Читать книгу Shimasaní - Elisabeth Schmitz - Страница 14
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Gad fuhr als Erstes zu seiner Mutter und sagte ihr, dass sie nun Großmutter sei. Nashótá wäre fast umgefallen. Sie stand an der Spüle mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen. Gad ging zu ihr und nahm die kleine Frau in seine Arme. Nashótá fing an zu weinen und sagte ihm, dass es Freudentränen wären. Sie wollte das Kind und die Mutter so schnell wie möglich kennenlernen.
»Shimá«, sagte Gad, »morgen werde ich Nascha hierherholen und
auch Stevie.« Nashótá nickte.
»Ja, natürlich. Es ist so wundervoll, denn ihr Name klingt so ähnlich wie meiner. Nur bedeutet der ,Zwilling‘ und ihrer ,Eule‘.«
Gad legte die Arme um seine Mutter und sagte: »Ich möchte diese Frau nie wieder verlieren und hoffe, dass sie irgendwann mit mir nach Deutschland kommt.«
Nashótá lächelte ihren einzigen Sohn liebevoll an.
»Gad«, sagte sie, »ich war in derselben Situation wie sie, vergiss das nicht. Es wird ihr überall gefallen, wo du bist und ich denke, dass auch ich sie lieben kann. Sie ist doch immerhin die Mutter meines Enkels. Aber es ist so schwer, seine Heimat zu verlassen und in ein entferntes, fremdes Land zu ziehen. Sie kennt dort weder die Kultur noch die Sprache. Der Kleine könnte sich schon eher eingewöhnen.«
Nashótá bekam ganz rote Wangen, als sie das Kind erwähnte.
»Nun nimmt eine andere Frau dich mir weg. Aber so ist der Lauf der Welt. Ich freue mich für dich.«
Gad schüttelte energisch mit dem Kopf.
»Shimá, niemals kann uns jemand trennen, das weißt du auch. Du wirst sehen, du bekommst eine Tochter! Nascha ist eine sehr liebe Person. Du wirst mir morgen recht geben.«
»Oje«, sagte sie lächelnd und nahm zitternd vor Glück ihr Handy aus der Tasche. »Dann will ich mal der Familie die große Neuigkeit erzählen. Rufe bitte deinen Vater an und bringe es ihm schonend bei. Nicht, dass er vor lauter Freude einen Herzanfall erleidet.«
Gad hatte die ganze Nacht kaum geschlafen. Die Worte seiner Großmutter kamen ihm wieder in den Sinn. Dass sie es gewusst hatte! In dieser kurzen Zeit, in der er hier war, war so vieles geschehen.
Nachdem er geduscht und gefrühstückt hatte, fuhr er los, um Nascha und Stevie abzuholen und um die beiden seiner Familie vorzustellen.
Schon als er in die schmale Straße einbog, sah er den kleinen Jungen, seinen Sohn, vor dem Haus hin- und herhüpfen. Er wäre Gad fast ins Auto gelaufen, so sehr freute er sich.
»Daddy!«, rief er laut und so wusste Gad, dass Nascha ihm bereits alles erzählt hatte. Der kleine Kerl flog in seine Arme, Gad setzte ihn auf seinen Nacken und ging galoppierend mit ihm zum Haus. Er küsste Nascha sanft auf den Mund und Stevie kicherte verschämt.
»Tja, mein Sohn, das machen Mami und ich nun öfter. Ist das für dich okay?« Stevie nickte und wollte sofort auf den Arm seiner Mutter. Oh weh, dachte Gad, hoffentlich wird er nicht eifersüchtig? Aber dann stellte Nascha ihn wieder auf seine Füße und holte den Blumenstrauß, den sie für Nashótá frisch gekauft hatte. Hand in Hand gingen die drei zum Auto.
Je näher sie der Wohnung von Gads Tante kamen, desto nervöser wurde Nascha. Als sie ausstiegen, wurde sofort die Tür aufgerissen und Nashótá begrüßte die beiden.
