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2. Januar, Sonntag

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Die evangelischen Sternsinger kommen, um das Haus zu segnen, eine katholische Tradition, die sich jetzt im protestantischen Brandenburg verbreitet. Sie kommen ein paar Tage zu früh, denn eigentlich ist der 6. Januar die rechte Zeit für die kleinen Heiligen, die »Weisen« aus dem Morgenland. Als ich am späten Morgen die Zeitung vom Briefkasten hole, höre ich schon die Kinderstimmen auf der Straße. Gelb, gold und grün sind ihre Festkleider, Turbane tragen sie und einen glänzenden Stern, nur die dicken Winterstiefel passen nicht so recht zu der königlichen Pracht. Ein Stern führte die Weisen einst nach Bethlehem. Passt auf, sage ich, es kommen Lawinen vom Dach. Sie lachen. Lawinen? Wenn man aus dem Morgenland kommt, um die Häuser zu segnen, kennt man solche Gefahren nicht. Kennt man auch nicht die Ängstlichkeit der Mütter und Großmütter. Und dann läuft die Sache so unheilig ab, dass mir das Herz warm wird.

Bevor der Kleinste und Jüngste im grünen Gewand – die Farbe der Hoffnung, das göttliche Grün – den Segen mit Schultafelkreide an unsere Haustür malen darf, gibt’s Streit um diese besondere Ehre, und sie knobeln mit Tsching Tschang Tschung, bis die sie begleitende Mutter entscheidet: Der Jüngste und einzige Junge darf den Segen schreiben, und die ältere Schwester möge sich bittesehr zurückhalten und das Vorsagen lassen. Er klettert auf einen Stuhl, die Kreide in der Hand, um die Zeichen zu schreiben: Zwanzig für das Jahrhundert, dann der Stern, das C, ein Kreuz, das M, jetzt bricht die Kreide entzwei und ein Stück fällt runter, wieder ein Kreuz, schließlich das B und das letzte Kreuz, am Ende dann die Jahreszahl Elf. Zweitausendelf, dazwischen Caspar, Melchior und Balthasar. Recken muss sich der Zwerg König, obwohl wir ihm den Küchenstuhl hingestellt haben, und er malt aufs dunkle Holz mit großer Erstklässlerschrift, so dass am Ende der Zeile der Platz knapp wird und die Zeichen klein und immer kleiner geraten.

Dann stürzen sie sich auf die Süßigkeiten und den Apfelsaft, segnen auch die rote Türe vom Hinterhaus, wieder darf der grüne König schreiben und diesmal schreibt er gleichmäßig und nicht zu groß und kriegt dann den lateinischen Segensspruch von der Schwester vorgesagt, auf dass er ihn nachspreche: Christus mansionem benedicat. Christus manschonem denekipat. Darf man lachen? Man darf.

Ein Foto und schon fliegen die Schneebälle ums Haus.

Darüber nachzudenken, dass zu der Geschichte von den drei Königen die Kindermorde des Herodes gehören, verbiete ich mir. Aber dass die kleine Schar eine Sammelbüchse mitgebracht hat für Kinder, die in Kambodscha Opfer explodierender Landminen wurden, sei nicht verdrängt. Kinder im Krieg; mein Vater hat erzählt, wie wohlig warm es in den russischen Hütten mit den großen Kachelöfen war …

Später am Tag schaue ich vom Mansardenfenster auf die Straße mit den tief eingedrückten Fahrrinnen hinunter und sehe durchs Geäst der Linde ein paar blaue Schleier, endlich ein wenig Klarheit am Himmel. Auf dem Dach glitzern Schneekristalle, die Äste der Japanischen Kirsche sind wie mit dickem Pinsel über den Schnee geschriebene Kalligraphien. Im Westen schimmert es golden, der Tag ist immer noch kurz, wenn auch schon ein paar Minuten länger als um Weihnachten herum. Ich hadere mit dem Licht um jede Minute. Ich muss hinuntergehen und den Herrnhuter Stern anknipsen. Auch wenn die Könige längst weiter gezogen sind.

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