Читать книгу Die Philosophie von Thomas von Aquin - Dr. Eugen Rolfes - Страница 10
§ 2. Die sinnliche Erkenntnis Vorbedingung der intellektuellen.
Оглавление1. Es scheint, dass man die intellektuelle Erkenntnis nicht von den Sinnen empfängt. Denn Augustin sagt in dem Buch der 83 Fragen qu. 9, dass „man reine Wahrheit nicht von den Sinnen des Körpers erwarten darf", und beweist das zweifach: einmal damit, dass „alles, was der körperliche Sinn erreicht, unaufhörlich sich verändert, und was nicht beharrt, nicht aufgefasst werden kann". Sodann damit, dass „von allem, was wir durch leibliche Organe wahrnehmen, auch wenn es den Sinnen nicht wirklich gegenwärtig ist, gleichwohl die Bilder auf uns einwirken, wie im Schlafe oder im Fieberwahn, und wir mit den Sinnen nicht unterscheiden können, ob wir das Sinnliche selbst oder Trugbilder von ihm wahrnehmen, und nichts aufgefasst werden kann, was nicht von Falschem unterschieden wird". Und so schließt er, dass von den Sinnen keine Wahrheit zu erwarten sei. Nun ist es aber der intellektuellen Erkenntnis eigen, die Wahrheit zu erfassen. Also ist die intellektuelle Erkenntnis nicht von den Sinnen zu erwarten.
2. Außerdem, Augustin sagt 12 super Gen. ad litt, c. 16: „Man darf nicht glauben, dass der Körper eine Einwirkung auf den Geist hat (Thomas hat: facere aliquid in spiritum, Aug.: in spiritu), wie wenn der Geist der Einwirkung des Körpers an Stelle des Stoffes unterstände. Denn wer wirkt, steht in jeder Weise höher als die Sache, aus der er wirkend etwas macht." Daraus schließt er, dass „das Bild des Körpers nicht der Körper in dem Geiste, sondern der Geist in sich selbst hervorbringt". Also wird die intellektuelle Erkenntnis nicht aus den sinnlichen Dingen gewonnen.
3. Außerdem, die Wirkung reicht nicht weiter als die Kraft ihrer Ursache. Die intellektuelle Erkenntnis reicht aber über das Sinnliche hinaus, da wir manches denken, was mit dem Sinne nicht erfasst werden kann. Die intellektuelle Erkenntnis kommt also nicht von den sinnlichen Dingen.
Aber dem ist entgegen, dass der Philosoph i Metaphys. Anf. und im Schlusskapitel der 2. Analytik beweist, dass der Ursprung unserer Erkenntnis in der sinnlichen Wahrnehmung liegt.
Ich antworte, man müsse sagen, dass die Philosophen in betreff dieser Frage eine dreifache Meinung gehabt haben. Demokrit behauptete, dass es „von aller unserer Erkenntnis keine andere Ursache gibt, als dass von diesen Körpern, die wir denken, in unsere Seelen Bilder kommen und eintreten", wie Augustin in seinem Briefe an Dioskorus (Brief 118 [al. 56], cap. 4)' sagt. Und auch Aristoteles sagt in dem Buche vom Schlafen und Wachen (de Divinat. per Somn. cap. 2. 464 a 5 f. — Die Ausführungen de Divinat. gehören zu der Schrift de Somn. et Vigil., vgl. 464 b 16 ff), nach der Behauptung Demokrits komme die Erkenntnis durch Bilder und Ausflüsse zustande. — Und der Grund dieser Behauptung war, dass sowohl Demokrit selbst wie die anderen alten Naturphilosophen den Verstand nicht von dem Sinne verschieden sein ließen, wie Aristoteles im Buche von der Seele 3, 3. 427 a 21 ff sagt. Und daher meinten sie, weil der Sinn durch das Sinnliche verändert wird, dass alle unsere Erkenntnis lediglich durch die in dem Sinn durch das Sinnliche bewirkte Veränderung zustande komme, eine Veränderung, von der Demokrit behauptete, dass sie durch die Ausflüsse von Bildern herbeigeführt werde.
