Читать книгу Fehlinvestitionen - Elisa Scheer - Страница 7
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Оглавление„Was gibt´s denn jetzt noch?“, murrte Anne Malzahn, die gerade zusammenpackte. Immerhin war es fast halb acht, alle Welt hatte Feierabend.
Patrick Weber grinste bedauernd. „Im Prinzenpark liegt eine Leiche. Sollten wir uns vielleicht doch anschauen.“
„Okay, ruf Liz und Joe. Treten wir gleich in voller Mannschaftsstärke an. Spusi, Arzt und KT sind verständigt?“
„Hat die Streife schon informiert, die müssten bereits vor Ort sein.“
„Dann komm!“
Die Leiche lag gleich an der ersten Wegkreuzung, wenn man den Prinzenpark am Eingang Graf-Rasso-Straße betrat. Knapp neben dem Kiesweg im Gras, nicht versteckt, nicht bedeckt. Sie lag auf dem Bauch und hatte eine Wunde im Rücken, die wegen des weißen T-Shirts sehr gut zu sehen war und deshalb wohl auch der älteren Dame aufgefallen war, deren Pudel die Leiche zuerst gesehen hatte. Die Zeugin stand nun mit dem angeleinten und darüber unzufriedenen Pudel am Rande des Geschehens und guckte begierig, der Pudel bellte ab und zu leicht quiekend.
Liz ließ sich von ihr noch einmal erzählen, wie das mit dem Finden genau gewesen war, und notierte Namen und Adresse der Dame, die sich danach entfernen durfte, was ihr gar nicht so recht zu sein schien.
Die Gerichtsmedizinerin hockte sich auf ihre Fersen und bedeutete den Spurensicherern, sie sollten den Toten jetzt umdrehen.
Ein junges, leicht erstauntes Gesicht, recht gepflegt. Anne hockte sich neben den Toten und betrachtete ihn. „Ende zwanzig“, sagte sie dann. „Das T-Shirt ist eine teure Marke, die Jeans und die Turnschuhe ebenfalls. Kein armer Mann. Hat er irgendwas Brauchbares in den Taschen?“
Behandschuhte Hände fuhren in die Jeanstaschen – hinten und vorne. „Nichts“, war das Ergebnis. „Keine Schlüssel, kein Handy, kein Geld, kein Ausweis. Nicht mal Staubflusen in den Taschenbeuteln.“
„Hm.“ Anne kam wieder hoch und drehte sich zu Dr. Pohl um. „Was sagst du, so ganz unverbindlich?“
„Messerstich in den Rücken. Normales Schnappmesser, denke ich. Vor etwa zwei Stunden. Vermutlich hier – neben und unter ihm ist eine ziemliche Blutlache, er scheint nicht bewegt worden zu sein. Morgen weiß ich auf jeden Fall mehr.“
„Danke.“ Sie suchte mit den Augen Joe, der mit der Spusi sprach und alles aufsammeln und eintüten ließ, was sich im Umkreis um die Leiche befand. Wahrscheinlich hatte das alles überhaupt nichts mit dem Mord zu tun, aber konnte man das vorher wissen?
Die Leiche war von allen Seiten fotografiert worden und wurde jetzt in einen grauen Sarg gehoben; Joe trat zu Anne und seufzte. „Nichts, was?“
„Gar nichts“, bestätigte sie. „Dann kann es ja nur besser werden.“
Liz gesellte sich zu ihnen. „War mal ein hübsches Kerlchen. Schade drum.“
„Und nicht gerade arm. So ein T-Shirt kostet locker einen Hunderter“, fügte Anne hinzu.
Joe war entsetzt. „Für den Lappen? Einen Hunderter? Dafür krieg ich ja zehn Shirts!“
„So sehen die dann aber auch aus! Und sie sind weder aus Ökobaumwolle noch fairtrade. Auf jeden Fall konnte der es sich leisten.“
„Oder er hatte eine reiche ältere Freundin, die es ihm geschenkt hat. Findest du nicht, dass er gut ein Toyboy gewesen sein könnte?“, wollte Liz wissen und grinste frech.
„Alles möglich, solange wir noch nichts wissen. Wenn Dr. Pohl uns nicht mehr verraten kann und die Vermisstenmeldungen nichts ergeben, müssen wir uns eben an die Presse wenden. Ich hoffe, eins der Fotos ist nicht zu gruselig.“
Sobald sie wieder im Präsidium waren, begann Joe, die Fakten auf virtuelle Notizzettel zu tippen, wie sie das endlich installierte Whiteboard-Programm anbot. Nach dem dritten dieser Zettelchen gingen ihm die Fakten aus.