»Das ist mein Daddy«, sagte Stevie und alle lachten. Er musste diese große Neuigkeit erst einmal jedem erzählen.
»Ich weiß«, lachte Nashótá. »Du siehst genauso aus wie dein Daddy früher. Und ich bin deine Großmutter. Du darfst mich ,Oma‘ nennen, denn wir leben in Deutschland und da heißt eine Großmutter Oma. Magst du ein Eis?«
Was für eine Frage! Noch etwas schüchtern nickte er eifrig. Dann wurde Nascha in den Arm genommen und sie gefiel Gads Mutter auf Anhieb.
Auch Oteká nickte Gad anerkennend zu. Es wurde ein harmonischer Tag. Nascha konnte allerdings nicht viel mit Nashótá reden, denn diese war nur mit Stevie beschäftigt.
Am späten Nachmittag fragte Gad seine Mutter, ob sie auf Stevie aufpassen würde. Er wollte gerne mit Nascha zum Grab seiner Großmutter gehen. Stevie rebellierte zunächst, aber als Nashótá sagte, sie würde mit ihm zur Pferdekoppel gehen, blieb er dann doch da.
Nascha hatte sich ihr schwarzes, langes Haar zusammengebunden und mit einer silbernen Spange befestigt. Sie hatte sich ein dünnes Tuch um die Schultern gelegt, das sich leicht im Wind bewegte und die Haut durchscheinen ließ.
Schweigend gingen die beiden Hand in Hand zum Berg, wo der Steinhügel war. Sie setzten sich im Schneidersitz davor und Gad erzählte seiner Aní die wundersame Geschichte und stellte ihr Nascha vor. Er bat um ihren Segen und ihm fiel ein, dass er ihn eigentlich schon von ihr erhalten hatte.
Ein großer Adler kreiste über sie und hielt einen Zweig im Schnabel. Wahrscheinlich wollte er ein Nest bauen für seine Familie, so wie er selbst auch. Plötzlich erschraken beide, denn der Zweig fiel direkt vor das Grab der heiligen Frau. Gad nahm ihn und legte ihn vorsichtig zur Seite.
»Danke Aní«, sagte er. »Dieser Zweig wird ewig unser Talisman sein.«
Zu Nascha sagte er dann: »Ich werde dir nun erzählen, was sich an diesem Ort zugetragen hat. Wir wollen nicht mit Geheimnisse in unsere Beziehung gehen. Du sollst alles von mir wissen.«
Und dann erzählte er es ihr. Zunächst sprach er noch stockend, aber dann konnte er über das Geschehene fließend reden.
Als er zu Ende erzählt hatte, sah er, dass Nascha weinte.
»Oh Gad«, meinte sie, »ich bin so gerührt. Was hast du für Schlimmes erlitten, hier in diesem Steinkreis? »Sie wischte sich mit ihrem dünnen Schal eine Träne aus dem Gesicht.
»Denkst du, dass deine Großmutter uns hier sehen kann?«, fragte sie. Gad nickte eifrig.
»Da bin ich mir sehr sicher und ich spüre es direkt. Sie ist nicht fort. Sie ist nur nicht sichtbar für uns«, sagte Gad und legte seinen Arm um sie.
»Gad, glaubst du, dass auch mein Vater noch bei uns ist?«, fragte sie nun und sah ganz nachdenklich aus. »Ich spüre ihn auch so oft.«
Gad streichelte ihr Gesicht und sagte: »Die beiden werden noch für lange Zeit bei uns sein. Da ist es egal, wo wir sind, denn für sie existiert weder Zeit noch Raum.«
Stolz und verliebt gingen die beiden zurück. Stevie lag auf dem Sofa und schlief bereits. Nashótá konnte ihren Blick nicht von ihm wenden.
