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Vamos a la playa oder wo bitte geht’s zum Strand

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Nach einer ersten Abkühlung im Pool und dem diskreten Rückzug von den Platzhirschen am Beckenrand beschließen wir, entgegen derer Warnung, am helllichten Tage in Augenschein zu nehmen, wie es um die karibischen Strände bestellt ist, mit denen die Reiseprospekte lockten. Einige Kilometer sahen wir bereits, als wir von Ibiza aus kommend mit der Fähre auf Formentera zusteuerten. Vielversprechend, doch sicherlich nicht der einzige Abschnitt dieser Art auf der Insel.

Unvorbereitet, ohne Karte, ohne Ortskundigen und ohne mit internet- oder navigationsfähigen Smartphones ausgestattet zu sein, probieren wir unser Glück. Weltweites Datennetz, Satellitennavigation, mobile Kommunikationstechnik? Stecken in den Kinderschuhen. Wir schreiben das Jahr 1986. Der Einsatz von Funktelefonen ist beschränkt auf das Auto. Und das nicht ohne Grund. Die Apparaturen kosten mehr als manches Fahrzeug. Zudem sind die Geräte aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und ihres Energiebedarfs in keinster Weise geeignet, herumgetragen zu werden. Das Geraffel füllt einen Rucksack. Andere Technologien sind noch weiter davon entfernt, von jedermann genutzt zu werden. Meine ersten Programmiererfahrungen unter akademischer Anleitung im Informatikstudium machte ich auf Lochkarten. Die Anmerkung eines Professors dazu: nimmt man ein dutzend ausgestanzter Kartons und klebt sie zusammen, hat man einen preiswerten Lampenschirm. Doch ich schweife ab. Wie bereits erwähnt, uns zieht es zum Strand, wir wollen uns in die Fluten stürzen und wir haben keine Ahnung, welcher Weg uns dorthin führt.

Mit so etwas wie natürlichem Orientierungssinn bewegen wir uns vor die Tür unseres Hostals Lago Dorado – das Hotel am güldenen See. Die vor uns in der Abendsonne entsprechend schimmernde Lagune westlich des Hafens mag für den Name unserer Unterkunft Pate gestanden haben. Von unserem Balkon aus in dem zweigeschossigen Gebäude, da vermittelt das Gewässer in der Tat einen romantischen Eindruck. Unmittelbar davor stehend jedoch verblasst der Schimmer einstweilen. Strand? Einen schmalen Streifen Sand, ja, den gibt es. Tropisches Flair? Unsere Vorstellungen diesbezüglich waren andere. Zum Baden taugt die Lagune jedenfalls nicht. Wir laufen, laufen und laufen, doch Badesachen wie Knie bleiben trocken. Am anderen Ufer, Richtung Hafen, dümpeln Boote im Wasser. Wir sind die einzigen, die durch die weitläufige Pfütze staksen. Der Boden ist stellenweise morastig und fällt nur minimal ab. Logische Konsequenz? Der Ausflug ist ebenso schnell beendet wie er begann. Sollte sich bestätigen, was wir am Pool aufschnappten?

Der nächste Anlauf führt uns zunächst zurück in die Hände von Victor. Wie könnte es anders sein. Ein fahrbarer Untersatz muss her. Aus dem Reiseprospekt blieb hängen, dass das bevorzugte Verkehrsmittel für den Urlauber auf Formentera das Fahrrad sei. Ich habe damit kein Problem, meine Mitreisenden ebenso wenig, und zum Glück wissen wir ja auch bereits, an wen wir uns zu wenden haben.

Wenig später sind wir mit rustikalen Drahteseln ausgestattet. Wir mieten sie zunächst für eine Woche. Strand, die Zweite: Vier klapperige Räder holpern über eine staubig steinige Piste. Auf den Gepäckträgern rappeln mit Seilen festgezurrte Holzkisten, darin die Taschen mit unseren Badeutensilien. Noch immer knallt die Sonne. Die Ausdehnung der Insel in groben Zügen vor unseren geistigen Augen kurbeln wir gen Norden. Im Hintergrund zeichnen sich Höhenzüge Ibizas ab. In dieser Richtung müsste das Meer am nächsten sein. Wir strampeln ein kurzes Stück, dann geht es nicht mehr weiter. Zumindest nicht mit dem Rad. Die Straße beziehungsweise der Weg wird zu einem steinigen Trampelpfad, der sich nicht nur windet, sondern ebenso mal rauf wie wieder runter führt, insgesamt jedoch eher ansteigt. Nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit dann liegt die Küste vor uns. Wir sind leicht enttäuscht. Es sieht anders aus, als wir es uns vorstellten. Wie wir später lernen sollen, heißt die Ecke Punta de Sa Pedrera. Puntas gibt es auf Formentera einige. Alle sind felsig, alle erheben sich mehr oder minder schroff und alle ragen in das Meer. Die Punta de Sa Pedrera bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Wohin wir schauen, unsere Blicke fallen auf eine zerklüftete Mondlandschaft. Ansonsten ist es wie an der Lagune: keine Menschenseele, die sich irgendwo tummelt. Weder in den Klippen, noch im Meer. Überhaupt – um nasse Füße zu bekommen, müssten wir klettern. Oder springen. Paradiesische Strände? Hier mit Sicherheit nicht. Werden auch wir bereuen, uns für diese Insel entschieden zu haben?

Versuch Nummer drei, uns in die Fluten zu stürzen, führt uns zunächst zurück Richtung Hotel, dann an diesem vorbei zur Inselhauptstraße. Der Weg Richtung Hafen ist nicht zu verfehlen, der Rest schnell gefunden. La Savina, der Ort, in dem wir nach der Überfahrt mit der Fähre wieder festen Boden betraten, ist überschaubar. Kommt man über die Straße, liegt links „unsere“ Lagune, die abends goldene. Auf der Karte trägt sie den Namen Estany des Peix. Geradeaus, hinter der Mole, erstreckt sich das Meer beziehungsweise in knapp zwanzig Kilometern Entfernung Ibiza. Bleibt an sich nur noch der Weg nach rechts. Folgt man diesem, landet man nahezu unweigerlich am Strand. Zwar ist auch dieser nicht wer weiß wie breit, auch hier gibt es Flecken, die scharfkantiges Gestein offenbaren, doch immerhin zieht er sich, es gibt sandige Abschnitte und man gelangt so weit in das Wasser, dass man schwimmen oder schnorcheln kann. Wagt man sich noch weiter heraus, kann man nicht mehr stehen.

Schnell sind die Handtücher ausgebreitet und wir genießen, worauf wir uns gefreut haben: in der Sonne zu schmoren und, sobald wir zu verbrennen drohen, in das nicht all zu sehr kühlende Nass zu flüchten. Sanft wogt es hin und her. Was jedoch ebenso klar ist wie das Wasser: wir müssen uns die Insel strukturierter erschließen. Ein Plan muss her. Noch besser: ein Reiseführer. Im Idealfall einer, der unsere Sprache spricht und mit uns im Schlepptau die Orte abklappert, die man als Greenhorn kennen sollte.

Einmal Formentera, immer Formentera?

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