Plato aber behauptete umgekehrt, der Verstand sei von dem Sinne verschieden, und zwar sei der Verstand ein immaterielles Vermögen, das sich bei seiner Tätigkeit keines leiblichen Organs bedient (vgl. oben 7^, 3 : „ob die Tierseelen subsistieren"). Und weil das Unkörperliche nicht durch Körperliches verändert werden kann, so behauptete er, dass die intellektuelle Erkenntnis nicht durch eine Veränderung des Verstandes von Seiten des Sinnlichen, sondern durch die Teilnahme an getrennten intelligibeln Formen geschieht, wie (art. 4 u. 5) erklärt worden. Auch den Sinn fasste er als ein durch sich tätiges Vermögen (vgl. qu. 75, art. 3), und deshalb wird auch der Sinn, da er eine gewisse geistige Kraft ist, nicht durch das Sinnliche verändert, sondern die Sinnesorgane werden durch das Sinnliche verändert, und vermöge dieser Veränderung wird die Seele gleichsam angeregt, die Bilder des Sinnlichen in sich zu entwerfen. Und diese Meinung scheint Augustin 12 super Gen. ad litt. c. 24 zu berühren, wo er sagt, dass „der Leib nicht wahrnimmt oder fühlt, sondern die Seele durch den Leib, den sie wie einen Boten gebraucht, um in sich selbst darzustellen, was ihr von außen gemeldet wird". So entstammt mithin nach der Meinung Platos weder die intellektuelle Erkenntnis aus dem Sinnlichen, noch auch die sinnliche vollständig aus den sinnlichen Dingen, sondern das Sinnliche ruft die sinnliche Seele zur sinnlichen Wahrnehmung auf, und ebenso rufen die Sinne die intellektive Seele zum Denken auf (Augustin vermutet a. a. O., dass das spirituelle Schauen mit der Phantasie, das auf die Bilder des Sinnlichen geht, zwischen dem sinnlichen Schauen des Sinnlichen selbst und dem intellektuellen Schauen des Intelligibeln die Mitte hält, vgl. unten ad 2).
Aristoteles aber ging einen mittleren Weg. Er behauptete mit Plato 3 de Anima 3, dass der Verstand von dem Sinne verschieden ist. Aber dem Sinn gab er keine eigene Tätigkeit ohne Beteiligung des Körpers, so dass das Wahrnehmen nicht ausschließlich Tätigkeit der Seele, sondern des Kompositums ist. Und ebenso behauptete er das von allen Tätigkeiten des sensitiven Teils (vgl. de Somn. et Vigilia c. 1). Weil es mithin nicht ungereimt ist, wenn das Sinnliche, das außerhalb der Seele ist, einen Einfluss auf das Kompositum ausübt und etwas in ihm verursacht, so stimmte Aristoteles darin mit dem Demokrit überein, dass die Tätigkeiten des sensitiven Teils durch eine Impression des Sinnlichen auf den Sinn verursacht werden: nicht in Weise des Ausflusses, wie Demokrit annahm, sondern durch eine gewisse .Tätigkeit (operatio). Denn auch Demokrit ließ jede Tätigkeit durch den Einfluss der Atome zustande kommen, wie I de Generat. 8. 325 a I u. 29 fr. erklärt wird. Dem Verstände aber vindizierte Aristoteles eine Tätigkeit ohne Beteiligung des Leibes (3 de Anima 4). Es kann aber nichts Körperliches unmittelbar auf etwas Unkörperliches einwirken. Und deshalb genügt zur Verursachung der intellektuellen Erkenntnis nach Aristoteles die Einwirkung der sinnlichen Körper allein nicht, sondern es wird dazu etwas Höheres erfordert, weil das Tätige das Leidende an Würde übertrifft, wie er selbst (de Anima 3, 5. 430 a 18 f.) sagt. Jedoch nicht so, dass die intellektuelle Tätigkeit in uns durch die bloße Einwirkung gewisser höheren Dinge verursacht würde, wie Plato annahm, sondern jenes höhere und vornehmere Agens, das er intellectus agens nennt, von dem wir schon oben gesprochen haben (qu. 79, art 3 et 4), macht in Weise einer gewissen Abstraktion die von den Sinnen empfangenen Phantasmen aktuell intelligibel.
Hiernach wird also die intellektuelle Erkenntnis seitens der Phantasmen durch den Sinn verursacht. Weil aber die Phantasmen den intellectus possibilis nicht verändern können, sondern durch den intellectus agens aktuell intelligibel gemacht werden müssen, so kann man nicht sagen, dass die sinnliche Erkenntnis die ganze und vollkommene Ursache der intellektuellen Erkenntnis sei, sondern sie ist mehr gleichsam die Materie der Ursache.
Auf das Erste ist also zu sagen, dass durch jene Worte Augustins zu verstehen gegeben wird, dass die Wahrheit nicht ausschließlich von den Sinnen zu erwarten ist. Denn das Licht des intellectus agens wird erfordert, um durch dasselbe die Wahrheit auf unveränderliche Weise in den veränderlichen Dingen zu erkennen und die Dinge selbst von ihren Abbildern zu unterscheiden.
