Читать книгу Mein Leben im zweiten Weltkrieg und in den ersten Nachkriegsjahren - Dieter Schulz - Страница 7
Die armen Juden
ОглавлениеEs war im Herbst des Jahres 1941, als mir öfters seltsame Menschen begegneten. Sie fielen mir in erster Linie deshalb auf, weil auf ihren Kleidern so eigenartige gelbe Sterne mit einer unleserlichen Schrift aufgenäht waren. Dass es besondere Menschen waren, erkannte man auch an den Ernst in ihren Gesichtern. Einige meiner Freunde riefen „Judd, Judd, Judd“ hinter ihnen her.
Mein Vater hatte wohl einen Urlaubstag und so gingen wir alle, meine Eltern, Günter, Karl-Heinz, letzterer im Kinderwagen und ich in den Hofgarten. Außer uns war kaum jemand zu sehen. Plötzlich kam uns aus einem Seitenweg eine Familie entgegen. Es waren die beiden Eltern und zwei Jungen, die etwa so alt wie Günter und ich waren. Alle vier trugen sie schwarze Kleidung und alle vier trugen sie den gelben Stern. Ich erkannte auch, dass sie sehr traurig waren. Sie alle blickten zu Boden. Ich fragte meine Eltern, was die gelben Sterne bedeuteten. Die Erklärung meines Vaters war knapp. Er sagte: „Das sind Juden!“ Meine Mutter ergänzte diese knappe Antwort, indem sie hinzufügte: „Das sind ganz arme Menschen!“ Meine Frage, warum die Leute arm waren, beantwortete mein Vater damit, dass er mir das später erklären würde. Meiner Mutter riet er aber, sich aus der Politik heraus zu halten, da wir sonst großen Ärger kriegen könnten.
Tage später, es war auf dem Schulweg, sah ich auf der Bilker Allee eine Frau, die auch so einen Stern trug. Sie hatte einen Buckel und sie guckte komisch. Später sah ich immer weniger Leute mit dem gelben Stern und irgendwann war niemand mehr zu sehen. Es gab aber wohl doch noch einige, denn wiederum später, während eines Luftangriffs, meine Mutter und wir Kinder waren bereits im Luftschutzkeller, waren vom Kellereingang laute Stimmen zu vernehmen und jemand schrie, dass Juden keinen Zugang hätten. Ein Mann meinte, dass man doch mal eine Ausnahme machen könnte. Ich kann mich nicht erinnern, ob der Jude nun in den Keller durfte oder nicht und auch meine Mutter konnte später nichts darüber sagen.