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1. Einleitung

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„Før skall ieg hugge swa store hug […] ath thet skall spøryes i meden werden stor“1 – solange die Welt steht, soll die Kunde von den großen Kämpfen Rolands und anderer Kämpen unter der Anführung des fränkischen Kaisers Karl des Großen bekannt sein, so das Diktum der französischen Heldenepik auch in der dänischen Überlieferung. Als historische Gestalt ist Karl der Große wie kein anderer Herrscher bis heute im kulturellen Gedächtnis Europas präsent. Diese Tatsache ist nicht nur auf die kulturellen und religiösen Impulse während seiner Regierungszeit sowie auf seine politischen und militärischen Erfolge zurückzuführen. Es sind vor allem die schriftlichen Quellen in verschiedenen europäischen Volkssprachen, die das Bild von Karl dem Großen und seinen Taten prägten.2 Dass die literarischen Helden wie RolandRoland, Oliver, Ogier und Erzbischof Turpin die nördliche Hemisphäre betraten, ist ebenfalls in der volkssprachigen Vermittlung der Stoffe und Motive der französischen Heldenepik, der sog. chansons de gestechansons de geste, begründet. Nicht nur im frankophonen Kulturraum und den benachbarten Regionen wie den deutschen Staaten und den Niederlanden wurden die chansons rezipiert: Auch die europäischen Peripherien, das heutige Wales und der gesamte skandinavische Raum, weisen mittelalterliche Adaptionen der chansons de geste vor.Karlamagnús saga ok kappa hans3

Die vorliegende Abhandlung konzentriert sich auf die ostnordischen, d.h. schwedischen und dänischen mittelalterlichen Adaptionen der Karlsdichtung, den schwedischen Text Karl Magnus sowie die dänische Karl Magnus Krønike, und untersucht das vielschichtige Phänomen des Gattungstransfers der chansons de gestechansons de geste in den zeitlich und geographisch entfernten ostnordischen Sprach- und Literaturraum. Als Übersetzungen und Bearbeitungen kontinentaleuropäischer, vor allem französischer und anglonormannischer Quellen sind die ostnordischen Texte Zeugen eines interkulturellen Kulturtransfers, der das Wissen von den Taten Karls und seiner Helden nach Skandinavien transportiert, wenngleich vermutlich nicht i meden werden stor, so doch bis ins späte 15. Jahrhundert hinein.

Im Prozess der Übertragung entfernte sich dabei nicht nur der historische Kontext, in dem die altfranzösischen und anglonormannischen Handschriften entstanden, auch das unmittelbare intertextuelle Bezugsfeld innerhalb der Handschriftenverbünde, das bestimmte Lesarten und somit ein neues Textverständnis produziert, wurde im Transmissions- und Übersetzungsprozess nicht mitüberliefert. Die Texte wurden somit ent-kontextualisiert. Ihre Re-Kontextualisierungen in neuen intertextuellen Umgebungen, die neue aktualisierende Lesarten begünstigen, sind der Gegenstand dieser Studie.

Als Basis der Untersuchung der altostnordischen Karlsdichtung wird zunächst in aller nötigen Kürze der literaturhistorische Kontext der Gattung chansons de gestechansons de geste ermittelt: Die von der Forschung kontrovers diskutierten Fragen nach der mündlichen und schriftlichen Vermittlung der Geschichten, ihre Funktionen im altfranzösischen literarischen Umfeld sowie gattungsspezifische Merkmale werden kursorisch herausgearbeitet und im Verlaufe der Arbeit im Hinblick auf die diskursive Verortung der chansons im neuen kulturellen Milieu hinterfragt. Dabei ist von einer wandelnden Funktionalisierung der Texte auszugehen. Um dies nachzeichnen zu können, ist der theoretische und methodische Rahmen zugunsten eines Theoriepluralismus erweitert worden: Neben dem für diese Arbeit zentralen, kulturwissenschaftlich ausgerichteten, methodologisch offenen Konzept des Kulturtransfers werden weitere theoretische Ansätze zur Beantwortung einzelner Fragen herangezogen werden. Mithilfe literaturwissenschaftlicher Konzepte der Translation Studies sowie der semiotisch orientierten PolysystemtheoriePolysystemtheorie können die wandelnden Funktionen der übersetzten Texte im heimischen literarischen Milieu bzw. System bestimmt werden. Ansätze aus den Cultural Studies dienen der Annäherung an die Texte im Sinne von Inhalten und Medien der kollektiven Erinnerung,Kulturelles Gedächtnis4 die zur Konstruktion einer kollektiven Vergangenheit beitragen. Forschungen der Gender- und Masculinity Studies sind bei der Analyse der Geschlechtskonstruktionen in den übersetzten Texten, vor allem im Hinblick auf den Transfer der sog. hegemonialen Männlichkeit, gewinnbringend, während Edward Saids Konzept des Orientalismus einen Rahmen für die Analyse der Alteritätsdiskurse in den Texten der ostnordischen Karlsdichtung bildet.

Die oben genannten Konzepte und Theorien sollen hinsichtlich der Besonderheiten der mittelalterlichen Handschriften- und Textgenese kritisch geprüft werden. In den Textstudien der beiden vorliegenden Texte, der altdänischen Karl Magnus Krønike sowie des altschwedischen Karl Magnus, wird den Fragen nach den Übersetzungstendenzen und somit auch nach dem Übersetzungsinteresse der skandinavischen Übersetzer/ Bearbeiter, den narrativen Identitätskonstruktionen Karls des Großen, dem Verhältnis zwischen Christentum und Islam sowie der besonderen Rolle von HolgerHolger Danske Danske nachgegangen.

Diese kulturwissenschaftlich ausgerichtete Herangehensweise soll zur Klärung der Frage nach den Formen des Transfers französischer Heldenepik in den ostnordischen Kulturraum des 15. Jahrhunderts beitragen.

Karl der Große im Norden

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