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Hin und wieder stach ein Sonnenstrahl durch das dichte Blätterdach des Urwaldes. Pablo ging vor den anderen her und schlug unermüdlich eine zugewachsene Gasse erneut frei. Archibald blickte immer wieder hinter sich. Janet und ein halbes Dutzend Rebellen folgten ihm. Eine Möglichkeit, sich seitwärts in die Büsche zu schlagen, gab es praktisch nie, weil er überall in den Fangarmen der Lianen und Büsche hängenbleiben musste, und vielleicht würde es manchem der Männer Spaß machen, ihn wie Sheppard zu durchsieben.

Pablo blieb stehen und schlug dichtes Gestrüpp auseinander. Ein altes Auto wurde zwischen den Büschen sichtbar.

Archibald ging weiter, bis er neben Lolita stand. Sie hatte sich die Maschinenpistole über die Schulter gehängt, aber sie hielt sie aus Gewohnheit so, dass sie jeden Moment schießen konnte.

Pablo schlug das ganze Gestrüpp auseinander, bis der Wagen offen vor ihnen stand. Es war ein Mercedes, etwa zwanzig Jahre alt, der auf dem Heck die Bezeichnung „170 V“ trug. Er stand auf einem Knüppeldamm, der im Gestrüpp verschwand.

Lolita winkte mit der linken Hand.

Ein halbes Dutzend Männer lief mit angeschlagenen Waffen weiter und tauchte unter. Zwei Indios brachten den Toten und setzten ihn hinter das Lenkrad. Pablo klappte den Schlag zu, gab das Haumesser einem anderen und griff durch das offene Fenster nach dem Lenkrad.

Der andere Rebell folgte dem Knüppeldamm und schlug auf das Dickicht ein.

„Wartet noch“, sagte Lolita, als sich ein paar Männer gegen den alten Pkw stemmen wollten.

Es vergingen Minuten, dann schallte ein langgezogener Pfiff durch den Urwald.

„Jetzt!“, kommandierte die Frau.

Sie stemmten sich gegen den Wagen und schoben ihn auf das Dickicht zu. Der Knüppeldamm bog sich unter den Rädern und gab ächzende Geräusche von sich. Pablo musste manchmal auf das

schmale Trittbrett des Wagens springen, weil der Damm stellenweise so schmal war, dass er neben dem Mercedes keinen Platz mehr hatte.

Dann hielten sie an, weil vor ihnen das Dickicht den Knüppeldamm überwucherte.

Archibald blickte hinter sich. Jetzt folgten ihm nur noch zwei Rebellen. Der eine von ihnen hatte Janet am Arm gepackt. Das Gesicht des Mädchens war bleich, und es hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie hatte Angst, war enttäuscht.

Der Wagen rollte weiter, das Haumesser hieb in das Gestrüpp, und irgendwo pfiff wieder jemand langgezogen.

Es dauerte eine Viertelstunde, dann lichtete sich der Urwald plötzlich, und sie sahen die Betonpiste, die hinaus in das von der glühenden Sonne überflutete Land führte, wo nur winzige Kugelbüsche den Boden bedeckten. Der Boden senkte sich zu einer Mulde ab. Niemand war zu sehen.

Die Rebellen hatten sich am Saum des Waldes verteilt. Vier Männer schleppten eine Bastmatte heran, legten sie vom Ende des Knüppeldamms bis hinüber zur Straße, und dann wurde der alte Wagen mit Schwung auf die Piste geschoben. Pablo stand geduckt auf dem Trittbrett und lenkte den Wagen. Mitten auf der Piste hielten sie an und warteten.

Lolita stand noch im Wald, als wollte sie nicht gesehen werden, falls doch irgendwo jemand lauern sollte. Sie blickte auf die große Uhr an ihrem Arm.

„Noch fünf Minuten“, sagte sie.

„Und dann?“ Archibald blickte sie von der Seite an.

„Ein Hubschrauber wird kommen und das Geld abwerfen. Und wir lassen Sheppard mit dem Wagen wegfahren. So ist es vereinbart.“

Archibald Duggan nickte. Die Sache erschien ziemlich einfach, zumal der Hubschrauber dem Wagen folgen und ihn schützen konnte. „Aber Sheppard kann nicht fahren“, sagte er.

„Der Wagen rollt von allein.“

„Er wird früher oder später von der Straße abkommen, Lolita.“

„Ich weiß“, erwiderte die Frau. „Aber dann haben wir das Geld schon.“

„Und sie werden vielleicht angreifen, wenn sie meinen, der Wagen wäre weit genug entfernt.“

„Dann müssen wir schon wieder im Wald sein“, sagte Lolita. Sie blickte wieder auf ihre Uhr und schaute dann unruhig nach Süden.

Langsam rann die Zeit dahin.

Lolita sah abermals auf die Uhr. „Jetzt ist es zwei Minuten über die Zeit“, sagte sie.

„Vielleicht sind sie längst hinter uns“, erklärte Archibald.

Janet blickte sich sofort um.

„Hier stehen seit vierundzwanzig Stunden zwei Posten“, sagte Lolita. „Die bemerken jeden, der durch den Wald schleicht.“

„Dort!“, rief Pablo und zeigte nach Süden.

Ein Punkt näherte sich am Himmel, wurde größer und größer, und schließlich waren die Rotorengeräusche zu hören. Der Helikopter kam genau über die Piste von Süden herauf, flog in einer Höhe von etwa hundert Metern, erreichte den Wald, verhielt, und dann flog etwas herunter.

