Читать книгу Shimasaní - Elisabeth Schmitz - Страница 9
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Der Tag der Reise kam schnell. Uwe war traurig, denn es fiel ihm immer noch schwer, wenn seine Frau für mehrere Tage von ihm getrennt war. Aber er sah ein, dass Gad und er nicht gleichzeitig von der Gärtnerei fortbleiben konnten. Deshalb brachte er die beiden zum Flughafen und schaute ihnen so lange nach, bis das Flugzeug nicht mehr zu sehen war.
Gad sprach auf dem Flug nicht viel. Seine Shimá, seine Mutter, war ebenfalls in sich gekehrt. Jeder hing seinen Gedanken nach, denn beide dachten an die alte Frau, die nun wohl bald in die Alte Heimat zurückkehren würde. Sie war bereits drei Mal auf den Berg gestiegen und alle wussten, dass sie beim vierten Mal nicht wieder herabsteigen würde.
Die Stewardess kam und fragte Frau Hallga, ob sie etwas trinken möchte. Sie bestellte sich ein Wasser und ebenfalls eines für Gad.
»Was denkst du?«, fragte er seine Mutter, »wird sie es eventuell noch einmal schaffen? Es ist so schwer für mich, wenn ich sie verlieren würde.«
Nashótá nahm seine Hand und meinte: »Du weißt es doch. Wenn sie ein viertes Mal auf den Berg steigt, dann nimmt die Große Göttin sie zu sich. Es ist so richtig, denn alles ist vorherbestimmt und alles kommt, wie es kommen soll. Vieles verstehen wir heute nicht, denn die Antwort liegt in der Zukunft. Bei ihr und auch bei uns.«
»Ja«, meinte Gad und lächelte wieder. »Ich weiß es, aber ich fühle mich so mit Aní verbunden. Sie hat mir schon vieles beigebracht. Eure Sprache könnte ich heute noch nicht, wenn sie es mir nicht richtig eingetrichtert hätte. Ich liebe diese kleine Frau über alles.«
Wieder nahm Nashótá die Hand von Gad.
»Und sie liebt dich, mein lieber Sohn. Mehr als sie jemals einen anderen Menschen geliebt hat. Das hat sie mir einmal gesagt. Als du in Grants geboren wurdest, nahm sie dich und legte dich auf die Mutter Erde. Es sei die wahre Mutter, meinte sie. Sie sang laut ihre Weisen und du weintest im Takt dazu. Ich denke, dass der Einklang zwischen euch beiden in diesem Moment entstanden ist. Sie hat niemals gesagt, dass sie eine Schamanin ist, aber ich denke, sie ist eine. Schamanin ist eigentlich nicht das richtige Wort, denn Heilige, das wäre die richtige Übersetzung. Allerdings kennen alle sie als Schamanin. Sie hat immer nur geholfen, ich kenne sie gar nicht anders.«
»Das stimmt«, meinte Gad, »das hat sie. Sie ist wirklich eine Heilige. Wir wollen froh sein, dass wir sie so lange haben durften. Freust du dich, dass du nach Hause kannst?
»Ja«, sagte sie, »du weißt, dass ich immer Heimweh habe. Nicht nach dem heißen Land, wo alles so karg ist. Ich sehne mich nach meiner Shimá-Mutter und auch nach meiner Schwester, aber nach ihr nicht so sehr. Ohne meine Shimá ist alles nicht mehr so wie vorher. Oteká ist zwar meine Zwillingsschwester, aber sie ist so anders als ich. Sie konnte schon als junges Mädchen nicht arm sein. Darum hat sie auch so schnell geheiratet. Nun hat sie eine Tochter und die denkt so wie sie. Färben sich die Haare, nur damit niemand ihre nativen Wurzeln sieht. Verstehen kann ich sie ja, denn als Diné hat man es nicht leicht in den Staaten.
