Читать книгу Shimasaní - Elisabeth Schmitz - Страница 11

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Wie in weiter Ferne hörte Gad Stimmen. Sie riefen seinen Namen. Gad öffnete die Augen und sah, dass er sich sitzend in dem Steinkreis befand. Er sah durch einen Nebel einige Menschen auf sich zukommen und weinte, als er seine Mutter sah, die ihn in die Arme schloss und ihm über den Kopf streichelte.

»Oh ashkíí, du lebst! Ich war so verzweifelt.«

»Wasser«, sagte Gad nur und sofort wurde es ihm gereicht. Man ließ ihn nur etwas trinken und goss den Rest über seinen Kopf. Wie belebend es doch wirkte; Wasser ist ein gutes Element.

Gad wollte aufstehen, aber es gelang ihm nicht. Vier Männer trugen ihn und brachten ihn zum Hogan seiner Großmutter. Man gab ihm noch einmal zu trinken. Diesmal etwas mehr.

In der Hütte hatte man ihn auf dem Boden gebettet und er fiel sofort in einen traumlosen Schlaf.

Am nächsten Tag, die Sonne stand hoch am Himmel, wachte Gad auf. Man hatte ihm ein Dach aus einem Rinderfell aufgebaut, sodass die Sonne ihn nicht verbrennen konnte. Nashótá kam und brachte ihm Obst und frisches Brot.

Ihr Mund öffnete sich wie zu einem Schrei.

»Gad, was ist das?«, fragte sie ihn und zeigte auf seine Schulter. Gad sah, dass es also doch keine Einbildung gewesen war, als ihn der Bär angegriffen hatte. Nun kam die ganze Situation im Steinkreis wieder in sein Bewusstsein.

»Wo ist Aní?«, frage er ahnungsvoll.

»Sie ist vor vier Tagen gestorben. Wir haben sie auf dem vierten Felsen sitzend und mit einem Lächeln auf den Lippen gefunden. Sie ist dort gestorben, wie sie es immer gewollt hatte. Ich denke, sie konnte in Frieden dorthin gehen, wohin sie schon seit langem wollte. Wir haben überall gesucht und waren zuvor auch an der Stelle, wo wir dich dann endlich entdeckt haben. Wieso haben wir dich dort nicht sehen können?«

Nashótá streichelte ihrem Sohn liebevoll über das Gesicht.

»Was ist geschehen, mein Sohn?«, fragte sie ihn. Gad schwieg und schaute seine Mutter an. Wie schön sie war; er liebte sie so sehr.

»Shimá, ich möchte es nicht erzählen. Es war sehr schlimm und du würdest es eventuell nicht verstehen.«

Nashótá sagte nichts und Gad konnte dieses traurige Schweigen nicht ertragen.

Er nahm ihre Hände und fing an zu erzählen. Alles sagte er ihr und sie unterbrach ihn nicht. Er spürte, dass sie ihn verstand. Sie war schließlich die Tochter einer Heilerin und mit der Gabe täglich in Kontakt gewesen.

Nachdem Gad zu Ende erzählt hatte, sagte sie: »Ich wünschte, sie hätte dir die Kraft niemals übertragen. Unser Leben war gut, so wie es bisher war. Ich hatte aber schon immer den Verdacht, dass du einmal ihr Nachfolger werden würdest. Deine Wunden sind alle verheilt, aber die Narben werden immer da sein. Ich kann meinen Finger in die Furche an deinem Rücken legen, so tief ist sie. Was hast du für Schreckliches erlebt? Bleibe immer ein guter Mensch, Gad.«

»Das werde ich bestimmt, Shimá, ich verspreche es dir. Habt ihr Shimasaní schon begraben?« Nashótá schüttelte den Kopf.

»Wir werden es heute tun«, sagte sie.

»Ich habe es hinausgezögert, denn ich wollte, dass du dabei bist.« Gad lächelte sie an.

»Woher wusstest du, dass ich zurückkomme?«, fragte er.

Nashótá lächelte. »Ich bin deine Mutter, Gad. Mütter spüren so etwas.«

Es kamen viele Menschen zur Trauerfeier, von überall her. Es musste sich herumgesprochen haben, dass Shimasaní gestorben war.

Gad fühlte sich noch immer schwach, aber er spürte wieder Kraft in seinem Körper.

Alle trugen bunte, selbst gewebte Tücher und auch Gad hatte solch ein Tuch um seinen Oberkörper geschlungen. Die Gruppe sah aus, als ob viele Regenbogen sich kreuzen würden. Es hätte Shimasaní gefallen, dachte Gad. Nein, es gefällt ihr, korrigierte er seine Gedanken. Sie ist bei uns! Ich kann sie deutlich spüren.

Der tote Körper von der alten Shimasaní wurde mit dem einfachen Holzsarg in die rote Erde gelassen, und zwar genau dort, wo Gad in dem Steinkreis gesessen hatte. Seine Mutter hatte es so gewollt, obwohl William es lieber gesehen hätte, dass sie unter einem Rasen auf dem Friedhof bestattet worden wäre.

Ein Schauer lief Gad über den Rücken, als er an sein Erlebnis an diesem Ort dachte.

Ein Priester war gekommen und sprach ein paar mitfühlende Sätze. Shimasaní hatte keiner Kirche angehört, denn sie hatte ihre eigenen Götter. Aber sie hatte den Gott der Christen akzeptiert, denn das, was sie über ihn gehört hatte, war gut gewesen. Die Leute lebten zwar nicht nach seinen Gesetzen, aber dafür könne der Gott ja nichts, hatte sie Gad einmal erzählt.

Nach der Bestattung sah Gad, dass sein Onkel William dem Priester Geld zusteckte und Gad musste schmunzeln. Für Geld war alles zu bekommen!

Die Steine, die vorher den Kreis gebildet hatten, wurden nun auf die Grabstelle gelegt und Gad verneigte sich davor. Dabei rutschte ihm der bunte Umhang von den Schultern. Ein kleiner, alter Mann fing das Tuch auf und gab einen leisen Schrei von sich. Sofort fiel er vor Gad auf die Knie und berührte dessen Füße.

Gad hatte sich das Tuch wieder umgelegt und wusste, dass der Mann die Male erkannte. Er half dem Greis auf die Füße und verließ schnell die Gruppe. Seine Mutter folgte ihm. Gad blickte sich um und sah, dass sich einige Personen um William versammelten. Das war gut. Er würde den Leuten schon klarmachen, dass alles Humbug ist, was sie denken würden.

Shimasaní

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