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ESSEN, BIS DIE AUGEN ZUFALLEN moderne Zeiten machen dick

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Es gibt tatsächlich Marathon-Esser, die täglich mehr als 20-mal etwas in den Mund stecken. Doch mit solcher Allzeit-Verfügbarkeit von Lebensmitteln kommen unsere inneren Uhren nicht klar. Wir werden kaum noch richtig hungrig und nie mehr wirklich satt.

Ein Grund für die Gewichtszunahme ganzer Nationen könnte im Verlust der Regeln für kultiviertes Essen liegen. Noch im letzten Jahrhundert galt es als unmöglich, unterwegs im Gehen zu trinken oder aus der Hand zu essen. Naschen zwischen den Mahlzeiten wurde von den Eltern verboten. Wohlerzogene Leute aßen nirgendwo anders als am Tisch – nicht auf der Straße, vor dem Fernseher oder am Schreibtisch. Die Werbebotschaft „To go“, also zum Essen im Gehen, signalisiert: Inzwischen dürfen wir überall und immer essen und trinken, ohne dabei als unkultiviert zu gelten.

Wenn wir unseren Magen mit voluminösen Zutaten wie Salat, Suppe oder Gemüse füllen und dabei die Magenwände genügend dehnen, meldet ein Hormonsignal ans Gehirn: genug gegessen! Es versagt allerdings, wenn dauernd Minimengen in den Magen gelangen und daher nie eine Wechselwirkung von Leere und Fülle entsteht. Wer sich immerzu eine Kleinigkeit gönnt, ermüdet die Sensoren des Verdauungstrakts. Auf Dauer kommen so im Gehirn immer weniger Sättigungssignale an. Für das Gefühl satt zu werden, verlangt der Körper dann mit der Zeit immer stärkere Reize durch immer größere Portionen.

Kauen bald wieder angesagt?

Der beliebteste Weg, Essen in den Körper zu transportieren, ist heute das bequeme schnelle Schlucken. Man denke nur an Cremedesserts, Joghurtdrinks, Milchshakes und an den Welterfolg der Smoothies. Das halb flüssige Fruchtmus hätte früher kaum zum Probieren gereizt, im Gegenteil: Das Breigetränk wäre wohl als Krankenkost oder Babyfood abgelehnt worden. „Da hat man ja nichts zwischen den Zähnen“, hätten toughe Typen vor der Mixermode gesagt. Heute stehen sie auf Softkekse und weiches Sandwichbrot. Das könnte sich allerdings bald wieder ändern. Denn Kauen verlangsamt das Essen und hilft damit letztlich, das Gewicht in Schach zu halten. Wer knackig feste Nahrung im Mund gut zerkleinert, stimuliert Botenstoffe, die Magen, Dünndarm und Bauchspeicheldrüse auf die kommende Mahlzeit vorbereiten. Die Verdauungsorgane antworten mit Sättigungssignalen ans Gehirn. Hat man also die Wahl zwischen einer Schüssel frischem Salat und einem fein gemixten grünen Smoothie, greift man der Figur zuliebe besser wieder zur der Variante, die einem etwas zu beißen gibt.

Einfach alles abgrasen

Die größte Veränderung, die sich in unsere Essgewohnheiten eingeschlichen hat, ist das Essen ohne feste Mahlzeiten, von Experten „Grazing“ genannt. Grazing vollzieht sich so unterschwellig, dass die Betroffenen kaum etwas davon mitkriegen. Oft sagen sie: „Ich esse doch gar nicht viel“ oder „Ich esse nur zu den drei Hauptmahlzeiten“. Und irgendwie stimmt das sogar. Denn alles, was ohne Nachdenken abläuft, wird vom Gehirn aus der Erinnerung herausgeschnitten. Der physische Ablauf – Schlucken und Verdauen – funktioniert, ohne dass wir uns darum kümmern müssen.

Grazing Test

•Essen Sie oft im Stehen oder im Vorübergehen?

•Können Sie sich meist nicht erinnern, was Sie den Tag über gegessen haben?

•Fühlen Sie zwar oft eine Art Leere, aber keinen ausgeprägten Hunger?

•Essen Sie nur selten an einem gedeckten Tisch?

•Haben Sie nach dem Essen nie das Gefühl, richtig satt und befriedigt zu sein?

Wenn Sie eine dieser Fragen oder mehrere mit Ja beantworten, legen Ihnen Grazing-Verhaltensweisen beim Abnehmen vermutlich Steine in den Weg. Das Intervall-Fasten kann Ihnen helfen, wieder zu einem befriedigenden Essrhythmus zurückzufinden.

Doch so können wir das Essen weder genießen noch überblicken, wie viel es war. Schlimmer noch, Daueressen bringt die Räder unserer inneren Uhren aus dem Takt und erzeugt einen Kreislauf von wachsenden Fettpolstern und steigender Abneigung gegen Bewegung. Abhilfe schafft ein molekularer Schalter, der durch Fastenzeiten gesteuert wird, jedoch erst anspringt, wenn der Magen eine Weile nichts zu tun hatte. Eine geniale Erfindung der Natur, die wir unbedingt nutzen sollten.


„Bio“ allein genügt nicht, unser Timing muss besser werden.

