Читать книгу Das verborgene Glück - Dr. med. Günther Montag - Страница 27

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Scheinglückliche Vaterstöchter

So wie es „Muttersöhne“ gibt, so gibt es auch „Vaterstöchter“. In gewissem Sinne ist das symmetrisch. Beides ist eine partner-ähnliche emotionale Beziehung zwischen einem Kind und dem gegen­geschlechtlichen Elternteil.

Und auch die Auflösung ist ähnlich, wie die folgenden Beispiele zeigen. Das Kind muss Kind sein dürfen und muss die Eltern Eltern sein lassen. Es muss zurück zur Mutter finden, nicht mehr als Rivalin, sondern als Kind.

Das klingt auf dem Papier einfach. Es ist aber eine lange und schwere seelische Arbeit nötig, bis es gelingt.

Die Frau mit dem schmachtenden Blick

Manuela hat viele unglückliche Männerbeziehungen hinter sich. Ihr schmachtender Blick hat immer wieder Männer angezogen und enttäuscht. Er galt etwas Anderem.

Sie kommt zu einem Selbsthilfe-Seminar, weil wieder einmal eine Beziehung am Zerbrechen ist.

Manuelas Vater hatte sich bei ihr ausgeweint, schon als sie noch sehr jung war. Ihre Mutter hatte sie als abwesend erlebt.

Bei einer Familienaufstellung stellt Manuela ihre Stell­vertreterin neben den Vertreter ihres Vaters. Die Vertreterin der Mutter stellt sie abseits. Die Stellvertreter fühlten sich eine Zeitlang ein und bewegten sich dann langsam nach ihrem Gefühl. Manuelas Vertreterin schaut immer zur Mutter, ging langsam zu ihr hin. Die Vertreterin der Mutter schaut auf den Boden. Weil das oft ein Zeichen für eine unvollendete Trauer ist, fragte die Leiterin der Aufstellung nach, wer in der Familie früh gestorben ist. Die Mutter von Manuelas Mutter starb, als diese vier Jahre alt war. Wirkte Manuelas Mutter darum immer „abwesend“?

Manuela erkannte den Zusamenhang und verstand nun ihre Mutter besser. Nun begann sie, ihre Mutter zu achten. Sie konnte zu der Vertreterin ihrer Mutter ganz nah hingehen und ihr in die Augen schauen.

Am Ende der Aufstellung schlug die Leiterin Manuela vor, zu ihrem Vater zu sagen: „Du bist mein Vater. Ich bin nur Dein Kind.“ (Gemeint ist: „nicht die bessere Frau für Dich, wie ich als Kind, in blinder Liebe, Dir sein wollte!“) und zu ihrer Mutter: „Jetzt sehe ich Dich. Ich achte was Du trägst. Jetzt gebe ich Dir einen Platz in meinem Herz. Du bist meine Mutter. Ich bin nur Dein Kind.“ (Gemeint ist „und nicht Deine Rivalin!“)

Für Manuela klingen diese Sätze erst ungewohnt, aber als sie sie langsam spricht, wirken sie bewegend, befreiend. Sie behält sie. Später sagte sie die Sätze innerlich immer wieder den Eltern.

Manuela kann nun das Leben, die Liebe und die weibliche Kraft von der Mutter immer mehr annehmen.

Liebe fließt, wie Wasser, nur von oben nach unten, von der Mutter zum Kind. So wird aus dem Mädchen eine Frau werden. Das Mädchen hat geflirtet, mit Männern gespielt, und sich wieder aus der Verantwortung gezogen. Der Frau gelingt es, eine tiefe Beziehung zu einem Mann einzugehen, mit Geben und Nehmen, und den Kindern eine liebevolle Mutter zu sein.

Der Glücksverkäufer

Diese Geschichte schildert, beispielhaft und übertrieben, Wesenszüge mancher „Vaterstöchter“, und einen möglichen Hintergrund. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind absolut zufällig und nicht beabsichtigt...

Meine Nichte ist Glücksverkäufer-Lehrling beim Glücks­verkäufer. Einmal, nach Feierabend, hat sie mir erzählt: Eine Frau kam schnellen Schrittes zum Glücksverkäufer in den Laden, ihre Haare flatterten, ihre Schuhe klapperten, ihre Stimme plapperte sehr schnell, dazu sprachen auch die Hände, musikalisch ausgedrückt im Tremolo, Presto oder mindestens Allegro.

Sie bräuchte, so will ich gekürzt zusammenfassen, ganz viel Glück, und zwar für die Wahl der nächsten Arbeitsstelle, da sie von der vorigen die Nase voll habe, und für die geplante Wahl des nächsten richtigen Mannes, da sie zugleich mit vier Männern angebandelt hatte und nicht mehr sicher wüsste, wer der rechte sei. Einer müsse doch der Seelenpartner für sie sein, der auserwählt ist von den Engeln oder so, der Herzensmann.

(Ihr Noch-Mann, so war durch Bohren zu erfragen, sorgte für die Kinder, so gut er eben konnte, machte viel im Haushalt und im Garten. Der, so meinte sie, sei aber keinesfalls der Richtige.)

Und außerdem hatte die Frau noch einige andere kleine Wünsche, für die sie Glück und Rat so dringend bräuchte. Etwa, welche Astrologin von den Dreien, die sie konsultierte, besser ihre Sterne lesen könnte. Außer Atem kam sie, wie sie da so redete.

