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Das Ende der reformierten Blutlinie

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Der Niedergang des Hauses Pfalz-Simmern war jedoch ein Lehrstück dafür, nicht rechtzeitig von der Macht ablassen zu können. Das finden wir auch heute noch in vielfältiger Ausprägung, weshalb ich mich entschlossen habe, darauf etwas umfänglicher einzugehen. Und ich ahnte nicht, dass ich bei meinen Recherchen auf eine Tragödie fast griechischen Ausmaßes stoßen und mich auf einen vermutlich ungeklärten Kriminalfall einlassen würde.

Kurfürst Karl Ludwig war ein autoritärer Vater und trennte sich schon nach sieben Jahren Ehe von seiner ersten Frau Charlotte von Hessen-Cassel. Sein dieser Ehe entstammender Sohn Karl II.12 wuchs als kränklicher Knabe freudlos am Hofe des Vaters auf; sein reizbares empfindliches Gemüth wurde verschüchtert und von den Eindrücken seiner Umgebung unangenehm berührt; seine Mutter zog sich 1657 nach Cassel zurück, er blieb einsam bei Hofe, widerwillig dem Vater unbedingten Gehorsam zollend. Ohne auf seine Individualität Rücksicht zu nehmen, wurde Karl mit Gelehrsamkeit erdrückt; schrieb 1882 der deutsche Historiker Arthur Kleinschmidt über den glücklosen Kurfürstensohn.

1664 wurde der junge Gelehrte Paul Hachenberg sein Erzieher und gewann immer mehr sein Vertrauen, was wiederum Argwohn bei seinem Vater hervorrief.

Als er eine württembergische Prinzessin heirathen wollte, bestimmte ihm der Vater die ihm ganz unsympathische Tochter des Königs Friedrich III. von Dänemark, Wilhelmine Ernestine. Ihre Hoffart und Unbedeutendheit entfremdete ihn ihr mehr und mehr, die Ehe blieb kinderlos.13

Karl strebte nach Unabhängigkeit. Der Druck des Vaters und seine Lebensumstände ließen ihn immer düsterer und gar zum Menschenfeind werden.

Als 1680 die Franzosen im Oberamt14 Germersheim in die Pfalz einfielen, schickte ihn sein Vater auf diplomatische Mission zum Onkel König Karl II. nach England. Während dieses Auslandsaufenthalts verstarb am 26. August der verhasste Vater mit 62 Jahren, damit fiel Karl im Alter von 29 Jahren das Kurfürstenamt zu und er kehrte im Oktober nach Heidelberg zurück. Die Leitung der pfälzischen Politik überließ er jedoch seinem engsten Vertrauten. Seinen Erzieher, den Historiker Paul Hachenberg, ernannte er zum leitenden Minister und Oberbefehlshaber, ohne dass dieser zum Staatsmann befähigt gewesen wäre. Andere sagten ihm nach, er sei gänzlich unfähig gewesen. Jedenfalls hat er sich in den 16 Jahren bei Hofe nicht gerade beliebt gemacht.

Karl ließ zudem die Günstlinge des Vaters in Ungnade fallen. Dazu trug auch Hachenberg bei. Er holte ehemalige Höflinge, die Karl Ludwig wegen Unfähigkeit entlassen hatte, die es aber verstanden, sich bei ihm einzuschmeicheln, wieder in gut entlohnte Positionen zurück. Dieser Affront blieb wohl nicht folgenlos. Denn der viel geschmähte Hachenberg starb schon nach wenigen Wochen seiner Amtsführung sehr plötzlich.

Bei der Recherche zu seiner Person stieß ich auf ein digitalisiertes, nur schwerlich lesbares, in alter Handschrift verfasstes Traktätlein von 173515, publiziert vom Historiker Georg Christian Joannis. Nach kurzem Einlesen fesselte mich das historische Kleinod.

Es beschreibt genau diese Zeit bei Hofe, als Karl II. Kurfürst war. Joannis hatte die Originalfassung von 1693 historisch redigiert. Sie entstammte der Feder eines Johann Friederich Reiger.

Dieser war zuletzt kurfürstlicher Hofrat unter Karl Ludwig und hatte sich in dreißigjähriger Tätigkeit bei Hofe hochgedient. Ich nehme an, er hatte sich bei seinem Herrn zu einer Art grauen Eminenz entwickelt, die über alles und jeden etwas wusste.

Er war der Erste, der dem neuen Kurfürsten opportunistisch eine Liste mit Namen übergab, die künftig bei Hofe verzichtbar waren.

Der neue Kurfürst hatte aber, welch Wunder, noch eine andere Liste, auf der Reiger an erster Stelle stand. So wurde er von Karl beurlaubt. Erst schrieb er verbittert seine Geschichte in anonymen Briefen nieder. Jahre später erschien dann sein Traktätlein.

Joannis bezeichnet einige Begebenheiten daraus als aus Affekten geschrieben, dennoch konnte man diese Anwürfe mit Blick auf die private Geschichte bei Hofe nicht übergehen.

Der Verkehrspolizist

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