Читать книгу Shimasaní - Elisabeth Schmitz - Страница 5
ОглавлениеProlog
Es war brütend heiß. Die rote Erde schien zu kochen. Die Schamanin Shimasaní hockte vor ihrem Hogan, der achteckigen Hütte, die typisch für das Volk der Navajo war. Sie saß im Schatten und ließ farbigen Sand auf ein Brett rieseln, denn sie stellte ein Sandbild her. Es war ein Geschenk für die Alte Göttin, die sie verehrte und mit der sie sich gerne unterhielt.
Shimasaní saß bereits eine ganze Weile dort und von ihr ging unendlicher Friede aus. Der farbige Sand rieselte durch die knochigen Finger der alten Frau und traf zielgenau die Stelle auf der Unterlage, wo er hin sollte. Sie summte leise ein Lied, das sie in Trance zu versetzen schien, denn es waren immer die gleichen Töne und immer der gleiche Rhythmus. Das Bild war wunderschön anzusehen und Shimasaní war zufrieden. Sie hob ihre Hände zum Himmel und sang mit einer mystischen, melodischen Stimme ein Lied.
Ein Auto war angekommen, was Shimasaní jedoch nicht zu bemerken schien. Eine Frau stieg aus dem blauen Kleinwagen aus und schaute einige Zeit zu der alten Frau herüber. Man sah ihr an, dass sie überlegte, ob sie die Heilerin nun ansprechen sollte oder nicht.
Shimasaní hörte mit dem Singen auf und zerstörte das gerade fertig gestellte Sandbild. Es wurde immer so gemacht, denn das Opfer an die Alte Göttin musste am selben Tag erfolgen, wo es auch gefertigt wurde. Dann aber trat die Frau, die ca. 40 Jahre alt zu sein schien, zu ihr und unterbrach sie in ihrem Tun. Sie bat die Schamanin, mit ihr zu ihrem schwerkranken Mann zu kommen. Die Ärzte hatten ihn aufgegeben und ihr gesagt, nun könne nur noch ein Wunder helfen.
Shimasaní sagte kein Wort. Sie wischte noch einmal über das Bild, damit auch wirklich nichts mehr davon zu erkennen war und stand auf. Sie nahm einen knorrigen Ast, der ihr als Gehstock diente. Noch etwas steif vom stundenlangen Sitzen vor der Hütte, lief sie leicht gebückt zu dem Auto, mit dem die Frau gekommen war. Auch während der Fahrt sprach sie nicht. Sie spürte, dass sie der Frau merkwürdig erschien, aber es interessierte sie nicht.
Etwa eine halbe Stunde dauerte die Fahrt zu dem kranken Mann. Als sie dort ankamen, bat Shimasaní darum, ihr einen Spaten hinter das Haus zu stellen. Sofort ging der Sohn hinaus und stellte einen sichtbar an die Hausmauer.
Shimasaní ging zu dem kranken Mann, den man ihr als Arthur Storm vorstellte und schaute ihm lange Zeit in die Augen. Sie ging danach hinaus und sammelte auf der nahen Wiese einige Kräuter, die sie in ein Leinensäckchen legte, das sie um ihre Hüften gebunden hatte.
Langsam und gebrechlich ging sie wieder ins Haus zu dem Kranken. Sie breitete die frischen Pflanzen auf dem heißen Körper des Mannes aus und sang leise eine ihrer Heilweisen. Sie nahm ihren Gehstock und stampfte damit im Takt ihres Gesangs auf den Boden. Dann öffnete sie erneut ihren Leinenbeutel, entnahm ihm einige Blüten und legte sie dem Kranken auf die Füße. Sie sang immer weiter und ihre Finger begannen zu zittern. Immer schneller flatterten sie über den Körper des kranken Mannes und nach und nach wurden alle Kräuter pechschwarz und trocken.
Immer wieder legte sie Heilpflanzen auf die heiße Haut des Todkranken, die erneut schwarz wurden.
Die Anspannung bei den Angehörigen stieg aufs Äußerste. Shimasaní ging erneut auf ihren Stock gestützt hinaus und holte neue Kräuter. Der Sohn des Kranken begleitete sie und fragte, ob sein Vater gesund werden würde. Shimasaní blieb stehen und sah ihn an.
