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Kampf der Titanen

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Bekleckere ich mich als Rollerfahrer nicht gerade mit Ruhm, gibt es andere Gelegenheiten, bei denen ich glänzen kann – oder muss. So öffnen wir eines Abends die Tür unseres Zimmers und entdecken auf einer der Bettdecken ein Monster. Ein flugfähiges. Augen groß wie Untertassen. Mindestens. Jedenfalls in der ersten Schrecksekunde. Es sitzt nur da und erwartet seine Beute – Ute und mich. Die Rache der Hotelangestellten dafür, dass wir Tage zuvor die Stromversorgung lahm legten? Einer von uns beiden hatte in einer der Nächte zuvor den Schalter einer Nachttischlampe betätigt. Nach dem Funkenflug beziehungsweise Lichtbogen ging im Zimmer nichts mehr. Jedenfalls nichts, was auf elektrische Energie aus dem Hausnetz angewiesen war. Am Morgen, im Tageslicht, dann die Erkenntnis, dass wir Glück gehabt hatten. Das Stromkabel war um den Schnurschalter herum entzweit. Der Kurzschluss muss die Sicherung ausgelöst haben. Als wir mit Rüdiger und Birgit am Frühstückstisch auf das Thema zu sprechen kamen, entfachten wir ein Lauffeuer. Es begann mit Birgit.

„Und ich habe mich schon gewundert, warum bei mir vorhin der Fön nicht mehr funktionierte.“

Kaum ausgesprochen, macht das Thema an den Nachbartischen die Runde. Hier streikte ebenfalls der Haartrockner, dort der Rasierer, beim Nächsten schwieg der Weltempfänger. Wenig später war der Schaden behoben. Victor musste die Sicherung gewechselt oder den Automaten wieder eingeschaltet haben. Nun aber dieses Ungeheuer in unserem Schlafgemach. Gibt es einen kausalen Zusammenhang?

Zunächst wird der Viererrat einberufen. Als erstes wollen sich unsere Freunde ein Bild von der Situation machen. Ich schließe die Tür auf, öffne sie vorsichtig einen Spalt, da werde ich ins Zimmer gestoßen und die Tür hinter mir zu gezogen und verriegelt. Verrat. Vom Flur her erhalte ich Anweisungen.

„Mach platt das Vieh. Oder schmeiß es raus.“

Alter Falter. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die drei auf der sicheren Seite haben gut reden. Auf Formentera, so belehrte uns Miss Neckermann, gäbe es keine für Menschen gefährlichen Tiere. Weder zu Lande, noch zu Wasser, geschweige denn in der Luft. Keine Schlangen, keine Mörderhaie, keine fleischfressenden Flugsaurier, vor denen man sich fürchten müsse. Nur Eidechsen. Kleine. Und eben solche Vögel und Fische. Und sie alle täten nichts. Unsere Erfahrungen in den wenigen Tagen sind andere. Überall lauert der Tod. Quallen warten nur darauf, uns beim Baden mit ihrem Nesselgift zu lähmen, zu was Kakerlaken in der Lage sind wollen wir besser gar nicht wissen und welcher Bedrohung aus der Luft wir ausgesetzt sind erfahren wir, als wir uns eines Abends unbekümmert und leicht bekleidet auf die Terrasse des Restaurants setzen, das direkt neben unserem Hostal liegt. Wundern wir uns beim Betreten des Lokals darüber, warum die anderen Gäste bis zum Hals verhüllt vor Tischen sitzen, so eilen wir nach wenigen Minuten zurück auf unsere Zimmer, um ebenso Arme und Beine zu bedecken. Bei untergehender Sonne schwirren Myriaden kleiner Insekten über die Lagune. Vampire. Einige von ihnen haben es auf unser Blut abgesehen und fallen über uns her. Mistviecher, diese Moskitos.

Doch zurück zu der ungleich größeren Bedrohung, der ich ausgeliefert bin. Ob es gleichfalls einen Stachel hat, Feuer speien kann oder ich mich fürchten muss vor seinen Kauwerkzeugen? Ich habe keine Ahnung. Was ich sehe, sieht jedenfalls fies aus. Gesichtszüge wie ein Urzeitwesen, Körper schwarzgrau wie die Nacht, die zusammen gefalteten Flügel nicht viel heller, allerdings unheilvoll gemustert. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Was tun? Ich bin gelernter Elektroniker, angehender Informatiker, aber kein Drachentöter. Bin weder im Besitz eines Flammenwerfers noch eines Maschinengewehrs. Noch nicht einmal einen Staubsauger habe ich zur Hand. Ich überlege. Lässt sich Haarspray als Waffe einsetzen? Brennt es, wenn ich ein Feuerzeug in den Sprühnebel halte? Ich schaue ins Bad. Glück gehabt. Ute hat keinen Frisurfestiger dabei, ich kenne dergleichen ohnehin nur aus der Werbung. Laufe ich zumindest keine Gefahr, unsere Unterkunft abzufackeln. Mein suchender Blick fällt jedoch auf etwas anderes. Deutlich harmloser, aber dem Anschein nach Zweck erfüllend. Ein Wasserglas. Was als Zahnputzbecher gedacht ist muss sich erproben, ob es auch für den Kampf geeignet ist. Im Zeitlupentempo nähere ich mich mit der Waffe in der Hand dem Eindringling. Als ich auf eine Armlänge an ihn heran gedrungen bin, ein blitzschneller Handgriff. Glas über das Tier. Der Überraschungsangriff sitzt. Ehe der Falter weiß, wie ihm geschieht, sitzt er in der Falle. Mich attackieren oder Reißaus nehmen? Ist nicht. Der Rest ist ein Kinderspiel. Ich schiebe eine Postkarte unter das Glas, das Insekt zeigt erstmals, das es noch lebt: es lässt sich auf den Karton bugsieren. Anschließend geht es an die frische Luft. Wofür hat man einen Balkon. Dort werfe ich das Vieh über die Brüstung. Möge es jemand anderen in Angst und Schrecken versetzen. Zu guter Letzt gebe ich Entwarnung, schildere meiner künftigen Braut sowie den Trauzeugen den Schlachtverlauf in allen Einzelheiten und bin stolz auf mich: auch ich bin zu etwas zu gebrauchen.

Einmal Formentera, immer Formentera?

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