Читать книгу Shimasaní - Elisabeth Schmitz - Страница 12

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Gad blieb den Rest des Tages noch bei seiner Tante und deren Familie. Die fünf Kinder von Cathy waren nicht sehr umgänglich. Sie waren alle sehr verwöhnt und Gad fühlte sich hier nicht wohl. Er erzählte den Kindern Märchen, die er in Deutschland gehört hatte und sie hörten ihm zu. Er sagte ihnen, dass die Guten immer gewinnen und die Schlechten bestraft würden, so wie er es im Märchen von Hänsel und Gretel erzählt hatte. Die Kinder fanden es auch völlig richtig, dass die böse Hexe in den Ofen gestoßen wurde. Ihnen fielen noch viel mehr Strafen für das alte Weib ein und sie baten ihn, doch am kommenden Tag wiederzukommen. Er versprach es und fuhr am Nachmittag des nächsten Tages dorthin.

Er setzte sich auf die Stufen des weißen Hauses mit den zwei Säulen und Annie, die älteste Tochter von William und Cathy, setzte sich zu ihm. Sie fragte ihn, ob er noch mehr solcher guten Geschichten kennen würde und legte ihre Hand auf seinen Arm. Etwas ihm Unbekanntes durchströmte seinen Körper und er zog seinen Arm zurück. Was war das? Er schaute das Kind an und sah sie nur verschwommen.

»Annie«, fragte er, »geht es dir gut?«

Die 11-Jährige schaute ihn an und meinte: »Meinst du die Bauchschmerzen? Die gehen immer wieder weg; das ist nicht so schlimm. Mama sagte, dass Mädchen, die so alt sind wie ich, das haben.«

Gad hätte das Kind gerne noch einmal berührt, traute sich aber nicht. Er sagte ihr, dass er viele solcher Märchen und Lieder kennen würde.

»Komm mal mit«, sagte er und nahm sie bei der Hand. Da war es wieder, dieses Gefühl, und wieder schien sie sich aufzulösen.

Er ging mit ihr ins Haus und fragte, ob noch jemand ein Märchen hören möchte. Alle waren bereit und Gad bat jedes Kind, ihm die Hand zu geben als Versprechen, dass sie leise zuhören würden. Nein, bei keinem der vier anderen Kinder war dieses eigenartige Kribbeln zu spüren. Nur bei Annie war es so.

Gad blieb noch eine Weile im Haus sitzen, als die Kinder schon wieder nach draußen gegangen waren, um zu spielen. Er überlegte, was er tun sollte und spürte deutlich, dass mit Annie etwas nicht in Ordnung war. Wenn es allerdings wirklich nicht schlimm war, würde man sicherlich über ihn lachen und ihn nie mehr ernst nehmen. Anderseits wäre es fatal, wenn das Kind sehr krank werden würde und er es nun spüren konnte. Was sollte er nur tun?

Nashótá trat ins Haus, weil sie Gad suchte. Sie bemerkte sofort, dass ihren Sohn etwas belastete.

»Gad, worüber grübelst du?«, fragte sie ihn. Und dann erzählte er ihr von seinem Eindruck, dass Annie eventuell krank sei.

Nashótá stand auf und verließ schnell das Haus. Sie ging zu ihrer Schwester und berichtete ihr von dem Verdacht ihres Sohnes. Oteká war sehr erschrocken, denn sie wusste, dass ihre Mutter auch immer spürte, wenn etwas nicht stimmen würde.

Nashótá ging mit ihrer Schwester zu deren Tochter Cathy und bat sie, doch sofort mit ihrer Tochter zu einem Arzt oder noch besser, in die Klinik zu fahren. Sie rief Annie, die widerwillig angetrottet kam. Cathy lachte laut.

»Mutter, Annie hat nichts. Glaube doch nicht diesen Unsinn. Schau sie dir doch an, alles ist in Ordnung.« Sie bemerkte nun allerdings, dass ihre Tochter doch etwas blass ausschaute.

»Na gut«, meinte sie. »Du lässt ja doch keine Ruhe.«

Schnell wusch sie ihre Tochter und fuhr mit ihr davon. Die Klinik war eine Stunde entfernt und Cathy meinte, dass es ein großes Donnerwetter geben würde, wenn sie wieder zu Hause wäre. Annie bemerkte, dass ihre Mutter nervös war und wollte partout nicht mitkommen.

»Verdammt noch mal, mach jetzt nicht so einen Aufstand«, schrie sie das verstörte Mädchen an. Wieso hatte sie sich bloß darauf eingelassen? Sie war völlig überzeugt, dass ihre Tochter gesund sei.

Auf dem Weg ins Krankenhaus sprach Annie kaum ein Wort. Cathy hing ihren Gedanken nach und war stinksauer, dass sie auf ihre Mutter gehört hatte. Sie hatte noch so vieles zu erledigen und fuhr nun mit ihrer Tochter -warum auch immer- in die Klinik. Nur weil dieser Deutsche es gesagt hatte!

Als sie fast beim Krankenhaus waren, hörte sie, dass ihre Tochter stöhnte und sah, dass sie sich den Bauch hielt.

»Was hast du?«, fragte sie ängstlich.

Die Bauchschmerzen wurden bei Annie immer schlimmer und Cathy fuhr, so schnell sie nur konnte. Eine Polizeistreife verfolgte sie, aber Cathy hielt nicht an. Sie raste in hohem Tempo weiter, bis die Polizei ihren Wagen blockierte und sie zwang, sofort zu stoppen. Sie schrie die beiden Polizisten an, dass etwas mit ihrer Tochter wäre.

»Bitte, lassen Sie uns doch weiterfahren«, bat sie mit weinerlicher Stimme. Ein Blick auf das Kind genügte dem Polizisten. Ein stämmiger, farbiger Sergeant nahm das Kind auf den Arm und trug es in das Polizeifahrzeug.

Sofort fuhr der Kollege los und Cathy startete mit zitternden Händen ihren Chevy. Als sie in der Klinik ankam, erfuhr sie, dass Annie bereits im OP war. Ihr Blinddarm war kurz vor dem Durchbrechen gewesen und sie hätte keine Minute später sein dürfen, dann hätte das Kind es womöglich nicht geschafft.

Weinend rief Cathy ihre Mutter an und dankte ihr. Dann wählte sie die Nummer von William und bat ihn, schnell zu ihr zu kommen.

Shimasaní

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