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Sekundenschlaf eines Altenpflegers

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Ein Altenpfleger hatte Nachtdienst im Altenheim. Es war gerade ruhig auf der Station. Er kannte alle Bewohner und kam mit allen gut aus. Alles Wichtige war schon erledigt. Er schaute auf die Uhr. Es war gerade 0.00 Uhr. Er setzte sich ins Stationszimmer, las eine Zeitung... und war eingeschlafen.

Er träumte, dass er Dienst hatte. Es musste Tagdienst sein, denn es war hell. Es war gerade ruhig auf der Station. Er kannte alle Bewohner und kam mit allen gut aus. Alles Wichtige war erledigt. Er schaute auf die Uhr. Es war gerade 12.21 Uhr. Er setzte sich ins Stationszimmer, las eine Zeitung... und war eingeschlafen.

Er träumte, und im Traum ging er von Zimmer zu Zimmer, um nach dem Rechten zu schauen.

Er ging durch die Tür des ersten Zimmers. Da wohnte auf einmal jemand anderes. Was war denn da geschehen? Hatten die Kollegen in der letzten Schicht jemanden verlegt, und hatten sie vergessen, es ihm zu sagen? Na gut. So was kommt vor.

Der Mann in diesem Zimmer kam ihm bekannt vor. Er wusste nur zuerst nicht, woher. Er begrüßte ihn, stellte sich mit seinem Namen vor, und fragte, ob er etwas für ihn tun kann. Er schaute sich nebenbei in dem Zimmer um. Da hingen Bilder an der Wand, Familienbilder, und es war, als würden diese Bilder immer mehr, auch sie kamen ihm bekannt vor. Fast schien es, als wäre er selbst auf einem Bild. Auch andere, die er kannte, seine Großeltern, und Geschwister. Auf einmal merkte er, der Mann in diesem Zimmer sah fast wie sein Vater aus. Die beiden schauten sich nun an, wie zum ersten mal nach langer Zeit.

Dann ging der Altenpfleger weiter, nach einem Abschiedswort, er würde ja nochmal vorbeikommen, und der Mann dürfe ja auf die Klingel drücken, wenn er etwas bräuchte.

Er ging durch die Tür des zweiten Zimmers. Da wohnte ja auch jemand anderes, eine Frau. Was war da geschehen? Hatten die Kollegen in der letzten Schicht jemanden verlegt, und vergessen, es ihm zu sagen? Na gut. So etwas kommt vor.

Auch die Frau hier kam ihm bekannt vor. Woher wohl? Er begrüßte sie, stellte sich vor, fragte, was er für sie tun kann, schaute sich im Zimmer um, und auf die Bilder an der Wand, Familienbilder, und es wurden auch diese Bilder immer mehr, und kamen ihm bekannt vor. Fast war ihm, als wäre er auf einem dieser Bilder, und auch andere, die er kannte, und auch Unbekannte. Auf einmal merkte er: Die Frau sah fast wie seine Mutter aus. Beide schauten sich nun an, wie zum ersten mal nach langer Zeit.

Dann ging der Altenpfleger weiter, nach einem Abschiedswort, er würde ja nochmal vorbeischauen, und sie dürfe auf die Klingel drücken wenn sie etwas bräuchte.

Er ging dann noch durch ein paar Zimmer. Immer wieder waren Menschen darin, die er kannte: alte, auch junge, sogar ein paar kleine Kinder. In einem Zimmer war ein Brutkasten, darin war ein Kind, das war so klein, es konnte noch nicht einmal geboren sein.

Er ging hin und her und dachte lange nach, schaute nach und nach in fast alle Zimmer, schaute wen er pflegen konnte, wem er sonstwie helfen konnte. Viele brauchten seine Pflege gar nicht, sie hatten einfach nur auf ihn gewartet, wollten von ihm gesehen werden, und es wurde dann bei ihnen etwas wieder gut.

Das dauerte so lange, als wäre er Jahre unterwegs in diesem Heim, das nun nicht mehr nur Altenheim war, es war ein Heim für viele, und er fühlte, das war ein Teil von ihm, und er ein Teil davon, so wie daheim.

Am Ende eines langen Ganges war dann noch ein Zimmer übrig. Es wurde ihm von irgendwo gesagt, darin liegt ein schwieriger Bewohner. Erst wagte er sich nicht dorthin, und dachte, wer wird das wohl sein? Er dachte an so manche Menschen, die für ihn mal schwierig waren, nicht nur in der Arbeit, auch woanders.

Als er dann vorsichtig bei diesem schwierigen Bewohner auf die Klinke drückte und hereinkam, standen in dem Zimmer nicht nur ein Bett, sondern zwei. In jedem lag ein Mensch. Einer war dem anderen ähnlich, und der andere war ihm selber ähnlich.

Zwischen beiden Betten war eine weiße Trennwand aufgestellt, ein Gestell aus Stangen, mit einem Tuch bespannt, so wie man es manchmal findet in den Mehrbettzimmern in den Altenheimen oder Krankenhäusern.

Das Fenster war geöffnet, und nun als er die Tür geöffnet hatte, fiel ein neues Licht herein von beiden Seiten auf die Trennwand, die langsam heller wurde und dann durchsichtig. Auf einmal war da nur noch ein Bett, nur einer lag darin, das war er selbst. Da sagte er sich: „Ich bin da.“

Auf einmal war er wieder wach. War er eingeschlafen? Er war doch im Dienst. Er schaute auf die Uhr. Es war 12.22 Uhr. Er sah sich beim Erwachen zu, wie er die Zeitung las, im Tagdienst, und in der Zeitung stand ganz groß: Du bist noch nicht ganz wach.

Auf einmal schüttelte es ihn. Auf einmal war er wirklich wach. Er erschrak erst: War er eingeschlafen? Er schaute auf die Uhr. Es war 0.01.

Nur eine Minute hat dieser lange Traum gedauert. Und so vieles war in ihm geschehen. Und es hat erst angefangen. Nun war er wieder da. Und das mehr als je zuvor.

Das verborgene Glück

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