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2.4.1. Kulturtransfer: Übertragung von Wissen

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Wie bereits oben erwähnt wurde das Konzept der Kulturtransferforschung erstmals von der Forschergruppe um Michel Espagne und Michael Werner für die interdisziplinären Studien zu deutschen Einwirkungen in französischen Kontexten entwickelt. Hierbei analysierten sie Transferprozesse unterschiedlichster Art: Neben Dokumenten wie literarischen Texten, Übersetzungen oder privaten Korrespondenzen rückten auch gewisse (Berufs-)Gruppen wie Immigranten, Seeleute, Diplomaten, Kaufleute, Künstler oder Verleger als kulturelle Transmitter ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht die Ausgangskultur oder die zu vergleichenden Entitäten wie Nation, Staat oder Land, sondern der Prozess der Vermittlung und die diskursiven Vorgänge im Aufnahmesystem. Kulturtransfer wird als aktiver Aneignungsprozess begriffen, im Laufe dessen etwas aus einer Kultur in die andere übertragen wird, als „Übertragung von Menschen, Gütern und Wissen“1 zwischen Kulturen, bei der vor allem zirkulierende immaterielle Güter von großer Bedeutung sind.

Das Konzept der internationalen Zirkulation des Immateriellen steht in Korrelation mit Pierre Bourdieus Auffassung vom Import und Export der Ideen, dargelegt in seinem Aufsatz „Les conditions sociales de la circulation internationale des idées“.2 Für Bourdieu ist die internationale Ideenzirkulation durch strukturelle Faktoren im Aufnahmefeld bestimmt. Da fremde Texte kontextunabhängig transferiert werden, transportieren sie das Produktionsumfeld, in dem sie entstanden, nicht mit sich. Wie auch die von Espagne und Werner initiierte Kulturtransferforschung orientiert sich Bourdieu dabei nicht am Primat des Ausgangsfeldes,3 sondern unterstreicht die Bedeutung des Aufnahmefeldes oder der Aufnahmekultur für die Funktionsbestimmung eines fremden Werkes, das nach einer Reihe sozialer Operationen schließlich gemäß der internen Logik des Aufnahmesystems re-interpretiert wird.4 Dabei sind es unbewusste nationale Felder, die hier „l’effet de prisme déformant“,5 den Effekt eines entstellenden Prismas, einnehmen, die zum „générateur de formidables malentendus“6 werden. So ist es auch Bourdieus Intention, diese Kategorien des nationalen kulturellen Unbewussten, derer sich die sozialen Akteure in ihrer kulturellen Produktion und Rezeption unbewusst bedienen,7 explizit zu machen. Dies könne laut Bourdieu durch eine Reflexion über die Entstehung der nationalen Bewertungskategorien aus der Entwicklung der je länderspezifischen wissenschaftlichen Disziplinen geschehen.8 Nur so könne der intellektuelle Nationalismus überwunden werden. Auch die Kulturtranserforscher bemühen sich mit der Offenlegung des re-formulierten Fremden im vermeintlich Eigenen um die Dekonstruktion des Konzeptes eines Nationalstaates, die jedoch weniger pessimistisch auf die Missverständnisse und Instrumentalisierungen durch das Aufnahmefeld konzentriert sind als Bourdieu in seiner Auffassung zur Zirkulation transnationaler Ideen.

Karl der Große im Norden

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