»Wenn die Göttin es will, dann wird es geschehen. Ihr müsst es glauben und nicht zweifeln. Lass deinen Verstand nicht Besitz nehmen von deinem Körper. Es kommt, wie es kommen soll, denn alles ist vorherbestimmt. Ich kann bitten, dass er gesund wird und denke, dass die Göttin freundlich gestimmt ist. Lass uns gehen und rede nicht mehr darüber. Es geschieht, wie es soll.« Sie gingen wieder zu dem Kranken und sie wiederholte das Ritual so lange, bis die Pflanzen nicht mehr schwarz wurden, sondern grün blieben.
Als die Ehefrau des kranken Mannes den schwarzen Haufen verdorrten Krautes entsorgen wollte, hielt Shimasaní sie zurück.
»Fass sie nicht an! Auf gar keinen Fall!«, rief sie und sammelte selbst die schwarzen Kräuter ein. Sie stopfte sie wieder in das Leinensäckchen und ging erneut mit dem Spaten auf die Wiese. Mühsam grub sie ein Loch und vergrub das schwarze Kraut sofort. Sie sang ein bittendes Lied und hob ihre knochigen Hände zum Himmel.
Völlig erschöpft von der Zeremonie bat Shimasaní nur noch, sie nach einer Woche wieder abzuholen. Sie wolle den Kranken dann noch einmal sehen und schauen, ob sie noch weiteres zu tun hätte. Nun möge man sie nach Hause bringen.
Der Sohn des Kranken brachte ihr ein Glas Wasser, das sie dankend annahm. Nun wollte sie nur noch zu ihrem Hogan. Als sie dort ankam, legte sie sich sofort auf den Sandboden und schlief umgehend ein.
Eine Woche später kam die Frau mit dem blauen Pkw erneut zu Shimasaní, die wieder im Staub vor ihrer Hütte saß und in die Ferne schaute. Sie reagierte nicht auf das Kommen der Frau, sondern beobachtete einige Vögel, die durch die Luft flogen. Frau Storm stockte plötzlich der Atem! Sie sah, wie eine Schlange, offensichtlich eine giftige Coral Snake, direkt auf Shimasaní zuschlängelte. Gerade, als die Besucherin etwas sagen wollte, erhob Shimasaní eine Hand und sprach die Klapperschlange an. Es sah aus, als ob die beiden miteinander spielen würden. Die Schlange erhob sich in die Luft und rasselte laut mit ihrem Schwanz. Dann senkte sie sich wieder und kroch davon.
Laut hörbar atmete Frau Storm aus, sagte aber nichts dazu.
Ohne ein Wort des Grußes kniete sich die Frau vor Shimasaní und küsste ihre Hände. Tränen liefen an ihren Wangen herunter und sie wollte anfangen, etwas zu sagen.
Shimasaní gebot ihr jedoch Einhalt und sagte: »Schweig! Ich mache mir mein eigenes Bild.«
Sie sagte es in der Sprache der Diné. Die Ehefrau des Kranken wunderte sich nun nicht mehr über das brüske Verhalten der Heilerin und bat Shimasaní, doch jetzt mit ihr zu kommen.
Wie beim letzten Mal ging sie, gestützt auf ihren Ast, geradewegs zu dem Fahrzeug. Sie sagte niemandem Bescheid, ließ alles so liegen, wo es lag und stieg in den Wagen.
Unterwegs fragte Frau Storm dann aber doch nach dem seltsamen Verhalten der gefährlichen Schlange.
Shimasaní sah sie verständnislos an und meinte: »Warum habt ihr Furcht vor den Tieren? Ihr fürchtet sie, sie fürchten euch und das ist nicht logisch. Alle Wesen sollen sich die Erde teilen und jeder ist dem anderen gegenüber verantwortlich. Keine einzige Kreatur ist der anderen übergeordnet. Wir sollten alle respektvoll miteinander umgehen. Diese Schlange tötet nur, wenn sie etwas fressen will oder wenn sie sich bedroht fühlt. Sie schlingt ihre Beute immer im Ganzen herunter und somit ist der Mensch nicht ihr Futter. Halte Abstand und sie wird dir nichts tun.
