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23. Februar, Mittwoch

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Warum kein Gedicht entsteht, kommt auch daher, dass ich mich entschieden habe, ein Garten-Journal zu schreiben. Ein Tagebuch will festhalten, erinnern, informieren – so war es an dem und dem Tag. Ein Gedicht hingegen will schweben, offen sein, für Bilder, die von sonst woher kommen, aus dem »Sumpf des Unbewussten« meinetwegen, es will und muss zugleich Raum geben für die Bilder des Lesers. Ein Gedicht will den breiten Rand, das halbe Blatt in für alles empfänglichem Weiß.

Was ich im Garten sehe und beobachte, könnte auch in die Form eines traditionellen Gedichts fließen, sich des Reims und des Metrums bedienen. Hermann Hesse schreibt in Hexametern übers Tomatenaufbinden – wunderbar. Aber das reine Naturgedicht, die Idylle in Versform geht heute nicht mehr, wirkt verstaubt und weltfremd. In Hesses Gedicht spürt man die Ironie, ergötzt einen der Kontrast zwischen dem hohen Ton der Dichtkunst und der niedrigen Tätigkeit der Tomatenpflege. Nach den zwei Weltkriegen und mit Adornos Diktum vom »Ende des Gedichts« hat sich die Lyrik gewandelt, so dass auch das Naturgedicht jetzt die andere Ebene braucht, den Bruch: Nichts ist das, was zu sein es scheint. Nichts ist mehr so, wie es war. Auschwitz, Hiroshima, Tschernobyl, aber auch die Globalisierung und das weltweite Netz haben uns und unsere Erwartungen an das Gedicht verändert. Weil der Mensch sich der Gefährdung der Welt und seiner selbst ständig bewusst ist, empfindet er die Idylle des Naturgedichts als unzeitgemäß. »Freundlich und erhebend«, schreibt Günter Kunert, »können Naturgedichte heutzutage nicht mehr sein, sonst wären sie bis auf den Grund verlogen.« Misstrauisch sein gegenüber der Sprache ist als Voraussetzung für Tiefe und Ernsthaftigkeit geboten. »Immer stimmt alles ein bisschen nicht ganz«, schreibt Friederike Mayröcker.

Von Blüten und Blättern

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