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Wie Hubert es geschafft hatte, diese Blitzscheidung durchzuziehen, war ihr immer noch ein Rätsel, überlegte sie, als sie langsam durch die Straßen ihrer vorübergehenden Heimat schlenderte und den teils skurrilen, teils prachtvollen Villen links und rechts kaum einen Blick gönnte.

Andererseits hatte sie nach seinen Worten auch keinen Grund mehr gesehen, die Sache irgendwie hinauszuzögern. Sie war so schnell wie möglich ausgezogen und hatte nur das Nötigste mitgenommen - was brauchte man außer den Kreditkarten, dem Handy und dem Rechner schon groß? Vielleicht noch Souvenirs an diese misslungene Ehe? Ganz bestimmt nicht! Danach hatte sie sich im Appartement-Hotel verkrochen. Ihre Anwältin hatte zwar pausenlos den Kopf geschüttelt, aber bei Gütertrennung gab es nicht viel zu regeln, und sie hatte ja einen gut bezahlten Job und ihr eigenes Vermögen.

„Warum wehren Sie sich nicht?“, hatte sie dauernd gefragt und nie verstanden, dass man einen Kerl, gegen den man sich wehren musste, gar nicht mehr haben wollte. Eine Ehe, um die man kämpfen musste, war es nicht wert. Ihre Mutter hatte das – stundenlang in den Hörer zeternd – natürlich anders gesehen, aber das war Sissi völlig egal. Sollte Hubert doch seinen Kumpel Frajo heiraten, wenn er dem mehr vertraute als ihr! Was ging es sie noch an?

Die Scheidung war durch, ihren Kram konnte er von ihr aus behalten (oder doch nicht, so oft, wie sie darüber nachdachte? Lieber nicht zu genau die eigenen Gefühle erforschen!), und sie würde sich wieder etwas Eigenes aufbauen. Drei vergeudete Jahre.

Oder doch nicht, jetzt wusste sie wenigstens, was von Männern zu halten war, die insgeheim Frauen gar nicht mochten. Ja, dafür schon, aber ihnen nicht trauten. Immerhin war sie jetzt zweiunddreißig, geschieden, solo und ohne Zuhause. Das Hirschgeweihmuseum war nur ein besserer Unterschlupf, kein Zuhause. Außerdem konnte man sich in sechs Monaten kaum irgendwo einleben. Sissi schlurfte weiter vor sich hin, kickte eine schon etwas beschädigte Kastanie vor sich her und versuchte, nicht an Hubert zu denken.

Verdammt, so schwer würde es ja wohl nicht sein, einen Besseren zu finden. Die Welt musste voller Männer sein, die besser waren als Hubert, er war schließlich nicht mehr zu unterbieten.

Außerdem war das nicht unbedingt eilig, beschloss sie energisch. Erst einmal würde sie sich in die Arbeit stürzen, sich, wenn es so weit war, eine richtig schöne Wohnung einrichten, und dann ganz langsam, nach einer angemessenen Erholungspause, das Angebot sichten.

Nur keine unnötige Hast!

Jedenfalls hatte sie von Männern erst einmal die Nase gestrichen voll. Es gab schließlich andere Hobbys, stellte sie fest, als sie merkte, dass ihr Spaziergang sie ins Univiertel geführt hatte und sie vor einem großen Drogeriemarkt stand.

Zweiunddreißig – so jung war das auch nicht mehr. Intensive Pflege war angesagt! Und in diesem Drogeriemarkt gab es die verlockendsten Sächelchen, Cremes mit geheimnisvollen Zusätzen (sicher frei erfunden), die die Hautalterung hemmten, Zahncremes, die Zähne weiß und kräftig machten, Badezusätze, die entspannten und anregten (wenn auch wohl nicht gleichzeitig), schöne Kerzen im Kombipack mit Wellness-Musik: warum nicht? Für stille Abende im Jagdmuseum? Vitamine für und gegen alles und jedes, Nagellack in den unglaublichsten Farben, jede Menge Neuerscheinungen auf dem Parfumsektor, allerdings rochen sie alle ähnlich, nach einer Mischung aus Pfirsich und Moschus. Angewidert wischte Sissi sich den Handrücken an den Jeans ab.

Nussmischungen, streng ökologisch korrekt, und – ha! – die Ökogummibärchen aus reinem Kirschsaft.

Sissi lud sich den Wagen voll, nahm noch einige Duftsäckchen für die Wäsche mit (der Kleiderschrank hatte einen leicht stockigen Geruch verströmt) und rollte sehr befriedigt zur Kasse. Jetzt noch eine Buchhandlung und dann gebadet, eingecremt und wohl duftend früh ins Bett und nett geschmökert.

Wozu eine Buchhandlung? An der Kasse stand ein Drehständer mit Taschenbüchern. Zwischen all den Wie-ich-Mann-und-Kinder-durch-eine-heimtückische-Krankheit-verlor-und-trotzdem-meinen-Lebensmut-behielt-Schinken fanden sich einige Fantasyromane und glücklicherweise auch ein verirrter Krimi von Boris Akunin, den sie noch gar nicht kannte. Tod des Achilles... sehr viel versprechend! In den Wagen damit!

Existenzfrage

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