Wenn wir alle Wesen respektieren, dann ist die Erde gut. Es gibt Tiere, die opfern ihr Leben für uns und diese sollten wir besonders ehren. Es ist mir nicht klar, warum wir unsere Nutztiere so schlecht behandeln. Sie geben uns das Wichtigste, das sie haben: ihr Leben. Und wir töten sie, obwohl wir es nicht müssten, denn alles ist im Überfluss vorhanden. Pflanzen werden gepflückt und weggeworfen, ohne vorher genutzt zu werden. Das ist widersinnig und nicht im Sinne der Alten Göttin, glaube mir.« Sie redete noch eine Weile weiter über dieses Thema, bis sie das Haus der Storms erblickten.
Als Shimasaní den Schlafraum des Kranken betrat, bemerkte sie sofort, dass es ihm viel besser ging und er geheilt war.
Er fragte, was er zu zahlen habe, aber Shimasaní sagte nur: »Opfere der Alten Göttin Mehl und Zuckerrüben. Nicht ich habe dich geheilt, sie war es!«
Immer, wenn jemand Shimasaní nach ihrem Alter fragte, antwortete sie: »Ich bin hundert Jahre auf dieser Erde.« Das sagte sie allerdings schon seit einigen Jahren, denn ihr genaues Alter kannte sie wohl nicht.
Sie war schon seit langer Zeit eine Schamanin und lebte in einem Vorort von Grants in New Mexico. Der Hogan war ihr Zuhause und hier webte sie trotz ihres hohen Alters wundervolle Teppiche. Ihre Sandmalereien waren bei den Touristen beliebt, aber niemals hatte sie eine verkauft. Immer waren es Opfer für die Alte Göttin. Wenn Zuschauer dort waren, schauten sie entsetzt zu den wunderschönen Bildern, die nun wieder zerstört wurden.
Shimasaní war nie aus ihrer Heimat fortgekommen, konnte aber Bilder vom Ozean mit untergehender Sonne oder die afrikanische Wüste mit dem Sand malen. Wenn man sie fragte, woher sie wisse, wie eine Giraffe aussah, zuckte sie lediglich mit den Schultern. Sie war als Heilerin bekannt und die Menschen kamen zu ihr, um sie um Hilfe zu bitten. So wie es auch die Familie Storm getan hatte.
Der geheilte Mann erzählte freudig überall von dem großen Wunder, das ihm widerfahren war.
Er schickte eine Schwerkranke aus seinem Ort zu Shimasaní, aber bei dieser Frau lehnte die Heilerin die Behandlung ab. Die Geistfrau gestatte ihr das Ritual nicht, meinte sie. Der Platz in der Anderswelt wäre frei und Susan Wilder müsse gehen. Sie gab der Frau lediglich einige Kräuter zur Schmerzlinderung und kümmerte sich nicht weiter um sie.
Die Angehörigen der Kranken wurden böse und versuchten mit allen Mitteln, dass der Frau geholfen werde. Sie boten Shimasaní viel Geld, sie bedrohten sie und bettelten. Aber Frau Wilder starb kurz darauf, denn Shimasaní war es nicht erlaubt, hier einzugreifen.
Die Familie der Verstorbenen zeigte Shimasaní daraufhin wegen Körperverletzung mit Todesfolge an. Sie sei mitschuldig am Tod der Frau, da sie ihr Kräuter gegeben habe, woran die ohnehin schon schwache Frau gestorben sei.
Alle waren in großer Sorge um die alte, gütige Heilerin, die immer nur helfen wollte.
Shimasaní blieb ruhig und meinte nur: »Ich weiß, dass dies geschehen muss. Es ist nicht falsch, was die Leute tun, denn sie sind voller Gram und Hass. Seid geduldig und wartet. Alles macht eines Tages Sinn. Ich folge meiner Seele und so wird alles gut!«
Die Gerichtsverhandlung begann nach zwei Monaten und Shimasaní war mit ihrer Tochter Oteká erschienen. Sie war in eine ihrer selbst gewebten Decken gehüllt und setzte sich teilnahmslos auf die Bank im Flur des Gerichtsgebäudes. Der schmale Raum war gefüllt von neugierigen Menschen, die sich aber nicht zu nahe an Shimasaní herantrauten. In den Gerichtssaal durften sie nicht – und das tat vielen leid. Endlich war mal etwas los in Grants!
Die Angehörigen der verstorbenen Frau waren voller Wut. Shimasaní hätte helfen können und tat es nur bei den Menschen, denen sie helfen wolle, behaupteten sie.