Aber glaube mir, ich hätte deinen Vater niemals geheiratet, wenn ich ihn nicht geliebt hätte. Das wäre schlimm gewesen, denn dann hätte ich nicht mehr zum Stamm gehört. Damals war es noch so, dass man befohlen bekam, wen man heiratete. Meistens hielten sich aber die Häuptlinge daran, dass die Mädchen den bekamen, den sie auch geliebt haben. Sie schauten nicht auf reich und schön, alle waren gleich und ihre Töchter sollten glücklich werden. Aber in diesem Fall hätten sie es mir befohlen und ich hätte es nicht getan. Nun bin ich froh, dass ich Uwe geheiratet habe. Er ist ein guter Mann und ohne ihn hätte ich dich nicht bekommen. So ist alles richtig! Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich habe. Es hat sich erst in der Zukunft gezeigt, dass dieser Weg der richtige war.«
Gad nahm sie in den Arm und sagte: »Ich habe die beste Mutter der Welt und ich bin stolz, dass ich zum Stamm der Diné gehören darf. Ich bin viel mehr ein Navajo als ein Deutscher.«
»Ja«, sagte Nashótá, »das weiß ich und ich habe es immer gefühlt. Lass uns nun ein wenig schlafen, denn ich leide immer so unter der Zeitverschiebung. Wir müssen unsere Uhren ja um acht Stunden zurückstellen. Da ist es besser, wenn wir ein wenig vorschlafen.«
Beide kannten das Geheimnis, sich schnell in den Schlaf begeben zu können und so schliefen sie im Handumdrehen ein.
Als sie in Albuquerque ankamen, war es wunderbares Wetter. Nicht zu heiß, nicht zu kalt und die Sonne schien vom Himmel. Dreimal mussten sie umsteigen, seit sie von Frankfurt vor 16 Stunden abflogen. Nun waren beide froh, dass sie endlich Navajo-Boden unter den Füßen hatten.
Sie gingen in die Flughafenhalle, wo sie ihre Koffer holten. Gad kaufte für sich und seine Mutter etwas zu trinken. Obschon hier das Land der Diné war, schauten die weißen Menschen die beiden ablehnend an. Aber das kannten sie ja! Gad machte sich immer einen Spaß daraus und rief seiner Mutter laut etwas auf Deutsch zu und sie antwortete ihm auch so. Sofort änderten sich die Mienen der hiesigen Leute und sie lächelten die beiden an. Gad schüttelte den Kopf. Beklopptes Volk, dachte er.
Als sie vor die große Halle traten, atmete Nashótá tief durch. Hier war sie zu Hause. Ab jetzt würde sie nur noch die Sprache der Navajo sprechen, also Diné.
Sie mussten noch etwas warten, denn Gad hatte beschlossen, mit dem Bus die Route 66 bis nach Grants zu fahren, damit Nashótá viel von ihrer Heimat sehen konnte. Mit dem Flieger wäre es schneller gegangen, aber so konnte seine Shimá sich besser daran gewöhnen, dass sie nun bald wieder zu Hause war.
Viel zu sehen gab es nicht auf dieser Route, aber Nashótá schaute immer verklärt auf die karge Gegend.
»Sieh mal, Gad, hier hat dein Vater gearbeitet, als wir uns kennenlernten«, sagte sie wie immer, wenn sie hier entlang fuhren.
»Ja«, lachte Gad, »ich weiß es. Ihr beide erzählt es immer wieder.« Er wusste, dass sie es bei der nächsten Reise wieder sagen würde und grinste in sich hinein.
Sie fuhren 130 km im klimatisierten Bus und wurden in Grants von William mit dem Auto abgeholt. Gad mochte seinen angeheirateten Vetter nicht besonders, aber er akzeptierte ihn. William wusste alles und konnte auch alles. Otekás einzige Tochter Cathy war ihm hörig und redete auch mit ihrer Mutter nur englisch.
Die beiden Zwillinge Nashótá und Oteká sahen sich sehr ähnlich, aber irgendwie auch wieder nicht. Wie sehr doch eine Haarfarbe und Make-up einen Menschen verändern können. Meine Mutter würde sich niemals die Haare färben, dachte er. Dennoch konnte jeder sehen, dass die beiden Frauen Schwestern waren. Bei Cathy konnte man die Diné nicht mehr erkennen und sie war froh, dass ihr verstorbener Vater ein Weißer gewesen war.
Gads Oma Shimasaní sagte nicht viel, als Gad und Nashótá in ihrer Hogan ankamen.
Das Leben der Navajo spielte sich stets in und um ihre Hogans ab. Die achteckigen Häuser waren fensterlos und aus Holz, Reisig und Lehm gebaut. Der Eingang war nach der aufgehenden Sonne ausgerichtet. In der Mitte des Raumes war eine Feuerstelle und durch ein Loch im Dach konnte der Rauch abziehen.