Auf das Zweite ist zu sagen, dass Augustin dort nicht von der intellektuellen, sondern von der Erkenntnis durch die Einbildungskraft spricht. Und weil nach Platos Ansicht die Einbildungskraft eine Tätigkeit hat, die der Seele allein gehört, so hat Augustin, um zu zeigen, dass nicht die Körper der Einbildungskraft ihr Bild eindrücken, sondern die Seele selbst es tut, sich desselben Grundes bedient, den Aristoteles 3 de Anima (5. 430 a 18 f.) verwendet, nämlich um zu zeigen, dass der intellectus agens etwas Getrenntes (Zeile 17, getrennt, trennbar, den Leib überdauernd) ist, weil nämlich „das Wirkende das Leidende an Würde übertrifft". Und ohne Zweifel muss man, dieser Annahme gemäß, in der Einbildungskraft nicht nur ein passives, sondern auch ein aktives Vermögen annehmen. Aber wenn wir, dem Standpunkte des Aristoteles gemäß (de Anima i, i. 403 a 8 ff. und 3, 3. 428 b 10 ff.), annehmen, dass die Tätigkeit der Einbildungskraft dem Kompositum aus Leib und Seele gemeinsam angehört, so ergibt sich keine Schwierigkeit, weil der sinnenfällige Körper das animalische Organ insofern an Würde übertrifft, als er sich zu diesem verhält wie das Aktuelle zum Potenziellen, wie z. B. das aktuell Farbige zu dem Augapfel, der potenziell farbig ist. — Man könnte jedoch sagen, dass wenn schon die erste Veränderung der Einbildungskraft durch die Bewegung des Sinnfälligen vermittelt wird, weil „die Einbildung eine infolge der sinnlichen Wahrnehmung zustande kommende Bewegung ist", wie es in dem Buche von der Seele 3,3. 429 a 1 f. heißt, es dennoch beim Menschen eine Tätigkeit der Seele gibt, die durch Trennung und Verbindung verschiedene Bilder der Dinge entwirft, auch solche, die sie nicht von den Sinnen empfangen hat. Und hierauf können die Worte Augustins bezogen werden.
Auf das Dritte ist zu sagen, dass die sinnliche Erkenntnis nicht die ganze Ursache der intellektuellen Erkenntnis ist, und daher ist es nicht zu verwundern, dass die intellektuelle Erkenntnis über die sensitive hinausreicht. S. Th. 1, 84, 6; vgl. De Verit. qu. 10, art. 6; qu. 19, art. 15 Qu. de Anima, art. 15: Quodl. 8, qu. 2, art. 1; Compend. Theol. 81 ff.
Es scheint, dass der Verstand durch die Gedankenbilder, die er in sich hat, aktuell denken könne, ohne sich zu den Phantasmen zu wenden. Denn der Verstand wird aktuell durch das Gedankenbild, durch das er informiert wird. Aktuell sein ist aber für den Verstand eben denken. Also genügen die Gedankenbilder, damit der Verstand aktuell denke, ohne dass er sich zu den Phantasmen wendet.
2. Außerdem, die Phantasie hängt mehr von dem Sinne ab, als der Verstand von der Phantasie. Die Phantasie kann sich aber aktuelle Vorstellungen machen, in Abwesenheit des Sensiblen. Also kann umso mehr der Verstand aktuell denken, ohne sich zu den Phantasmen zu wenden.
3. Außerdem, von dem Unkörperlichen gibt es keine Phantasmen, weil die Phantasie nicht über die Zeit und das stetig Ausgedehnte hinausreicht. Wenn also unser Verstand nichts aktuell denken könnte, ohne sich zu den Phantasmen zu wenden, so folgte, dass er nichts Unkörperliches denken könnte, was offenbar falsch ist; denn wir denken die Wahrheit selbst, und Gott und die Engel.
Aber dagegen spricht, dass der Philosoph 3 de Anima 7. 431a 16 f. sagt, dass „die Seele nichts ohne Phantasma denkt".
Ich antworte, man müsse sagen, dass unser Verstand gemäß dem Stande des gegenwärtigen Lebens, durch den er mit einem leidensfähigen Körper verbunden ist, unmöglich etwas aktuell denken kann, ohne sich zu den Phantasmen zu wenden. Und dieses erhellt aus zwei Anzeichen. Einmal, weil der Verstand als überorganische Kraft auf keine Weise durch die Verletzung eines körperlichen Organs an seiner Tätigkeit verhindert würde, wenn nicht zu seiner Tätigkeit die Tätigkeit eines Vermögens, das sich eines körperlichen Organs bedient, erforderlich wäre. Es bedienen sich aber eines körperlichen Organs die Sinne, die Phantasie und die anderen zum sensitiven Teile gehörenden Kräfte. Daher wird offenbar, damit der Verstand aktuell denkt, nicht nur bei Neuerwerbung des Wissens, sondern auch beim Gebrauche schon erworbenen Wissens die Tätigkeit der Phantasie und der übrigen Vermögen erheischt. Denn wir sehen, dass bei Hemmung der Tätigkeit der Einbildungskraft durch Verletzung des Organs, wie bei den Wahnsinnigen, und ebenso bei Hemmung der Tätigkeit der Gedächtniskraft, wie bei den Lethargikern, der Mensch gehindert ist, aktuell zu denken, auch solches, wovon er sich die Wissenschaft schon früher erworben hat. — Sodann zweitens, weil jeder an sich selbst erfahren kann, dass man, wenn man etwas zu verstehen sucht, sich gewisse Phantasmen bildet nach Art von Mustern, in denen man gleichsam anschaut, was man verstehen möchte. Und daher kommt es auch, dass wir, wenn wir einem anderen etwas verständlich machen wollen, ihm Beispiele vortragen, aus denen er sich, um zu verstehen, Phantasmen bilden kann.
