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b) Enteignungskomponente

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aa) Nach der Vereinigungstheorie betrifft die (opferbezogene) Enteignungskomponente die auf Dauer angelegte Entziehung der Sache, also ihrer Substanz oder ihres Sachwertes, von ihrem Eigentümer.[203] Notwendig ist daher eine Verdrängung des Eigentümers aus seiner faktischen Herrschaftsposition und damit aus seiner umfassenden Befugnis nach § 903 BGB[204] über die Sache. Dies hat aber keinerlei Einfluss auf seine zivilrechtliche Eigentumsposition entsprechend § 935 Abs. 1 BGB.[205] Um die Zueignungsabsicht zu bejahen, muss der Täter Vorsatz auf die Enteignung haben. Hierfür genügt einfacher Vorsatz, also mindestens dolus eventualis und billigende Inkaufnahme des endgültigen Verlustes des Eigentümers an der Sache.[206]

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bb) Ein etwa vorhandener Rückführungswille des Täters (zum Tatzeitpunkt) schließt den Enteignungsvorsatz grundsätzlich aus, da die Enteignung dauerhaft sein muss. Rechnet der Täter also nicht damit, dass dem Eigentümer die Sache dauerhaft entzogen bleiben könnte, so fehlt der Enteignungsvorsatz, und der Gebrauchsdiebstahl bzw. die Gebrauchsanmaßung (furtum usus), bei dem der Täter die Sache nur eine Zeit lang benutzen und anschließend zurückgeben will, wird damit von § 242 StGB nicht erfasst.[207] Ebenso fehlt der Enteignungsvorsatz, wenn die Sache nur als „Pfand“ für die Durchsetzung einer anderweitigen Forderung dienen und anschließend an das Opfer zurückgegeben werden soll, es sei denn, der Täter möchte die weggenommene Sache unabhängig von der Erfüllung der gestellten Forderung behalten oder verwerten[208] bzw. behält sich zumindest vor, sie nicht zurückzugeben, wenn seine Forderung nicht erfüllt wird. Die Gebrauchsanmaßung ist allenfalls nach §§ 248b, 290 StGB strafbar (vgl. auch unten Rn. 146 ff.). Ein bedingter Enteignungsvorsatz ist mangels unbedingten Rückführungswillens aber dann anzunehmen, wenn der Täter ein fremdes Kraftfahrzeug nach einer Spritztour irgendwo so abstellt, so dass es dem Zugriff Dritter ungehindert ausgesetzt ist, und es damit dem Zufall überlässt, ob der Eigentümer es zurück erhält.[209] Es ist ohne Belang, ob der Eigentümer die Sache tatsächlich zurück erlangt, denn für den Enteignungsvorsatz ist allein der Rückführungswille zum Zeitpunkt der Wegnahme maßgeblich.[210] Dieser ist aber abzulehnen, wenn eine wesentliche Wertminderung bzw. Abnutzung der Sache eingeplant wird.[211]

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Der Rückführungswille muss sich auf die weggenommene Sache beziehen, sonst ist er unbeachtlich. Kein den Enteignungsvorsatz ausschließender Rückführungswille liegt daher vor, wenn der Täter nicht genau den weggenommenen Gegenstand zurückgeben will, sondern „nur“ eine andere gleichwertige Sache, ebenso wenn er den Verlust auf andere Art und Weise, z.B. durch eine Geldzahlung, ausgleichen will. Fraglich ist jedoch, ob man dies auch bei der Wegnahme von Geldbeträgen (eigenmächtiger Geldwechsel) oder anderen vertretbaren Sachen ebenso sehen muss,[212] da hier die Figur der mutmaßlichen rechtfertigenden Einwilligung durchaus denkbar ist.[213]

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cc) Auch bei bestehendem Rückführungswillen kann der Enteignungsvorsatz aber dann bejaht werden, wenn der Täter die Sache erst nach teilweiser oder vollständiger Entziehung des Sachwertes zurückgeben will. Bei der Rückgabe gegen Entgelt ist wiederum zu unterscheiden: Will der Täter die Rückgabe der Sache in Anerkennung oder unter Leugnung des Eigentumsrechts vollziehen? Im Falle der Leugnung – etwa indem der Täter die Sache an den Eigentümer zurück verkauft, ohne dessen Eigentum offen zu legen – liegt eine Zueignung vor.[214] Im Falle der Anerkennung, wie z.B. bei der Zurückgabe von entwendetem Leergut, an dem sich der Hersteller das Eigentum vorbehalten hat,[215] liegt keine Zueignung vor, da hier das Eigentum gerade ausdrücklich anerkannt wird.[216] Selbst wenn der Täter die Rückgabe von einem Finderlohn abhängig macht, ist die Enteignung zu verneinen.[217] Enteignungsvorsatz zum Zeitpunkt der Wegnahme ist aber zu bejahen, wenn der Täter seinen Rückführungswillen – umgekehrt formuliert seinen Enteignungsvorsatz – von bestimmten Bedingungen abhängig macht, die nicht in seiner Einflusssphäre liegen, da er hiermit im Sinne eines „dolus alternativus“ jedenfalls auch die Möglichkeit der Nichtrückgabe in seinen Vorsatz aufnimmt.[218] Ebenso ist das Vorliegen der nötigen Aneignungsabsicht in diesen Fällen fraglich.

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In diesem Zusammenhang ebenfalls problematisch sind die Fälle, in denen der Täter Wertpapiere, Legitimationspapiere oder „Wertkarten“ wegnimmt und diese dem Berechtigten nach Nutzung zurückgibt. Kein Sachwert wird etwa der Codekarte entzogen, wenn diese weggenommen und nach erfolgter Geldabhebung zurückgegeben wird.[219] Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Codekarte zugleich eine Geldkarte ist,[220] sonst kommt ein Diebstahl nur an dem abgehobenen Geld selbst in Betracht. Bei Wertpapieren liegt nur dann eine Zueignung vor, wenn der Täter die in ihnen verkörperten Forderungen entzieht. Eine eventuelle Rückgabe der Wertpapiere ist dann aber ohne Einfluss.[221] Auch bei der Wegnahme von nur qualifizierten Legitimationspapieren (§ 808 BGB), wie es Sparbücher sind, bejaht die h.M. eine Zueignung, wenn ein solches weggenommen und nach erfolgter Geldabhebung zurückgegeben wird.[222] Genauso wurde bei Gutscheinen, Lebensmittelkarten, Bier- und Benzinmarken entschieden.[223] Gleiches dürfte für die Nutzung von Telefon-, Geld- und Prepaid-Karten gelten.[224]

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