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Eine gesunde Darmflora: Auf die Vielfalt kommt es an

Die Bedeutung der Darmbakterien für unsere Gesundheit wird immer besser erforscht. Wir profitieren von einem guten Miteinander der „Darmbewohner“ und können über die Ernährung selbst aktiv werden, um Krankheiten vorzubeugen.

Der Darm spielt auch beim Jungbleiben eine wesentliche Rolle, zumindest bei den Killifischen. Das konnte man in einem bahnbrechenden Versuch nachweisen. Die bunten Meeresbewohner leben maximal 16 Wochen und eignen sich daher gut als Studienobjekte zum Thema Altern. Die Männchen werden mit dem Alter immer blasser und inaktiver. Nachdem Forscher einem alternden Männchen die Darmflora eines Jünglings eingepflanzt hatten, wurde der Fisch wieder aktiv und farbenfroher. Ganz so einfach lässt sich das zwar nicht auf den Menschen übertragen, aber es zeigt die Bedeutung der Darmbakterien für die Gesundheit. Auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen konnte in Einzelfällen durch Stuhltransplantation eine Linderung der Entzündung beobachtet werden. In einer kleinen Studie mit zehn Teilnehmern minderten Bifido- und Laktobakterien sowie Escherichia coli die Entzündungsaktivität bei neun Patienten drastisch.


Laktobakterien unter dem Mikroskop – sie sind Teil des Mikrobioms, der Gesamtheit der Darmflora.

Ein enormes Therapie-Repertoire

Es hat sich ein gigantisches Forschungsfeld geöffnet. Seit die Medizin langsam versteht, welch enormes noch ungenutztes Therapie-Repertoire in der Darmflora steckt, boomt die Forschung dazu. Zunehmend wird klar, dass die im Darm existierenden Bakterien – ihre Summe nennt man Mikrobiom – mit dem Menschen in einer Art Symbiose zusammenleben. Allerdings gibt es auch im Bauchraum gesunde und weniger gesunde Vertreter – wie in der Natur und in anderen Ökosystemen. Im Darm herrscht ein ökologisch einzigartiges Miteinander, das wir noch nicht bis ins Kleinste verstanden haben. Aber alles deutet darauf hin, dass unsere Gesundheit enorm von einem guten Miteinander im Darm profitiert – nicht erst seit den Killifisch-Versuchen.

So helfen die Darmbakterien bei der Produktion der Vitamine B1, B2, B5 und Biotin sowie bei der Verdauung von Kohlenhydraten und Eiweiß. Manche Bakterienstämme sind sogar in der Lage, für uns unverdauliche Ballaststoffe zu fermentieren. Sie holen für sich und für uns noch bis zu 200 Kalorien mehr Energie pro Tag aus der Nahrung. Das ist gut gemeint und eigentlich ein Überlebensvorteil, aber in Zeiten des Überflusses kann es Übergewicht fördern. Nach neuesten Studien wird der zunehmende Antibiotikagebrauch mit steigendem Übergewicht in Zusammenhang gebracht. Möglicherweise verschiebt sich das Bakteriengleichgewicht zugunsten der Dickmacher: „Gute“ Bakterien werden zurückgedrängt, „böse“ vermehren sich.

Schlechtes Essen bedroht die Vielfalt

Dabei kommt es offenbar wie in jedem Ökosystem auf die Artenvielfalt der Bakterien an. Schlechte Ernährung, viel Alkohol und sogar zu viel Salz bedrohen diese wichtige Vielfalt. Dass Salz bei Menschen den Blutdruck erhöhen kann, ist schon lange bekannt. Erst jetzt aber haben deutsche Forscher vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin herausgefunden, dass viel Salz die Menge der Milchsäurebakterien schrumpfen und den Blutdruck steigen lässt. Werden die Milchsäurebakterien wieder zugeführt, sinkt der Blutdruck. Allerdings reicht es nicht, einfach Joghurt zu essen. Wie sich die Erkenntnisse therapeutisch umsetzen lassen, muss noch erforscht werden.

Die Liste der gesundheitlichen Effekte ist schon jetzt lang. Über die Darmflora lässt sich vieles beeinflussen – zum Beispiel das Risiko für Krebs, Bluthochdruck, Nervenerkrankungen, Diabetes, Übergewicht und psychische Erkrankungen. Eine gesunde Darmflora optimiert unser Immunsystem, verbessert unsere Ausdauer- und Leistungsfähigkeit, regt Verdauung und Darmbewegungen an und versorgt die Darmschleimhaut und unsere Nervenreparaturzellen (Neurogliazellen) über die kurzkettigen Fettsäuren Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure.

Säuren mögen Ballaststoffe

Dabei sind diese Säuren eigentlich nur Stoffwechselprodukte der guten Darmbakterien, zu denen auch die Bifido- und Laktobakterien gehören. Sie essen gern Ballaststoffe und bauen diese ausgerechnet zu Substanzen ab, die unsere Darmschleimhaut zur Ernährung braucht. Der eine gibt dem anderen, was er benötigt. Nervenforscher haben die Hoffnung, dass die Neurogliazellen beschädigte Nerven reparieren und sich von diesen Säuren auch ernähren können. Erste Studien sprechen dafür, dass damit eine Chance zur Besserung der Multiplen Sklerose entsteht.

Die Hinweise und Beweise für die enorme Bedeutung der gesunden Mischung der Darmflora werden immer dichter. Und das Beste daran: Sie können sofort davon profitieren. Während bei Medikamentenstudien immer so lange geforscht werden muss, bis die Wirkung und die Unbedenklichkeit einer Therapie restlos geklärt sind, können Sie mit diesen Erkenntnissen gleich ohne Risiko loslegen. Die gesunde Ernährung, die wir Ernährungs-Docs empfehlen, ist beispielsweise reich an sogenannten Präbiotika und die sind Futter für die guten Darmbakterien.

Uraltes Wissen ist jetzt belegbar

Die Besiedelung unseres Darms beginnt übrigens sofort nach der Geburt durch die vaginale Flora und geht dann über die Hautbakterien der Mutter beim Stillen weiter. Hemmnisse für eine normale Besiedelung des Darms sind Kaiserschnitt und Flaschennahrung. Wachsen Kinder in einem Haushalt auf, in dem zu viel geputzt wird, und bekommen sie später zu oft Antibiotika, die auch gute Bakterien töten, wirkt sich das negativ auf die Darmflora aus. Auch Fast Food, viel Fleisch, Salz und Alkohol kommen bei unseren „Mitbewohnern“ nicht gut an.

So neu die wissenschaftlichen Belege auch sind, das Wissen um die Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und Gesundheit ist uralt. Es wurde in der chinesischen Medizin schon im vierten Jahrhundert angewendet. Auch von Hunden ist bekannt, dass sie zur Auffrischung ihrer Darmflora fremden Kot fressen. Spektakulär sind die Stuhltransplantationen bei deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Afrika. Die schweren Durchfälle der Soldaten konnten durch Kamelmist deutlich gebessert werden – ein Tipp, den die Militärs von den Nomaden bekommen hatten.

Die Ernährungs-Docs

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