Davon ist aber der Grund, dass das erkennende Vermögen zu dem Erkennbaren im Verhältnis steht. Daher ist das eigentümliche Objekt des englischen Verstandes, der ganz vom Körper getrennt ist, die vom Körper getrennte intelligible Substanz, und durch solches Intelligible erkennt er das Materielle. Für den menschlichen Verstand aber, der mit dem Körper verbunden ist, ist der eigentümliche Gegenstand die in der körperlichen Materie vorhandene Quiddität der Natur, und durch diese Naturen der sichtbaren Dinge erhebt er sich auch einigermaßen zur Erkenntnis der unsichtbaren Dinge. Zum Wesen dieser Natur gehört aber, dass sie in einem Individuum existiert, das nicht ohne körperliche Materie ist, wie es zum Wesen der Natur des Steines gehört, dass sie in diesem Stein ist, und zum Wesen der Natur des Pferdes, dass sie in diesem Pferd ist usw. Daher kann die Natur des Steines oder eines beliebigen materiellen Dinges vollständig und wahr nur erkannt werden, sofern sie als in dem Besonderen existierend erkannt wird. Das Besondere erfassen wir aber durch den Sinn und die Phantasie. Und deshalb muss der Verstand, um sein eigentümliches Objekt aktuell zu denken, sich zu den Phantasmen wenden, um die in dem Besonderen existierende allgemeine Natur zu betrachten. Wenn aber das eigentümliche Objekt unseres Verstandes die getrennte Form wäre, oder wenn die Formen der sinnfälligen Dinge nicht in den Einzelwesen subsistierten, wie die Platoniker wollten, so brauchte sich unser Verstand nicht immer beim Denken zu den Phantasmen zu wenden.
Auf das Erste ist also zu sagen, dass die in dem intellectus possibilis bewahrten Bilder habituell in ihm existieren, wenn er nicht aktuell denkt, wie oben qu. 79, art. 6 erklärt wurde. Daher genügt, damit er aktuell denkt, die Bewahrung der Bilder noch nicht, sondern wir müssen sie gebrauchen, wie es den Dingen angemessen ist, deren Bilder sie sind, welches in Einzelwesen existierende Naturen sind.
Auf das Zweite ist zu sagen, dass auch schon das Phantasma das Bild eines besonderen Dinges ist, und daher bedarf die Phantasie keines anderen Bildes eines Einzelnen, wie der Verstand eines solchen bedarf.
Auf das Dritte ist zu sagen, dass das Unkörperliche, von dem es keine Phantasmen gibt, von uns durch Vergleichung mit den sinnlichen Körpern erkannt wird, auf die sich die Phantasmen beziehen, wie wir die Wahrheit denken auf Grund der Betrachtung der Sache, bezüglich deren wir die Wahrheit erforschen. Gott aber erkennen wir, wie Dionysius sagt, De Div. Nom. c. I, als Ursache und per excessum (durch Überschreitung der geschöpflichen Weise), und per remotionem (durch Ausschluss der geschöpflichen Unvollkommenheit). Auch die anderen unkörperlichen Substanzen können wir im Stande des gegenwärtigen Lebens nicht anders erkennen als per remotionem, oder durch irgendeine Vergleichung mit den körperlichen Dingen. Und deshalb müssen wir, wenn wir etwas über sie denken, uns zu den Phantasiebildern der Körper wenden, obgleich es von ihnen selbst keine Phantasiebilder gibt. Summ. Theol. i, 84, 7. Vgl. ebenda p. 1, qu. 89, art. 1; 2 Sent. d. 20, qu. 2, art. 2 ad 3; 3 d. 31, qu. 2, art. 4; 2 Cont. Gent. 73 und 81; De Verit qu. 10, art. 2 ad 7; art. 8 ad 1; qu. 19, art. 15 1 Cor. 13, lect. 3; De Mem. et Remin. lect. 3.