Im Hogan war es im Sommer wunderbar kühl und im Winter gemütlich warm. Wie Speichen legten sich die Bewohner der Hütte um das Feuerloch.
Gad kannte das und platzierte seinen Rucksack mit dem Schlafsack schon mal dort.
Es gibt in New Mexico auch moderne Hogans, achteckige Blockhütten mit einem Kuppeldach. Sie sind geräumiger als die alten Hogans, aber nach derselben Struktur gebaut, dachte Gad. Wie gerne hätte er so einen gehabt!
Der Hogan von Gads Shimasaní war nur spärlich eingerichtet. Der größte Teil der kleinen Hütte nahm ein Regal mit Dosen und Flaschen ein. Sie sagte, es sei ihre Apotheke und Gad musste an Tina denken. Sie hatte auch eine Apotheke mit Heilkräutern und half ebenfalls selbstlos allen Menschen.
Wenn ein Navajo starb, dann wurde ein Loch in die Hütte geschlagen und die Leiche dort hinausgetragen. Danach zündete man den Hogan an. Allerdings kam dieses nur vor, wenn eine Person in der Hütte starb. Starb ein Mensch außerhalb seines Hogans, konnte die Hütte vermietet oder verkauft werden, wenn die Angehörigen sie nicht behalten wollten. Gad durfte gar nicht daran denken, dass seiner Shimasaní so etwas passieren konnte.
Die Augen der alten Frau blitzten, als sie Gad sah und es erschien ihm, dass sie bis in sein Herz schauen würde.
Gad hockte sich vor seine Großmutter und meinte: »Aní, ich freue mich, dass ich dich sehe und du hier sitzt, wie zu jeder Zeit.«
Er nahm ihre knorrigen Hände in seine und drückte diese.
»Gad«, sprach sie in der Sprache der Diné, »es ist gut, dass du jetzt hier bist. Ich musste so lange warten. Du wirst es bald verstehen.«
»Aní«, sagte Gad leise, »es kommt, wie es kommen soll. Wir müssen es annehmen, wie es vorherbestimmt ist und danach geht es immer weiter.«
»Wahre Worte, mein lieber Junge«, sagte die alte Frau.
Shimasaní setzte sich aufrecht und bat Gad, ihr aufmerksam zuzuhören. Sie wollte ihm etwas über ihren Stamm erzählen und es wäre wichtig, dass er es wisse.
»Aní«, meinte Gad, »du hast es mir doch schon so oft erzählt. Ich weiß doch schon alles.«
Liebevoll sah er seine Großmutter an. Doch diese beharrte darauf, dass Gad ihr zuhörte. Alle anderen Besucher, auch einige von ihrem Stamm, setzten sich im Kreis dazu, denn sie lauschten ebenfalls gerne den Erzählungen der heiligen Frau. Sie erzählte in einer Art Sing-Sang: monoton und immer mit der gleichen Betonung.
»Die Diné sind entstanden aus mehreren Welten. Luft-Geist-Leute waren im Inneren der Erde und arbeiteten sich schichtweise weiter nach oben und wurden so zu Menschen. Die weibliche Frau, sie war es, die auch die Geschlechtsteile erfand. Die Frau war immer diejenige, die das Sagen hatte, denn sie brachte die Ernährer des Volkes hervor.
Wie es auch heute noch ist, so war es auch schon damals, dass die Menschen sich nicht verstanden und sich Ungeheuer bilden konnten. Erst durch die Vereinigung eines weiteren Paares, der Sich-wandelnden-Frau mit dem Sonnenmann und von der Muschelfrau und der-sich-Wandelnden entstanden zwei Söhne, die sich daran machten und die Ungeheuer töteten. So konnte unser Volk entstehen. Immer wird der Nachname der Frau weitervererbt.
