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2. Gewahrsamsbruch

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a) Fremden Gewahrsam bricht der Täter,[139] wenn er diesen gegen bzw. wenigstens ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufhebt.[140] Dies stellt den maßgeblichen Unterschied zur Unterschlagung nach § 246 StGB dar, die gerade diesen Gewahrsamsbruch nicht voraussetzt. Nicht relevant ist hierbei, ob der Täter den Gewahrsamsbruch selbst unmittelbar herbeiführt oder sich hierzu eines Dritten bedient (solange dieses Dritthandeln dem Täter nach allgemeinen Grundsätzen zugerechnet werden kann).[141]

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b) Ist der Gewahrsamsinhaber mit dem Gewahrsamswechsel (explizit oder auch nur konkludent) einverstanden, so fehlt es an der Wegnahme, und der Tatbestand des § 242 StGB ist bereits nicht erfüllt.[142] Denn diese kann schon begriffsnotwendig nur gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers erfolgen. Der Gewahrsamsbruch gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers dient nicht nur der Abgrenzung zur Unterschlagung gemäß § 246 StGB, sondern auch der Abgrenzung insbesondere zum Betrug.[143] Für das Einverständnis reicht der natürliche Wille aus, es bedarf gerade keiner rechtsgeschäftlich wirksamen Zustimmung, so dass auch Kinder, Betrunkene und Geisteskranke ohne weiteres ihr Einverständnis in den Gewahrsamsbruch erklären können.[144] Ein Einverständnis ist hingegen bei einer Zwangslage nicht gegeben, da diese Zwangslage einen das Einverständnis ausschließenden Willensmangel darstellt.[145]

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Bei gleichrangigem Mitgewahrsam ist ein Einverständnis aller Gewahrsamsinhaber nötig, damit eine Wegnahme ausscheidet. Hierbei ist jedoch ohne Einfluss, ob ein Dritter oder ein Mitgewahrsamsinhaber selbst Täter ist.[146] Dieses Einverständnis muss darüber hinaus grundsätzlich bereits vor oder jedenfalls bei der Wegnahme erteilt werden. Eine nachträgliche Genehmigung lässt den Gewahrsamsbruch nicht entfallen. Jedoch kommt in dieser Konstellation eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht mit der Folge einer Rechtfertigung des Täters, wenn im Einzelfall zu vermuten steht, dass der Gewahrsamsinhaber sein Einverständnis erteilt hätte.[147]

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Dies gilt auch bei den sog. Diebesfallen, in denen der Gewahrsamsinhaber Sachen dem Täter eigens zu dessen Überführung zugänglich macht. Hier liegt ein Einverständnis vor, so dass lediglich eine Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht kommt.[148] Im Einzelfall kann es hier aber auch bereits an einer Gewahrsamsverschiebung fehlen.[149] Der Umstand, dass der Täter bei der Wegnahmehandlung beobachtet wird, ist hingegen unschädlich, da der Diebstahl kein heimliches Delikt ist. Vorkehrungen zur Beobachtung möglicher Diebstähle oder das Beobachten durch einen Kaufhausdetektiv alleine führen daher noch nicht zu einem tatbestandsausschließenden Einverständnis.[150]

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c) Grundsätzlich kann auch ein bedingtes Einverständnis in den Gewahrsamsbruch erteilt werden.[151] Hierzu müssen aber die Voraussetzungen für diese Bedingung äußerlich erkennbar sein.[152] Diese Bedingung ist z.B. nicht bei der Bedienung von Warenautomaten erfüllt, wenn der Täter Falschgeld oder Geld der falschen Währung einwirft.[153] Hingegen liegt beim systematischen Leerspielen von Automaten mit Sonderkenntnissen über den Programmablauf kein Diebstahl vor, da der Automat hier nach außen völlig ordnungsgemäß bedient wird.[154] Umstritten ist dagegen der Fall, in dem ein Geldautomat mit einer gefälschten Codekarte bedient wird. Der BGH bejaht hier ein tatbestandsausschließendes Einverständnis (bzw. sogar einen „Übergabeakt“),[155] wohingegen die Literatur dies z.T. abgelehnt.[156] Dies hat jedoch im Ergebnis keinen Unterschied zur Folge, soweit man in § 263a StGB eine lex specialis sieht.[157] Die unberechtigte Entnahme von Geld aus dem Ausnahmefach, nachdem der Berechtigte den Ausgabevorgang durch Eingabe der Bankkarte mit zugehöriger PIN in Gang gesetzt hatte, beurteilen der 2. und der 3. Strafsenat in jüngerer Zeit unterschiedlich.[158]

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Fährt der Täter an Selbstbedienungstankstellen davon, ohne zu zahlen, stellt sich ebenfalls die Frage, ob hier eine Wegnahme aufgrund eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses ausscheidet. Nach h.M. steht das Einverständnis lediglich unter der Bedingung, dass der Täter die Zapfsäule korrekt bedient,[159] und zwar unabhängig davon, ob er von Anfang an nicht zahlen wollte,[160] weshalb nur eine Unterschlagung vorliegen kann.[161] Die Gegenansicht sieht ein Einverständnis als auch durch das Bezahlen bedingt an, was jedoch abzulehnen ist, da der Gewahrsamsübergang bereits mit dem Einfüllen stattfindet, die Bedingung hingegen aber lediglich für den Eigentumsübergang am Benzin maßgeblich ist (Eigentumsvorbehalt). Teilweise wird eine Abgrenzung zwischen Unterschlagung und Betrug anhand des Kriteriums vorgenommen, ob sich der Täter beim Tanken beobachtet fühlt oder nicht.[162] Richtigerweise hat die (vermeintliche) Beobachtung bei einem Täter, der von Anfang an nicht zum Zahlen bereit ist, Auswirkung auf die Vollendungsstrafbarkeit, denn fühlt er sich beobachtet, liegt nach h.M. ein Betrug bzw. bei tatsächlich fehlender Beobachtung versuchter Betrug vor, da der Täter den Anschein eines zahlenden Kunden (Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft) zu erwecken versucht.[163]

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d) Zu Abgrenzungsproblemen zwischen Wegnahme und Verfügung, also Weggabe, führen sowohl die sog. Trickdiebstahlsfälle[164] als auch die Fälle, in denen der Gewahrsamsinhaber lediglich bedingt durch einen Irrtum sein Einverständnis erteilt. Bewirkt der Täter durch Täuschung die Weggabe der Sache, dann liegt grundsätzlich eine Verfügung vor, so dass nur ein Betrug nach § 263 StGB in Betracht kommt. Die Verfügung setzt jedoch voraus, dass sich der Gewahrsamsinhaber des Gewahrsamswechsels bewusst ist. Dies ist gerade nicht der Fall, wenn z.B. der Verkäufer Kunden Sachen zur Anprobe im Laden zur Verfügung stellt, denn der Verkäufer geht nicht von einem Gewahrsamsverlust aus. Verschwindet der Kunde mit den Sachen, liegt ein Gewahrsamsbruch vor.[165] Versteckt der Täter eine Sache in der Verpackung einer anderen Sache oder im Wagen hinter oder unter anderen Waren und durchquert er damit den Kassenbereich, so liegt beim Kassenpersonal kein Verfügungsbewusstsein bezogen auf die versteckten Sachen vor, weshalb ein Bruch und damit auch hier eine Wegnahme nach § 242 StGB vorliegt.[166]

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