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Die Königsfamilie zu Besuch bei uns

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Es war wohl einerseits die Sorge, dass ich von meiner Entscheidung abgebracht werden könnte und andererseits die Hoffnung, in meinem Umfeld auf fruchtbaren Boden für weitere Berufungen zu stoßen, die uns in den folgenden Monaten zahlreiche Besuche von Vertretern der Königsfamilie einbrachten. Sr. Ottilie besuchte uns besonders häufig, meistens alleine, andere Male gemeinsam mit einer Mitschwester. Bei diesen Gelegenheiten scannte sie meine Familie, meine Pfarrei und mein gesamtes Umfeld möglichst weitläufig ab. Wer eignete sich für die Königsfamilie als Mitglied, als Spender, als Türöffner für weitere Kontakte? Im Blick auf meine Familie gab sie die Hoffnung recht bald auf. Sie eignete sich nicht zur Katakombenfamilie. Denn diese Familien müssen sich an einem ziemlich hohen Anspruch messen lassen. Nicht nur, dass ihre Wohnstätten Muster christlich-katholischen Familienlebens sein müssen, dass sie die komplette Morallehre der Kirche praktisch umsetzen müssen (inklusive Verzicht auf Empfängnisverhütung), sie müssen die Königsfamilie auch nach besten Kräften unterstützen, durch Arbeit oder Geld. Zu vielem davon war meine Familie einfach nicht in der Lage.

Sr. Ottilie stieß bei ihrer Suche nach geeigneten Kontaktpersonen und Multiplikatoren für die Königsfamilie in unserem Umfeld kaum auf fruchtbaren Boden. Einige der von ihr Angesprochenen reagierten abweisend. Dazu gehörte auch unser alter Pfarrer. Er mochte die Königsfamilie nicht, wahrscheinlich war er zu altmodisch für eine solche »neue Form des geweihten Lebens« ohne Habit, bestehend aus Männern und Frauen und ohne spezifisches Apostolat. Der neue Pfarrer war dagegen zu liberal, von daher kam er von vornherein nicht in Frage. Dennoch fand sich eine Zielgruppe für die Königsfamilie in meiner Gemeinde. Es gab ja viele gläubige russlanddeutsche Familien mit einer großen Schar Kinder. Einige von ihnen waren an der Königsfamilie durchaus interessiert. Es dauerte nicht lange, bis in regelmäßigen Abständen Patres der Königsfamilie in unseren Ort kamen und Vorträge für die vielen Kinder und Jugendlichen hielten, die im großen Wohnzimmer einer dieser Familien zusammenströmten. Es mochten im Schnitt so um die zwanzig sein, die über Mund-Propaganda von Familie zu Familie eingeladen wurden und gerne kamen. Das Ganze hatte einen gewissen Untergrundkirchen-Flair. Während die Jugendlichen und einige Eltern um sie herum auf der Couch, einigen Stühlen oder dem Fußboden saßen, sprachen die Patres über die Königsfamilie, über die Berufung zum Priestertum und zum geweihten Leben, über das Gewissen, die Liebe zur Kirche und den priesterlichen Segen. Wer wollte, konnte bei ihnen beichten. P. Christoph kam besonders oft, aber auch P. Rektor kam auf Besuch, hielt einen Vortrag für die russlanddeutschen Jugendlichen und kam auch zu uns nach Hause. Sein Besuch bei uns daheim blieb mir am eindrücklichsten in Erinnerung. Während meine Mutter noch mit Kochen beschäftigt war und sich ein wenig grämte, dass sie nicht rechtzeitig fertiggeworden war, setzte dieser große Mann sich einfach auf die kleine Eckbank in unserer Küche und ließ sich die Kartoffeln zum Schälen geben. So viel Bescheidenheit hatte ich noch bei keinem Priester erlebt. Ich betrachtete sie als Indiz für seine Heiligmäßigkeit. Diese Besuche waren eine große Ehre für uns. Es war ja schon etwas Besonderes, wenn der Pfarrer zu Besuch kam. Hier aber geschah viel mehr. Es waren Patres einer internationalen geistlichen Gemeinschaft, die schon viel in der Welt herumgekommen waren und die ein besonderes Charisma besaßen. Und jeder ihrer Besuche bedeutete für die Schwestern oder Patres mindestens drei bis vier Stunden einfache Fahrtzeit. Dass wir das Ziel dieser ihrer Mühen sein sollten, ehrte uns unbeschreiblich.

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