„Jetzt könnten wir mit diesem Ding so toll arbeiten, und dann haben wir nichts in der Hand“, maulte er.
Anne und Liz betrachteten sich die Wand, auf der Informationen zum Fundort, zur Auffindezeit und zur Zeugin erschienen.
„Vielleicht soll er nicht identifiziert werden können“, überlegte Liz. „Ich meine, weil er doch überhaupt nichts bei sich hatte.“
„Nette Idee“, lobte Anne mit pädagogischem Unterton, „aber dazu hätte man ihm wohl auch noch die Zähne ziehen müssen.“
„Und wenn er schon mal etwas ausgefressen hat, helfen uns ja auch die Fingerabdrücke weiter. Ich hab mal einen Krimi gelesen, da haben sie einer Leiche die Fingerkuppen verätzt, damit sie nicht identifizierbar war.“
„Danke, Joe, das war wie immer sehr hilfreich. Hast du sonst nichts zu tun?“
„Nö. Die Notizen kann man ganz leicht zu einem Bericht zusammenfügen – und mehr haben wir ja noch nicht. Ich hätte mir ein bisschen Saustall aufheben sollen, was?“
Anne betrachtete seinen aufgeräumten Schreibtisch und grinste. „Mal schauen, wie lange du das durchhältst!“
Patrick kam von nebenan und wedelte mit einem Blatt Papier. „Ich habe gerade etwas von der Vermisstenstelle bekommen!“
„Und?“
„Abgängig ist ein Kai Kießling. Dreißig Jahre alt, Informatiker, arbeitslos. Wollte mit einem anderen zusammen in eine Spieleproduktion einsteigen und ist seit mindestens zwei Wochen unauffindbar. Dieser andere hat ihn jetzt als vermisst gemeldet, weil nicht mal mehr die Mailbox drangegangen ist, wie er gesagt hat. Steht jedenfalls hier.“
„Aha. Wie heißt dieser andere?“
„Collnhausen. Christopher Collnhausen. Warum guckt ihr so?“
Joe seufzte. „Hoffentlich ist der nicht mit diesem Kerl vom Arbeitgeberverband verwandt. Ihr wisst doch, der aus diversen Aufsichtsräten, der immer so viel Quatsch im Fernsehen redet, wenn wieder irgendwo irgendjemand streikt. Der heißt doch Collnhausen, oder?“
„Ja, leider. Patrick, haben wir von dem eine Adresse?“
„Sogar zwei. Einmal in der Fuggergasse und einmal in Waldstetten. Das sind dann wohl die Eltern… Hier, Joe.“
Joe schickte beide Adressen samt Festnetz, Mobil und Mailadressen ans Board und dann standen sie alle grummelnd davor: „Garantiert ist das der Sohn von diesem Aufsichtsrat. Garantiert macht der sich mausig. Trotzdem…“
Anne rief die Nummer in der Fuggergasse an und lächelte erleichtert, als sich jemand meldete. Sie schaltete auf laut, und Joe schrieb das Gespräch in Stichworten mit.
Hinterher betrachteten sie sich die neuen Fakten.
„Also, Kai Kießling. Hatte zweihunderttausend in bar dabei – dieser Collnhausen ist aber schon leicht doof, oder? – und sollte das dem bringen, der das Spiel entwickelte, um damit die Vermarktungsrechte zu erwerben. Den Vertrag sollte Kießling dann zurückbringen, aber er hat sich nie mehr gemeldet und Collnhausen ist jetzt finanziell ruiniert“, sinnierte Anne. „Wieso hat der eigentlich so lange gewartet, bis er zur Polizei gegangen ist? Bei einer solchen Summe wäre ich viel schneller aktiv geworden.“
„Wer nicht?“, sagte Liz. „Okay, Kießling wohnt in einer Altbauwohnung in der Fuggergasse. Nummer vierzehn. Da sollten wir mal hinschauen.“
„Und zwar sofort“, schlug Joe vor.
„Gut“, sagte Anne, „macht ihr zwei das. Patrick und ich besuchen mal diesen Collnhausen. Der weiß sicher noch mehr.“