»Oh je, ist das ein schönes Kind«, sagte sie strahlend, als die beiden eintraten. Nascha freute sich, dass ihr Kind von der Familie so sehr geliebt wurde.
Sie verabschiedete sich dann bald und bat Gad, sie nach Hause zu fahren. Nashótá hätte ihr Enkelkind gerne bei sich behalten, aber sie widersprach nicht. Sie wusste, dass sie ihn nun noch oft sehen würde.
Gad fuhr die beiden zurück und nachdem sie Stevie ins Bett gebracht hatten, sagte er traurig, dass er und seine Mutter nun bald wieder nach Hause müssten. Sein Vater brauchte ihn in seinem Betrieb und Gad hatte bereits versprochen, dass er die Gärtnerei übernehmen würde. Das Arbeiten dort machte ihm Spaß und er wusste damals noch nicht, dass er zwei Menschen in den Staaten hatte, die ihm alles bedeuteten. Das Herz wurde ihm schwer, als er es ihr sagte. Doch dann hatte er eine Idee.
»Nascha, wie wäre es, wenn ihr beide, du und Stevie für ein paar Tage mit uns nach Deutschland fahren würdet? Ich kann hier so einfach nicht wegfahren und bleiben kann ich auch nicht. Du musst nun noch nicht antworten. Ich komme morgen Nachmittag wieder und frage ich dich noch einmal. Dann hast du etwas Zeit, es dir zu überlegen.«
»Ich brauche nicht zu überlegen«, sagte sie. »Drei Wochen Urlaub im Ausland wäre für mich hervorragend. Ich kann so ein wenig Abstand zu Daddys Tod und allem bekommen und ich freue mich. Aber ich werde den Flug selbst bezahlen, denn ich will nicht, dass du denkst, ich nutze dich aus!«
Gad nahm sie in die Arme und drückte sie ganz fest.
»Das würde ich niemals denken. Ich schulde dir noch viel Geld; nämlich den Unterhalt für mehrere Jahre. Bitte lass mich die Tickets kaufen. Sorge du nur für die nötigen Reisepapiere für euch beide.«
Nascha küsste ihn liebevoll und streichelte seinen Nacken. Natürlich blieb er wieder über Nacht. Nur einen kleinen Moment dachte er an seine Mutter, ob sie sich wohl sorgen würde, weil er nicht nach Hause käme. Aber dann vermutete er, dass sie es sich wohl denken könne, dass er bei Nascha bleiben wollte. Und er vermutete richtig. Nashótá ging zufrieden zu Bett und schlief sofort ein, mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen.
Am nächsten Morgen kam Stevie zu den beiden in Naschas ohnehin schon sehr kleines Bett. Aber irgendwie passte es doch!
Gad erklärte ihm, dass er und seine Mami mit ihm nach Deutschland fliegen und drei Wochen dort bleiben würden. Stevie blieb der Mund offen stehen.
»In ein echtes Flugzeug?«, fragte er staunend. Wenn das die Kinder im Kindergarten hören würden!
Stevie hatte auf einer Kirmes ein Stofftier gewonnen, das er unbedingt nach Deutschland mitnehmen wollte. Es war ein sitzender Hund, der über einen Meter groß war. Nascha erklärte ihm, dass der hierbleiben müsse und das Geschrei war groß. Gad war draußen und rannte ins Haus, weil er dachte, es sei etwas passiert. Unter Tränen und Schluchzen erzählte Stevie ihm, dass er den Hund mitnehmen wollte. Gad schmunzelte und nahm ihn in den Arm.
»Stevie«, sagte er, »Ich verspreche dir, dass du in Deutschland einen lebendigen Hund bekommst. Einen großen, so wie deiner und er ist ein lieber, treuer Hund. Stevie war begeistert. Den Stoffhund schenkte er Williams Kindern, denn er war der Meinung, dass er den Hund von Gad auch nach der Reise mit nach Hause nehmen durfte.