Читать книгу Einmal Formentera, immer Formentera? - Dirk Prüter - Страница 11
Alles hat seinen Preis
ОглавлениеEine Fahrt zum Arenals Strand der Insel entwickelt sich zwar nicht zur Zerreißprobe unserer Freundschaft, offenbart aber grundsätzlich unterschiedliche Geschmäcker. Ich bin begeistert. Die gut zehn Kilometer entsprechen in etwa meiner Strecke zur Schule. Anstatt jedoch vom morgendlichen beziehungsweise nachmittäglichem Berufsverkehr entlang der B1 in Dortmund in Abgase gehüllt zu werden, weht uns auf Formentera frische Luft um die Nase. Herrlich, der Fahrtwind bei dünnen Klamotten auf der Haut. Zudem das Flimmern über dem Asphalt in der lang gezogenen Ebene, nachdem der zweite Hubbel in der Landschaft überwunden ist, das Meer zur Rechten wie zur Linken nur ein paar hundert Meter weit auseinander – toll. Leider sehen Ute sowie Rüdiger und Birgit die Sache anders. Man schwitzt, man lechzt nach Wasser, man sehnt die Ankunft herbei. Der Strand ist klasse, da sind wir uns einig, in den Wellen zu toben ein Vergnügen, die Kurbelei dorthin jedoch – grenzwertig. Ganz zu schweigen davon, dass die Strecke irgendwann schließlich auch in umgekehrter Richtung zurückzulegen ist oder es ganz nett wäre, auch Abends „mal eben schnell“ noch irgendwo hin zu fahren, ohne ein weiteres Mal in die Pedale treten zu müssen.
Es dauert nicht lange, da darf ich mich einem Mehrheitsentschluss beugen. Drei zu eins – klare Sache. Eine Entscheidung, über die ich Jahre später die Augen verdrehen, die Nase rümpfen und den Kopf schütteln soll. Einstweilen jedoch wird nach einer Woche umgesattelt: Viktor erhält seine vier Räder zurück, Miss Neckermann die Order, zwei Motorroller zu arrangieren. Kaum sind die in Empfang genommen, wird Formentera kleiner. Die Strecke zum Strand, an dem auf einem kleinen Hügel eine Piratenflagge weht, ist in Nullkommanichts zurück gelegt. Brandet es dort zu sehr oder verderben Quallen den Badespaß, wird kurzerhand umdisponiert. Kostet ja kaum etwas. Ein paar Minuten Knattern, eine Portion Fahrtwind, eine Tasse voll Sprit und schon ist das andere Ende der Insel erreicht. Fortan alles kein Hexenwerk mehr. Ebenso Abends. Ein wenig auf der Promenade flanieren in Es Pujols, in Boutiquen stöbern, in ein Restaurant setzen? Kein Thema. Rauf auf die Feuerstühle und ab geht die Post. Was mich dennoch und nicht nur im Nachhinein stört? Es gibt nichts umsonst. Alles hat seinen Preis. Nicht nur den monetären. Der ist leicht zu beziffern. Die Roller zu mieten kostet uns etwa doppelt so viel wie die Drahtesel. Hinzu kommen die Peseten für das Tanken. Nicht die Welt, aber immerhin und zugleich die Brücke zu den nicht quantifizierbaren Kosten.
Die Tankstelle liegt unweit unserer Unterkunft. Wie von der Jeep-Safari in Erinnerung, die einzige auf der Insel. Jedenfalls 1986. Erst Jahre später kommt eine zweite hinzu. Die Zapfsäulen stehen quasi unmittelbar neben der Hauptstraße, die sich über das Eiland zieht. Schräg gegenüber mündet die Piste ein, an der nur wenige hundert Meter entfernt unsere Herberge liegt. Mit der Einmündung einher geht ein leichter Anstieg. Das Asphaltband liegt etwas höher als der holperige Camino. Wahrscheinlich so viel, wie es das Anlegen einer glatten Fahrbahn erfordert: Teer, Tragschicht, Unterbau – irgendwo muss das Material schließlich bleiben und genau das wird es sein, was mich Nerven kostet. Jedenfalls dann, wenn es für uns los geht. Die Kreuzung entwickelt sie sich zu einem Ort, der Gefühlsregungen hervor ruft. Zunächst in Form von Gelächter. Nach einigen Tagen schlägt die Heiterkeit um in Mitleid, wenig später in Verständnislosigkeit. Der Abzweig schräg gegenüber der Tankstelle auf die Inselhauptstraße offenbart, dass es mit meinen Künsten am Gaszug nicht sonderlich weit her ist. Was auf Heimwegen kein Thema ist, entwickelt sich nach dem Aufbruch zum Lotteriespiel wenn es darum geht, den Höhenunterschied zu überwinden. Dummerweise gilt es, ihn beim Abbiegen zu bezwingen. Da die Inselhauptstraße die Vorfahrt hat und häufig genug einigermaßen belebt ist, ist es nicht ungeschickt, das Manöver zügig zu vollziehen. Vereinfacht ausgedrückt: schnelles Anfahren am Berg ist gefragt. Was die Abfolge der Handgriffe anbelangt, so ist die Sache sonnenklar. Gas geben, Kupplung kommen lassen, Bremse lösen, Gas durchziehen. Für Rüdiger als geübten Motorradfahrer nicht das geringste Problem. Für mich ohne entsprechende Erfahrungen in der Ebene ebenfalls kein großes Ding, gegenüber der Tankstelle hingegen eine echte Herausforderung. Möglicherweise dürfte ich in Deutschland noch nicht einmal ein Fahrzeug wie das geliehene führen. Die Frage, die sich statt dessen jedoch stellt, ist: wie oft lasse ich die Karre absaufen, bevor es weiter geht? Das Unterfangen kostet häufig genug Zeit, Geduld und Nerven.