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3.5.3 Altersbedingte Veränderungen fördern Kanzerogenese

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Verschiebung des Östrogen-Androgen-Gleichgewichts

Prostatakrebs ist ein typischer Alterskrebs: Seine höchste Inzidenz liegt jenseits des 65. Lebensjahres. Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass das androgenabhängige Prostatakarzinom seine höchste Inzidenz zu dem Zeitpunkt im Leben des Mannes hat, an dem der Androgeneinfluss am niedrigsten und der Östrogeneinfluss am höchsten ist. Dies weist auf die besondere Bedeutung der Östrogene in der Kanzerogenese des Prostatakarzinoms hin.

Mit zunehmendem Alter verschiebt sich bei Männern das Androgen/​Östrogen-Verhältnis auf die Seite der Östrogene. Diese Verschiebung des Hormongleichgewichts geschieht durch eine Abnahme der Testosteron- und Dehydroepiandrosteron- (DHEA-)Produktion. Gleichzeitig werden aus Testosteron immer mehr Östrogene und immer weniger Dihydrotestosteron (DHT) gebildet. Mit dem Alter nehmen so die Östrogenkonzentrationen, die den ER-alpha aktivieren zu, während die Spiegel der typischen ER-beta-Agonisten (3beta-Adiol, DHEA) abnehmen (s. Abb. 6).


Abb. 6: Bildungswege und ER-Bindungspräferenzen verschiedener Androgen- und Östrogenmetaboliten

Auch bei der Entwicklung der gutartigen Prostatahyperplasie steht der relative Androgenmangel mit der altersbedingten Verschiebung des Androgen-Östrogen-Gleichgewichts im Vordergrund (Bonkhoff und Remberger, 1998): Der relative Androgenmangel führt zur Überexpression des AR im Proliferationskompartiment (hypersensitive Basalzellen) und zur Beschleunigung des Differenzierungswandels von Basalzellen zum sekretorischen Zelltyp mit einer Hyperplasie des sekretorischen Epithels. Darüber hinaus verursacht der relative Androgenmangel eine verminderte Expression des Androgen-regulierten ER-beta im sekretorischen Epithel, wodurch der protektive, antiproliferative Einfluss des ER-beta abgeschwächt und die Kanzerogenese begünstigt wird.

Die Prostata als Speicher von Kanzerogenen

Im Laufe des Lebens können sich in der Prostata beträchtliche Mengen an Kanzerogenen ansammeln. Hierzu zählen klassische Kanzerogene, die beim Braten, Schmoren oder Grillen von Fleisch auftreten (z. B. heterozyklische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), sowie exogene, östrogen wirksame Substanzen (z. B. PCB, Phthalate [verbreitete Weichmacher aus Kunststoff], Bisphenol A). Diese wirken einerseits direkt kanzerogen und fördern andererseits durch ihre östrogene Wirkung die Proliferation. Auch Metalle wie Kupfer, Nickel und Eisen wirken proinflammatorisch, prooxidativ und dadurch prokanzerogen. Viele Metalle wirken auch als Metalloöstrogene. Bei Metalloöstrogenen handelt es sich um anorganische Xenoöstrogene, die an Östrogenrezeptoren binden und die Genexpression in humanen, östrogensensitiven Zellen beeinflussen. Beispiele für Metalloöstrogene sind Aluminium, Arsen, Cadmium, Kupfer, Blei, Quecksilber und Nickel (Darbre, 2006).

Veränderungen der Biotransformation

Auch die Aktivität der Metabolisierungssysteme ist bei der Entstehung des Prostatakarzinoms von Bedeutung, denn Östrogene werden über Phase-1-Enzyme zu Kanzerogenen transformiert. Eine genetisch oder ernährungsbedingte Schwäche der Phase-2-Entgiftung bei gleichzeitiger Dominanz der Phase-1-Giftung ist ein entscheidender Schritt in Richtung Tumorentstehung, der sich mit steigendem Alter immer mehr auswirkt, denn aus den im Alter zunehmend vorhandenen Östrogenen werden durch Phase-1-Enzyme krebserregende Chinone gebildet (s. Kapitel 3.5.2, ab Seite 36).

Zunehmende Fettspeicher und Aromatase-Aktivität

Der Hauptanteil männlicher Östrogene (Estradiol) wird aus Testosteron durch das Enzym Aromatase gebildet (s. Abb. 6). Die Aromatase ist im Fettgewebe, aber auch direkt in der Prostata aktiv. Die Vermutung liegt nahe, dass der kanzerogene Effekt der Androgene in der Prostata zumindest teilweise über die Konversion von Testosteron zu Estradiol und über dessen Rezeptor ER-alpha erfolgt. Übergewicht, also eine Steigerung des Körperfettanteils und damit der Östrogenproduktion, ist zudem ein bekannter Risikofaktor für die Entwicklung verschiedenster Krebsarten. Sowohl für die Entwicklung der gutartigen Prostatahyperplasie als auch des Prostatakarzinoms spielt die Aromatase-Aktivität eine entscheidende Rolle (Hiramatsu et al., 1997; Matzkin und Soloway, 1992).

Prostatakrebs-Kompass

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