Fast wäre da der Glücksverkäufer vom Zuhören auch atemlos geworden. Gut, dass er schon etwas älter war und sich an Ähnliches erinnerte. Er beherzigte, was ihm, als er noch Lehrling war, sein Meister eingeschärft hat:

„Wenn einer vieles will, dann will er nichts.“ So hatte damals ihm sein Lehrer ernst ans Herz gelegt. „Denn wer viel will, ist maßlos, und weiß im Innersten, dass er das Viele gar nicht tragen kann, geschweige denn genießen, so schnell wie er es haben will. Selbst wenn er es bekommen könnte, wird er es verlieren.“

Noch etwas sagte ihm sein Meister: „Wer viel redet, will nichts. Er ist auf der Flucht. In Wirklichkeit will er etwas ganz Anderes. Gerade das, was er am meisten fürchtet, will er. Du erkennst das, wenn Du genauer schaust. Sei vorsichtig, wenn Du es sagst. Dein Kunde will es oft nicht hören, und er wird auf Dich böse.“

Als nun die Frau so redete und redete, und als der Glücks­verkäufer an ein Regal gelehnt in seinem Laden atmete und atmete, bewahrte er die Ruhe, nahm nachdenklich das eine Stück vom Glück aus dem Regal und dann das andere, wog sie in der Hand, wendete sie, stellte sie zurück und rückte sie zurecht.

Dann sagte er der Frau: „Was willst Du denn wirklich?“ (Er sagte immer Du zu seinen Kunden, das war er so gewohnt, die Kunden auch, sie fühlten sich bei ihm zuhause und verstanden, meistens.) „Was willst Du wirklich, weil Du doch das Viele, das Dir schon gegeben wurde, so verächtlich auf die Seite legst?“ (denn er kannte die Familie). „Ich vermute: Wenn ich Dir geben könnte und auch würde, was Du heute möchtest, würdest Du es bald zur Seite legen und wieder Anderes wollen. Ich ahne, was Du willst, doch wage ich es Dir fast nicht zu sagen. Willst Du etwa ganz weit weg von hier?“

Da wurde diese Frau ganz still. Sie fragte sich, was er gefragt, sie ging in sich: „Wo will ich wirklich hin?“ Dann kam ihr die Erinnerung, dass schon vor langer Zeit ein lieber Mensch von ihr gegangen war, indem er starb. Und wie im Traum sah sie sich selbst, wie sie ihm nach auf einer Hängebrücke übergehen wollte in die andere Welt, mit Tränen in den Augen. Immer schon, seit damals, hat sie im Innersten gewünscht, ganz zu verschwinden von der Erde. So erkannte sie sich selbst.

Dann dankte sie dem Glücksverkäufer, denn sie merkte, welches Glück sie hatte. Denn das große Glück auf dieser Welt, das ist das Leben: Dass wir leben dürfen, und es weitergeben. Das andere ist alles Kleinzeug, nicht so wichtig. Wenn wir zum Leben zustimmen, es nehmen wie es ist, und was uns aufgetragen ist, mit Liebe tun, dann wird alles, was wir sonst noch brauchen, schon zu seiner Zeit von einer guten Kraft zu uns geführt.

Wer weise ist, der geht nicht oft zum Glücksverkäufer, denn er hat selber Glück, und er gibt es gerne auch an andere Leute weiter, denn so wird es mehr.

Als meine Nichte dieses alles hörte, bedachte und es mir erzählte, da wurden sie und ich erst nachdenklich, und dann auch noch ein bisschen glücklicher.

Lösungswege für den Vater

Als Vater einer „Vaterstochter“ müsste Dir mit Erschrecken klar werden, dass Du Deine Tochter (miss-)brauchst. Das ist nicht gleich körperlich gemeint. Wen vertritt sie für Dich? Wahrheit, die ans Licht kommt, tut weh. Du musst handeln: Entlasse die Tochter aus der verkehrten Rolle.

Eine heilsame Gedankenübung für Dich als Vater ist: Gib der Mutter dieses Kindes in deinem Herz einen Platz. Auch dann, wenn Du von ihr getrennt und enttäuscht bist. Für das Kind bleibt sie immer die Mutter. Wenn dann das Kind zu Dir kommt und sozusagen seinen Kopf an Deine Brust legt (in echt, bei kleinen Kindern, oder in Gedanken, wenn es schon groß ist), ist seine Mutter auch da drin, und es geht dem Kind gut.

Lösungswege für die Tochter

Was ist heilsam für Dich, wenn Du eine „Vaterstochter“ bist? Es bleibt für Dich immer wichtig, Deinen Vater zu achten, unabhängig von seinen Fehlern, aber gleichzeitig, entgegen seinem Verbot, solltest Du lernen, Deine Mutter genauso zu achten – unabhängig von ihren Fehlern!

Diese lösenden Worte können Dich unterstützen, wenn sie ernstgemeint innerlich gesprochen werden:

„Lieber Papa, ich bin nur Dein Kind. Bitte erlaube mir, dass ich meine Mutter genau so liebe wie Dich. Bitte gib mir Deinen Segen, wenn ich mich von Dir löse, mein eigenes Glück finde, und meine eigene Familie gründe.“

Eine Frau hat einen guten Stand, wenn sie im „gesunden“ Sinn bei ihrer Mutter steht, als Tochter, und bei den Frauen steht. Die weibliche Kraft macht sie stabil in Beziehungen zu Männern.

Das verborgene Glück

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