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Josie saß in ihrem Büro und starrte vor sich hin. Das Ganze wurde immer dubioser. Zum einen der Mord an dem Kerl, der mit Chris´ Geld abgehauen war (aber war er wirklich abgehauen?), zum anderen die fies grinsenden Elternpaare mit ihren unheimlichen Plänen – und zum dritten hatte ihr Vater soeben angerufen und sie gebeten, heute am späteren Nachmittag bei ihm in seinem Büro vorbeizuschauen.

Immerhin besser als bis Waldstetten fahren zu müssen; das Büro ihres Vaters war im obersten Stock eines komplett glasverspiegelten Turms in der Zollinger MiniCity. Aber natürlich war klar, was Papa vorhatte: Er wollte mit der Wahrheit rausrücken!

Und dann? Josie hatte nicht die geringste Lust, diese Nase Chris zu heiraten. Konnte Papa Chris nicht so das Geld leihen? Ganz ehrlich, eine halbe Million war zwar kein Pappenstiel, aber für Papa doch kein Problem.

Und wenn doch, würde er diese Pläne ja wohl nicht unterstützen! Überhaupt, was versprach er sich eigentlich von dieser blödsinnigen Ehe-Idee?

Josie seufzte. Schon klar, er wollte natürlich Mama glücklich machen… Und das ist meine Tochter, Josephine von Collnhausen, Sie wissen doch, die berühmten Collnhausens. So stellte Mama sich das wahrscheinlich vor, das musste sie tierisch anmachen. Würg.

Noch schlimmer: Wallfahrtskirchlein irgendwo, Chris und Josie mit mürrischer Miene vor dem Altar, Mama in Tränen der Rührung aufgelöst, vor der Kirchentür jede Menge hysterisch knipsende Presse, Mama gibt nach der Trauung ein hoch emotionales Interview, wobei ein kristallklares Tränchen über die perfekt geschminkte Wange rinnt…

Jetzt wurde ihr wirklich schlecht – sofort ein Gegenbild: auf der anderen Seite ein Interview mit Regine von Collnhausen, die verkniffen lächelt und betont gar nichts aussagt. Schon etwas besser. Vielleicht würde die die ganze Sache noch verhindern? Sie konnte doch nicht wollen, dass irgendwelche Neureichen mit ihr verwandt wurden?

Doch, leider schon: wenn das die einzige Möglichkeit war, die halbe Million für den armen Chris zusammenzukriegen.

Aber verflixt, wieso verkaufte sie nicht diese Rubingarnitur, mit der sie bei den besseren Bällen aufzutreten pflegte? Das gewaltige Collier, die barbarischen Ohrgehänge, die beiden Armbänder und diese Monsterbrosche – wenn das nicht zusammen weit über hunderttausend wert war, wusste sie es auch nicht. Dazu vielleicht noch ihre legendären Perlen und obendrauf Chris´ Auto…

Wenn sie Angst hatte, es könnte sich herumsprechen, dann sollte sie vorher eben Imitationen anfertigen lassen. So nahe kam ihr doch wohl keiner, dass er den Unterschied merken konnte?

Warum die Eltern das Geld nicht zusammenkratzten, war ihr wirklich nicht klar. So pleite konnte der Vater doch nicht sein!

Wie wollte Papa ihr die Sache wohl schmackhaft machen? Wie, glaubte er wohl, war sie generell für eine Ehe zu begeistern? Er musste seine einzelgängerische Tochter doch wohl kennen, nach neunundzwanzig Jahren?

Den adeligen Namen würde er ihr nicht anpreisen, wenn er ihren Respekt nicht völlig verlieren wollte.

An ihr Mitleid mit Chris appellieren konnte er eigentlich auch schlecht – dass ihr Mitleid mit dümmlichen Kerlen begrenzt war, so begrenzt wie sein eigenes, musste er einfach wissen.

Welchen Vorteil wollte er ihr anbieten? Eine halbe Million für Chris, ebenso viel für sie selbst? Das war vorstellbar – aber würde sie für eine halbe Million ihre Freiheit verkaufen?

Interessante Frage.

Spontan würde sie kreischen „Niemals!!“ – aber was gäbe sie denn genau genommen auf? Konnte Chris sie etwa in ihrer Freiheit einschränken? Dieses Würstchen? Na gut, so arg war es nicht, aber mit Chris würde sie schon fertig. Eher würde sie ihn bevormunden und bemuttern, weil sie seine Ungeschicklichkeit im Alltag nervös machte.

Umsorgen würde sie ihn nicht – so konnte eine entsprechende Abmachung keinesfalls aussehen. Egal was Papa ihr bieten würde, eine Hausfrau würde nie aus ihr.

