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Besuch in der Piccola Casa

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Der erste Anruf von Sr. Ottilie ließ nicht lange auf sich warten. Sie gab mir eine italienische Telefonnummer, unter der ich Sr. Annemarie erreichen konnte. Es stellte sich heraus, dass das gar nicht nötig war, da sie schon minutiös alles mit ihr ausgemacht und geplant hatte. Das hieß auch, dass an Ablehnung gar nicht mehr zu denken war. Einige Wochen später war es so weit. Seit ein paar Tagen waren wir mit unserer Reisegruppe in Rom unterwegs, als der angepeilte Nachmittag anbrach. Während unsere Gruppe sich mit Don Tedesco, der für die deutschen Pilger in Rom zuständig war, das Pantheon ansah, trafen wir uns mit Sr. Annemarie, einer schmalen, dunkelhaarigen Vorarlbergerin, auf dem Petersplatz. Sie begrüßte uns mit einer leicht aufgeregten Sopranstimme. Wir waren relativ knapp dran. Am Portal neben dem Sant’ Ufficio wechselte sie ein paar Worte auf Italienisch mit den Schweizer Gardisten, die uns in den Vatikan einließen. Wir ließen den Campo Santo zu unserer Linken und gingen nach rechts auf das Ufficio Scavi zu. Vor dem Eingang trafen wir Sr. Teresa, die einige einleitende Worte zu einer bunt zusammengewürfelten deutschen Gruppe sagte, der wir uns anschlossen. Sr. Annemarie nahm unterdessen meine beiden jüngsten Schwestern mit sich fort. Sie durften nicht an der Führung teilnehmen, da sie beide jünger als zwölf waren. Sie würde so lange auf sie aufpassen. Wir wandten uns Sr. Teresa zu. Mit ihrem schüchternen Lächeln und ihrem karierten Faltenrock ähnelte sie in nichts den stimmgewaltigen und entschlossenen Touristenführerinnen, die ich vor ein paar Tagen im Petersdom beobachtet hatte.

An die Führung durch die Nekropole erinnere ich mich kaum. Umso mehr erinnere ich mich aber an das, was hinterher geschah. Ohne dass es angekündigt worden wäre, wartete am Ende der Führung ein freundlicher und gutgelaunter Priester auf uns, ein Rheinländer mit rundem Gesicht und breitem Grinsen. Er mochte Mitte 30 sein und stellte sich als P. Christoph vor. Nachdem er ein paar scherzende Worte mit Sr. Teresa gewechselt hatte, bat er uns zu unserer großen Überraschung, mit ihm zu kommen. Er schleuste uns durch die Grotten von St. Peter, öffnete hier eine Absperrung und dort eine, bis wir schließlich wieder auf dem Petersplatz standen. Wir staunten nicht schlecht. Mit dem Auto fuhr er uns eine kleine Strecke in die sogenannte Piccola Casa. Sie war eines der beiden Häuser der Königsfamilie in Rom. Als wir das Haus betraten, kamen uns über die Treppe aus dem ersten Stock schon meine beiden kleinen Schwestern entgegen und zeigten uns stolz die Engelsflügelchen, die Sr. Fleur, eine liebenswerte ältere Belgierin, ihnen gebastelt hatte.

Das äußerst liebevoll eingerichtete, verwinkelte Häuschen hatte ein gewisses italienisches Flair. Dunkles Holz und Marmortreppen verliehen ihm einen edlen Touch. Die schiere Kleinheit seiner Maße ließ es unklösterlich wirken, ganz anders als das Kloster in Österreich. Ich war fasziniert. Sr. Annemarie hieß uns willkommen und führte uns durch ein schmuckes kleines Wohnzimmer in einen herrlichen Garten, eine Oase mitten in Rom. Unter einer Weinlaube stand schon ein Tisch mit gekühltem Holundersirup und Gebäck bereit. Von soviel Gastfreundschaft wurden wir beinahe sprachlos. Meine Eltern waren sichtlich beeindruckt. Meine Geschwister fühlten sich wohl. Die beiden Kleinen wurden von allen Seiten dafür gelobt, dass sie so brav gewesen waren. Als wir die Piccola Casa verließen, regnete es. P. Christoph brachte uns mit dem Auto zur nächsten U-Bahn-Station und erklärte uns, wie wir nach Anagnini kamen, der Station, an der wir unsere Gruppe wiedertreffen wollten, um mit dem Bus zurück in unser Quartier am Lago Albano zu fahren. Etwas nass aber beglückt saßen wir in der Metro.

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