Ich finde deinen Namen Hallga nicht gut, denn es ist der Name deines Vaters, Gad. Dein Vater hätte zu seiner Frau ziehen müssen, so steht es geschrieben. Und du musst später zu deiner Frau ziehen. So war es schon immer.«
Gad streichelte über den Arm der knochigen Frau
»Aber Aní, man hat es dir doch immer wieder erklärt, dass es in dem Land, wo ich wohne, anders war. Immer bekam die Ehefrau den Nachnamen ihres Ehemannes und dieser hatte auch das Sagen in der Familie. Nun, das war bei uns schon immer anders. Meine Shimá, deine Tochter, sagte immer, wo es lang ging. Heute kann die Familie auch den Nachnamen der Ehefrau bekommen. Man kann es wählen, so steht es bei uns geschrieben.«
Die alte Frau erzählte weiter: »Durch vier Schichten der Erde mussten wir kommen. Erst auf der fünften Ebene waren wir hier. Wir alle sind keimende Samen, denn wir sind doch aus Maiskolben entstanden. Jedes Lebewesen hat eine innere und eine äußere Form, die immer wieder in Harmonie und Gleichgewicht gebracht werden mussten. Daher musste die innere Form sich mit Sa’ah Naaghaii vereinen und die äußere dasselbe mit Bik’eh H-zh versuchen.«
Die monotone Stimme der kleinen Frau versetzte jeden in eine Art Trance. Niemand verstand, was sie meinte, aber alle nickten, wohl wissend.
Darum fuhr sie mit monotoner Stimme fort: »Besonders wichtige Gottheiten sind Asdzáá Nádleehé, das ist Sich-wandelnde Frau und Mutter Erde, die schön, immer jung und großzügig ist und über das Wohlergehen des Volkes wacht. Als sie noch ein Baby war, wurde sie von Altsé Hastiin, das ist Erster Mann und Altsé Asdzaa, Erster Frau, gefunden. Das Baby lag in einer von Göttern geschaffenen Wiege auf einem heiligen Berg und innerhalb von vier Tagen wuchs Sich-wandelnde-Frau zur gereiften Frau heran. Sie war es, die den Navajo erklärte, wie sie ihr Leben in Übereinstimmung mit der Natur gestalten können.«
Niemand verstand sie, aber wieder nickten alle wissend. Nun wurde ihre Stimme etwas lauter.
»Gad, geh auf die Diné-Universität und lerne unsere Sprache richtig. Es ist wichtig, dass du sie sprechen kannst. Du brauchst nicht sehr lange, denn du verstehst bereits alles. Oder rede mit deiner Mutter nicht in dieser schrecklichen deutschen Sprache, die so hart klingt. Rede mit ihr in unserer Sprache.«
Und wieder nickten alle.
Dann bat die alte Frau ihre Tochter, ihr eine Schüssel mit Wasser zu bringen. Sie wusch sich darin ihre Hände sehr ausgiebig und legte sie auf den Kopf ihres Enkels. Gad wunderte sich, ließ sie aber gewähren. Sie stand hinter ihm und war im Stehen nicht viel größer als er im Sitzen. Sie murmelte Worte, die niemand verstand und fiel dann in Trance. Immer wieder rief sie das Gila-Monster an und plötzlich fingen ihre Hände an zu zittern. Immer stärker wedelten diese Hände und Gad wollte sie aus der Trance lösen, aber sofort hielten ihn alle davon zurück und starrten ihn böse an. Gad wusste, dass seine Großmutter die Macht besaß, Kranke durch das Handzittern zu heilen. Aber er war nicht krank und verstand nicht, weshalb sie es nun bei ihm durchführte.
Doch schon bald erfuhr er, dass durch das Handzittern auch die Zukunft vorher gesagt werden konnte.
»Du wirst bald eine Frau heiraten. Nicht die, die du jetzt liebst. Aber du wirst sie achten, ihr immer ein guter Ehemann sein und sie erst viel später zu lieben lernen. Die Frau, die nun dein Herz besitzt, gehört einem anderen Mann. Du wirst mit ihr in Kontakt bleiben, aber immer nur als guter Freund. Dieses ist manchmal mehr als Liebe, die vergehen kann.«
Und wieder nickten alle und murmelten Zustimmung.
»Du wirst Ehre und Ansehen erhalten. Beschäftige dich nur mit denen, die an dich glauben, denn andere können dir schaden.
Du wirst Nahtod-Erfahrende Hoffnung geben, wo andere keine mehr haben.
Du wirst niemals einsam sein, denn du bist immer mit der Natur verbunden.«
Wieder murmelten alle anerkennend.
Gad hatte seine Großmutter noch nie so viel reden gehört.