Archibald erkannte, dass es ein Sack war.

„Los“, sagte Lolita.

Pablo und die beiden anderen schoben den Wagen an und ließen ihn los. Er rollte auf der leicht abschüssigen Piste weiter.

„Und wenn es kein Geld ist?“, fragte Archibald.

„Es ist Geld, und es sind zwanzigtausend Dollar“, sagte Lolita. „Die wissen doch, dass wir uns jeden Tag wieder einen von ihnen schnappen können, und die wollen alle mit dem Leben davonkommen. Das geht nur, wenn fair gespielt wird.“

„Wer weiß, ob die das wirklich denken.“ Archibald blickte zu dem Hubschrauber hinauf.

Der alte Mercedes rollte immer noch mitten auf der Piste, wurde aber nun schneller und schneller.

Ein Mann stürzte hinaus zu dem Sack, wollte ihn aufheben, wurde aber mit Maschinengewehren beschossen und brach zusammen, noch bevor er den Sack ergriffen hatte.

„Na?“, fragte Archibald.

Pablo brüllte etwas. Ein paar der Rebellen stürzten aus dem Wald und feuerten zu dem Hubschrauber hinauf. Von oben wurde zurückgeschossen. Geschosse pfiffen durch das Geäst der Bäume, trafen pochend die Baumstämme und fetzten das Dickicht und die Lianen auseinander.

Zwei Rebellen brachen zusammen, die anderen sprangen schießend zurück.

Der alte Mercedes war nun doch von der Straßenmitte abgekommen, rollte in einen Graben und stürzte auf die Seite.

Der Hubschrauber drehte ab, beschrieb eine Schleife und kam tiefer fliegend zurück. Feuerstöße fuhren aus zwei festmontierten Maschinengewehren. Janet schrie getroffen auf, taumelte aus dem Wald und brach zusammen. Die anderen schossen wie besessen auf den anfliegenden Hubschrauber, in dem zwei Männer zu erkennen waren.

„Zurück!“, schrie Lolita in das Feuer.

Sie stand selbst schon so weit draußen, dass sie von den Männern längst gesehen worden sein musste, schoss wie die anderen, ging aber rückwärts. Neben ihr brach ein Mann zusammen.

Da wurde der Hubschrauber in die Höhe gezogen und flog über die Bäume.

„Achtung!“, schrie Archibald, der etwas zwischen den Wipfeln sah und sich zu Boden warf.

„Eine Bombe!“, rief Lolita gellend. „Deckung!“

Sie warfen sich alle zu Boden, hörten ein ohrenbetäubendes Krachen, das Knacken von Ästen und das Bersten eines Baumes. Archibald hob den Kopf, sah Beton und Dreck durch die Luft fliegen. Äste taumelten in der Luft. Die Bombe hatte ein Loch in die Piste gerissen. An ihrem Rand lag ein Mann, dessen Kopf abgerissen war.

Lolita rannte aus dem Wald, hob den Sack auf und kam zurück.

„Weg hier!“, kommandierte Pablo. „Lolita, verliere es nicht!“

Sie hasteten in den Wald hinein. Archibald blieb stehen und wollte sie alle vorbeilassen, aber sie waren noch immer wachsam, bewachten ihn mit der gleichen Gewohnheit, mit der sie aßen, tranken und schliefen. Sie mussten darüber nicht nachdenken. Es waren gleich zwei, die ihm mit ihren Waffen winkten.

Er ging weiter.

Lolita wartete auf dem Knüppeldamm auf ihn und sagte: „Sie haben uns beide gesehen, und wenn wir Pech haben, mit einer automatischen Kamera sogar fotografiert, Archibald. Es führt für uns beide kein Weg nach La Paz zurück!“

„Kann sein“, gab er zu und ging mit ihr weiter.

Sekunden später hörten sie die Rotorengeräusche erneut. Die Maschinengewehre tackerten, und die Geschossgarben jagten in das Geäst, als wollten sie Furchen in den Urwald ziehen.

Sie warfen sich gegen Bäume, hörten die Einschläge um sich und sahen den Schatten des Helikopters über das Laubdach hinweghuschen.

Pablo fluchte und schoss zum Himmel hinauf. Äste stürzten herunter.

Der Hubschrauber kam zurück.

„Weg!“, rief Lolita.

Sie rannten, hörten das Hämmern der Schüsse, ein Krachen über sich im Geäst, warfen sich zu Boden und deckten die Köpfe mit den Händen.

Wieder erschallte eine ohrenbetäubende Explosion, Bäume zerbrachen und donnerten auf den Boden, und Äste flogen durch die Luft. Archibald bekam Holz und Sand auf den Rücken geschleudert, hob den Kopf und sah Rauch und Staub, zwei abgebrochene Bäume, Stämme im Urwald und eine Gestalt, die von dem einen Baum erschlagen worden war.

„Weiter!“, rief Lolita.

Die Geräusche des Rotors kamen wieder näher.

Archibald rannte mit den anderen in den Urwald hinein.

Die Maschinengewehre hämmerten los. Geschosse trafen ratschend die Bäume und warfen erneut Rinde und Äste umher.

„Nicht mehr schießen!“, rief Lolita. „Sie können uns nicht sehen.“

Der Hubschrauber entfernte sich.

Sie rannten weiter, immer dem Knüppeldamm durch den Urwald folgend und dann durch die Gasse, die Pablo mit dem Haumesser geschlagen hatte. Von dem Hubschrauber hörten sie nichts mehr.

Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021

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