Und der ganze Quatsch war sowieso völlig irrelevant, den Chris würde sich hüten, darauf einzugehen. Wenn er einen Funken Selbsterhaltungstrieb hatte, würde er ablehnen, um nicht völlig untergebuttert zu werden.

Ja, aber hatte er diesen Funken überhaupt? Wenn man an seine Finanzgeschäfte dachte, dann wohl kaum - das war doch eher ökonomisches Kamikaze.

Mit Chris verheiratet sein – war das ein Fulltimejob? Musste man auf diesen Nasenbären rund um die Uhr aufpassen? Oder war die Gamedesign-Finanzierung seine einzige Schnapsidee?

Zeitverschwendung, darüber ohne weitere Recherchen nachzudenken. Sie angelte nach den Materialien für die Deutschkurse in Moosfeld und arbeitete sie gründlich durch. Sie hatte gerade für die zweite Stunde eine sehr viel bessere Abbildung einer Familie gefunden und sie ausgedruckt, als es an der Tür klopfte.

Sie rief „Herein“ und fuhr damit fort, den Farbausdruck in eine Laminiertasche zu packen.

„Hallo, Josie.“

Sie drehte sich um. „Chris? Woher weißt du denn, wo ich arbeite?“

Er lächelte schulbubenhaft, ließ sich ungefragt auf das hässliche Sofa fallen, auf dem sonst Prüfungskandidaten ihren Angstschweiß vergossen, und sah zu ihr auf: „Josie, so blöde, wie du denkst, bin ich auch wieder nicht. Ich weiß, dass du an der Uni arbeitest, im Seminar für mittelalterliche Geschichte, und ich kann die Wegweisertafel an eurer Glastür lesen. Da steht Dr. J. Trunz, Zi. 204. Bin ich nicht ein kluges Kind?“

„Sehr brav. Magst du ein Bonbon?“

„Gerne.“

Sie kicherte. „Das war mehr rhetorisch gemeint, ich habe leider gar nichts Essbares da. Aber was kann ich für dich tun?“

Sie wandte sich noch einmal dem Kopierer zu, legte eine Folie in den Bypass-Einzug, klickte am Rechner noch einmal auf Drucken und prüfte, ob sich das Laminiergerät schon aufgeheizt hatte. „Entschuldige, ich passe gleich auf, ich muss das nur noch schnell… so, jetzt.“

Sie dreht sich zu ihm um.

„Du könntest mit mir eine Kleinigkeit essen gehen. Es wäre doch ohnehin Zeit für das Mittagessen, oder? Wir sollten unsere Strategie gegenüber unseren Vätern vielleicht etwas abstimmen.“

Das passte so gut zu ihren eigenen Gedanken vorhin, dass sie nur nicken konnte. „Gute Idee. Papa hat mich für heute Nachmittag schon zu sich ins Büro bestellt. Wenn du noch fünf Minuten warten kannst?“

Sie fischte die Farbfolie aus dem Druckerschacht und tütete sie ein, dann steckte sie die Laminiertasche ins mittlerweile aufgeheizte Gerät. Chris angelte sich die Folie.

„Was hat das mit mittelalterlicher Geschichte zu tun?“

„Nichts“, gab Josie zu. „Das ist für die Deutschkurse mit den Flüchtlingen in Moosfeld.“

„Oh. Das finde ich toll. Kannst du da noch Hilfe brauchen?“

Sie fuhr wieder herum und hinter ihr klatschte die fertig laminierte Abbildung auf den Boden. „Du willst Deutschkurse geben?“

„Nein, sowas kann ich nicht. Ich dachte mehr an Sachen schleppen, Ausstattung bei den Leisenbergern schnorren, Beziehungen nutzen – all so was. Ich finde, Hilfe für die Flüchtlinge ist wichtiger als diese Highbrow-Projekte meiner Mutter. Und mich macht es rasend, dass von allen Spenden immer noch die Kosten für diese dämlichen Bälle und Fressorgien abgezogen werden müssen.“

„Sehr vernünftig. Ich frage mal nach. In diesem Containerdorf sind Spenden immer willkommen. Ganz dringend wird Babywäsche gebraucht. Ja, und ganz profan – Klopapier, in rauen Mengen. Dort leben immerhin fast fünfhundert Leute, und je sauberer alles ist, desto eher halten wir Krankheiten im Zaum.“

„Auch Putzmittel?“

„Immer!“

„Dann weiß ich, wo ich die auftreibe. Bist du jetzt fertig?“

„Ja – wir können. Salads?“

„Gerne. Aber wir können doch auch was Schickeres…“

Josie sah ihn streng an. „Ich denke, du bist total pleite? Und ich mag Salat.“

Fehlinvestitionen

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