Er fragte sie: »Aní, woher weißt du von Tina? Ich verehre diese Frau, denn sie hat ein großes Herz.«
Er hatte manches in der Navajosprache Diné gesprochen, aber es kamen immer englische Worte dazwischen. Die alte Frau schwieg eine Weile und Gad störte sie nicht.
»Du wirst verstehen«, sagte sie.
»Du wirst auch verstehen, dass ich weiß, dass diese Frau ein Kind gebären wird und sie benötigt deine Hilfe. Wir beide werden uns wiedersehen. Die Zeit ist noch nicht da, aber du wirst es später verstehen.«
Wieder murmelten alle, die sich mit ihnen versammelt hatten.
»Wenn sie es sagt, dann ist es so«, meinte einer, den Gad nicht kannte und alle stimmten zu.
»Morgen ist der vierte Tag«, sagte Shimasaní. »Gad, ich möchte, dass du mich auf den Berg begleitest.«
»Ich werde dich begleiten«, sagte Gad ahnungsvoll. »Wie lange werden wir bleiben?«
Wieder schaute die alte Frau den jungen Mann lange an.
»Solange es dauert«, meinte sie und ging in ihren Hogan.
Shimasaní stand am folgenden Tag früh auf und besah noch einmal die Gegend, in der sie lebte. Sie setzte sich im Schneidersitz vor ihre Hütte und wartete geduldig darauf, dass auch die anderen aufstanden. Alle Angehörigen hatten sich wie Speichen eines Rades um die Feuerstelle in dem Hogan von Shimasaní gelegt und nun, wo die Sonne in den Eingang schien, erwachten alle.
Wie wunderbar doch der Sonnenaufgang in der Tür der Hütte zu sehen war! Gad blieb noch etwas liegen und sah zum roten Himmel, der so langsam das Dunkel vertreiben wollte. Es ließ sich jetzt schon erahnen, dass es ein sonniger Tag werden würde, denn die Sonne blitzte bereits golden durch das Morgenrot. Ein buntes Farbspektakel bildete sich am Himmel und Gad stand auf. Er trat vor die Tür, um diesen wunderbaren Moment in sich aufzunehmen. Gad war es nicht mehr gewohnt, auf dem sandigen Boden zu schlafen und reckte seinen Körper, damit sich alles wieder einrenkte.
Nashótá sah liebevoll zu ihm herüber und war stolz, dass dieser junge Mann ihr Blut in seinen Adern hatte. Unbewusst ließ er seine Muskeln spielen und sein gebräunter Körper strotzte vor Manneskraft. Eine dunkle Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht und er fuhr sich mit den Fingern über den Kopf, damit sie wieder dorthin kam, wo sie hinsollte. Allerdings hatte er keinen Erfolg, denn sobald er seinen Kopf etwas senkte, fiel sie ihm wieder vor die Augen.
In der Nähe befand sich ein Brunnen, wo Gad sich waschen konnte. Hier befeuchtete er seine Haare und endlich blieben sie dort, wo er sie haben wollte.
Als er zurückkehrte, waren, wie von Zauberhand, wundervolle Speisen von jungen Frauen gebracht worden. Bewundernd schauten sie zu Gad herüber und wünschten sich, dass er sie bemerken würde. Er hatte allerdings nur Augen für seine Shimasaní.
Alle ließen sich viel Zeit. Sie lachten und erzählten von früher. Als zwei Frauen in bunten, selbst gewebten Gewändern alles wieder wegräumten, stand Shimasaní auf und bat Gad, mit ihr zu kommen.
»Wohin gehen wir?«, fragte er gut gelaunt.
»Du wirst es bald sehen«, antwortete die alte Frau. »Sehr bald. Es ist der vierte Tag.«
Gad stand auf, nahm seine Wasserflasche und den Rucksack und wartete auf Shimasaní. Es kamen einige Menschen, die sich vor ihr verneigten. Manche weinten und Shimasaní streichelte ihnen über das Haar.
Sie ging zu ihren beiden Töchtern und sprach mit ihnen. Beide weinten und in Gad kroch eine schlimme Ahnung hoch. Sollte er seine Großmutter auf einen Berg führen und sie dann dort einfach so sterben lassen? Nein, das würde er mit Sicherheit nicht tun. Alle sollten bei ihr sein und sie hinübergeleiten in das neue, gelobte Land.