und eine Öffentlichkeit, die weniger kritisch war als die heutige, trugen dazu bei, dass die Pioniere mehr oder weniger ungestört Neues ausprobieren konnten.

Ruth Gattiker

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