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2.1. New Philology

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New PhilologyDer gegen die traditionelle Textkritik ausgerichtete Ansatz der New PhilologyNew PhilologyNew Philology1 oder Material Philology ist in der skandinavistischen Mediävistik mittlerweile etabliert und hat sich in der Forschung als fruchtbar erwiesen.New Philology2 Die Textkritik, deren Begründung traditionellerweise Karl Lachmann zugeschrieben wird, hat den Erhalt bzw. die Herstellung des dem Original am nächsten kommenden Textes, des sogenannten Archetyps, zum Ziel. Die Überlieferungsvarianten, d.h. alle erhaltenen Handschriften eines Textes, werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Herstellung des ‚Originals‘ gesammelt (recensio) und gewertet (examinatio). Diesen Originalzentrismus lehnt die New Philology entschieden ab und betrachtet die mouvance3 bzw. variance4 oder, wie Joachim Bumke dies formuliert, die gleichwertigen Parallelfassungen5 des Ausgangsobjekts als entscheidend für die mittelalterliche Schriftkultur als freie Reproduktionskultur. Die Besonderheit der mittelalterlichen Textualität besteht demnach darin, dass die Texte prinzipiell unfest, strukturell offen waren und so zu einer ganz spezifischen Kommunikation und Sinnvermittlung innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft beitrugen. Diese Eigentümlichkeit erfordert somit eine Dezentrierung des Textbegriffs und – in Übereinstimmung mit den Prinzipien der New Philology und in Anlehnung an den von RolandRoland Barthes diagnostizierten Tod des Autors – sogar „den Tod des Archetyps“.6 Auch Jan-Dirk Müller fordert eine Revision des Textbegriffs, denn philologisch betrachtet erweist sich der feste Autortext für die Mediävistik als „Fiktion, die nicht nur unmöglich reflektiert werden kann, sondern den Blick verstellt auf das Transitorische, […] den Blick auf seine ‚mouvance‘“.7 Die Idee eines festen Textes, einer ursprünglichen und darum besten Vorlage sei somit nicht geeignet, um die mediävistischen Texte und ihre Polyvalenz angemessen in ihrer synchronen wie diachronen Entwicklung zu untersuchen. Der Blickwinkel verlagere sich vom Prozess der Entstehung auf die Rezeption und die häufig mit dem Prädikat mangelhaft behaftete, weil fragmentarische Überlieferung. Verschiedene Fassungen eines Textes sind nach den Prinzipien der New Philology jedoch gleichberechtigt und stellen demnach Lesarten dar, die in einem bestimmten historischen Kontext entstanden sind. Eine ähnliche Position markiert der sog. New Historicism, wenn er eine strikte Trennung zwischen dem schriftlichen Dokument, der Handschrift, und dem Text, der sich aus allen Handschriften ergibt, vornimmt und so von einem dezentrierten, intertextuell vernetzten Text ausgeht.8

Weiterhin postuliert die New PhilologyNew Philology, literarische Werke existierten nicht „independently of their material embodiments“.9 Für das Verständnis und die Interpretation eines Textes, der in einer mittelalterlichen Handschrift immer ein Rezeptionszeugnis darstellt, ist auch seine Materialität und Medialität ausschlaggebend: Die Form und die Gestaltung der Codices, deren Material, Schrift, Illustrationen, Rubriken, Initialen sowie Paratexte sind Produkte einer Rezeptionsleistung und ermöglichen in der Spannung zwischen einem diachron-textgeschichtlichen und einem synchron-überlieferungsgeschichtlichen Bezugsfeld einen anderen Blick auf den Text. 10

Diese Perspektive eignet sich besonders gut im Hinblick auf die Texte der vorliegenden Untersuchung, stellen sie doch Abschriften von verlorenen Übersetzungen dar, welche wiederum auf die nicht erhaltenen altfranzösischen Vorlagen zurückgehen. Die Suche nach einem vermeintlichen Original, ob nun altfranzösisch oder altnorwegisch, oder einer hypothetischen altschwedischen oder altdänischen Zwischenstufe, ist so aussichtslos wie obsolet.

Karl der Große im Norden

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