Unter dem falschen Baum gebellt: Irrwege der Forschung

Fast jeder legt Wert darauf, seinen Körper täglich mit allem zu versorgen, was er braucht. Pizza, das ist mal klar, braucht er nicht unbedingt. Mousse au Chocolat auch nicht. Oder doch? Gerade stand doch ein Artikel über die heilsamen Eigenschaften von Schokolade in der Zeitung. Und Camembert? Darüber weiß man nicht viel. Aber Curry soll gut sein. Und Brokkoli natürlich auch. Joghurt sowieso.

Viele von uns denken, von gesunden Lebensmitteln könne man überhaupt nicht dick werden. Sie vermuten, dass Bioprodukte wohlschmeckender sind als konventionelle, weniger Fett und mehr Ballaststoffe enthalten. Außerdem glauben manche, Bioware hätte auch weniger Kalorien. Sie langen deshalb bei Pizza und Kuchen mit Biosiegel ordentlich zu. Mit dicken Folgen.

Wir Laien können natürlich irren. Aber Experten sind ebenso wenig vor Fehlurteilen geschützt. So betrachtete die Mainstream-Forschung seit den 1960er-Jahren Fett im Allgemeinen und Cholesterin im Besonderen als schädlich. Doch ein Zeitraum von über 50 Jahren und Hunderte von Millionen Euro Forschungsgelder konnten keinen Beweis erbringen, dass fett- und cholesterinarme Kost uns länger und gesünder leben lässt. Die extreme Magerküche erwies sich entgegen allen Vermutungen nicht einmal als sonderlich figurfreundlich. Im Gegenteil!

Wie kompliziert und trickreich das Energiekonzept des menschlichen Körpers ist, ahnen Forscher erst seit Kurzem. Ende des letzten Jahrhunderts lachten sie noch über die These des guten Futterverwerters und ließen nicht gelten, dass es eine ererbte Veranlagung zur Rundlichkeit geben könnte. Beides hat sich inzwischen aber als richtig erwiesen.

Ein gutes Drittel der Bundesbürger hat keinerlei Figurprobleme. Das Gewicht dieser Glückspilze verändert sich über Jahrzehnte kaum. Dabei essen auch sie sich durch hochkalorische Festtage, stürmen kalte Büfetts, gönnen sich täglich ein paar Gläschen Wein oder Bier. Oder sie naschen Eis und Schokoriegel, wenn ihnen danach ist. Warum werden sie nicht dick? Vielleicht weil sie im Einklang mit ihren inneren Uhren leben.

Gesund durch einzelne Wirkstoffe im Essen? Unmöglich!

Einzelne Lebensmittel werden gern mit Gesundheitsvorteilen wie etwa der Steigerung der Abwehrkräfte oder einer Verbesserung der Lernfähigkeit beworben. Doch müssen Hersteller inzwischen beweisen, dass ihre Produkte die ausgelobten Eigenschaften wirklich besitzen. Geprüft wird das von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Lebensmittelhersteller reichten bei ihr eine Flut von Anträgen ein und hofften auf einen sogenannten Health Claim, einen bestätigten Gesundheitsnutzen für ihre Produkte. Kaum mehr als ein halbes Dutzend wurde genehmigt. Das liegt nicht etwa daran, dass die gepriesenen Inhaltstoffe nicht vorhanden oder die Produkte gar ungesund gewesen wären. Das Zusammenspiel von einzelnen Lebensmitteln mit dem menschlichen Organismus ist jedoch so facettenreich, dass kaum klare Beweise zu erzielen sind. Schließlich enthalten Nahrungsmittel unzählige Naturstoffe in wechselnder Menge, die beim Essen auf die höchst unterschiedliche Stoffwechsellage des Einzelnen treffen. Daraus entsteht ein statistischer Wirrwarr, der kaum ernsthafte wissenschaftliche Rückschlüsse zulässt.

Und womöglich haben wir mit dem Versuch, den Nutzen ganz bestimmter Stoffe in unseren Lebensmitteln zu erforschen, ohnehin einen Irrweg gewählt. Nach Tausenden vergeblichen Versuchen, mit abgegrenzten Inhaltsstoffen – wie etwa bestimmten Vitaminen oder Fetten – die Gesundheit zu fördern oder durch die Vermeidung von Risikosubstanzen chronische Krankheiten zu verhindern, stellt sich immer mehr heraus: Wir haben unter dem falschen Baum gebellt.

In der gesunden Ernährung zählt nicht das Detail, sondern Vielfalt und der Lauf der Zeit!

Deshalb ist der Vergleich mit dem Lebensstil unserer steinzeitlichen Vorfahren auch kein romantischer Rückgriff auf die Menschheitsgeschichte, sondern die einzige Messlatte, die ein Wissenschaftler anhand unserer Gene nutzen kann, um herauszufinden, wie wir uns optimal ernähren sollten. Mit dem Intervall-Fasten, das von unseren Ursprüngen lernt und das Timing unserer inneren Uhren berücksichtigt, begleiten wir sie auf diesem Weg. Im Ernst möchte natürlich kein Mensch so essen wie unsere Altvorderen vor 100 000 oder 200 000 Jahren. Doch wir kommen nicht darum herum, uns anzusehen, für welche Art von Leben wir von der Natur einst gemacht worden sind.

Intervallfasten

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