Louis Wilder war nervös und wollte die kleine Heilerin angreifen, aber seine Kinder hielten ihn zurück.
»Du Hexe bist schuld am Tod meiner Frau«, schrie er ihr ins Gesicht.
Shimasaní hob eine Hand. »Dein Herz ist schwer und ich verstehe das. Du begehst einen Fehler, wenn du andere für ein Schicksal verantwortlich machst. Es leidet immer dein Herz dabei. Welchen Weg du auch gehst, es ist egal. Gehe immer den, der dich glücklich macht. Du bist auf dem falschen Weg.«
Louis Wilder wurde immer wütender. Er spie Shimasaní vor die Füße und verfluchte sie. Als er den Fluch aussprach, fasste er sich ans Herz und musste sich setzen.
Sie wurden aufgerufen und die Verhandlung begann.
Der Richter kam schnell zur Sache. Er vernahm zunächst den Ehemann der Verstorbenen und dann seine Kinder. Alle sagten dasselbe aus: Shimasaní hätte der kranken Frau Kräuter gegeben, die schnell zum Tod geführt hatten.
Shimasaní hatte keinen Anwalt gewollt und meinte, die Wahrheit würde siegen, aber ihr Enkel William hatte darauf bestanden. Mr. Gordon, den sie engagiert hatten, brachte viele gute Argumente vor. Schließlich hatten die Ärzte den bevorstehenden Tod der Frau diagnostiziert. Sie wäre also ohnehin gestorben. In diesem Prozess ging es nun darum, ob die Kräuter zu einem vorzeitigen Tod bei der Frau geführt hätten. Es ging um Scharlatanerie und um die Frage: Würde sie sich an Kranke und Schwache bereichern?
Der Anwalt der Ankläger hatte viele Leute befragt, denen Shimasaní bereits geholfen hatte, aber niemand hatte jemals etwas zahlen müssen. Sie lieferten lediglich Lebensmittel und Feuerholz, und das, ohne dass Shimasaní es verlangte. Wo auch immer Mr Gordon fragte, überall war man der kleinen Diné, wie der Stamm in der Sprache der Navajo hieß, freundlich gesonnen.
Immer wieder kamen heftige Vorwürfe von der Familie und alle konnten widerlegt werden. Als Shimasaní aufgerufen wurde, fragte der Richter sie, ob es stimmen würde, was die Familie Wilder behaupte.
»Nein«, sagte Shimasaní. »Es ist nicht richtig, dass meine Kräuter die Frau getötet haben. Noch niemals habe ich das Gehen eines Menschen verursacht, denn es steht mir nicht zu. Wenn ich helfen kann, dann mache ich es. Wenn die Göttin es nicht zulässt, dann habe ich nicht die Macht zu helfen und daran müssen alle sich halten. Ich kann nicht heilen; das habe ich niemals behauptet. Ich kann nur bitten, dass mir geholfen wird, einem Menschen die Krankheit zu nehmen, denn ich bin eine Mittlerin zwischen einer höheren Macht und dem Hiersein. Nur mit der Hilfe der guten Geister kann ich helfen.«
Bescheiden schaute sie auf ihre faltigen Hände. Der Richter sah sie mitleidig an. Er hatte schon viel gehört von der weisen Frau, aber niemals hatte jemand sie verklagt. Eine Frage musste er aber doch stellen.
»Man sagte gerade, dass Sie mit Verstorbene reden können. Ist das richtig?«, fragte er die alte Frau.
»Ja«, sagte Shimasaní, »das ist korrekt. Ich bin eine Geistheilerin und kann mit Wesen reden, die nicht mehr sichtbar unter uns weilen.«
»Können Sie uns dafür einen Beweis geben?«, fragte er vorsichtig, obwohl er genau wusste, dass sie es nicht konnte.
»Ja, das kann ich schon«, sagte Shimasaní zu ihm. »Aber ich darf es nicht. Ohne die Einwilligung der Angehörigen werde ich hier nichts sagen.«
Der Ehemann der Verstorbenen sprang auf und schrie: »Ja, sag es nur und rede mit meiner geliebten Frau. Mal sehen, was dabei rauskommt. Gar nichts kannst du uns sagen, du alte Hexe! Du widerliches Weib!«
Der Richter schlug mit dem Hammer laut auf einen Klotz.
»Jetzt ist es aber genug! Setzen Sie sich sofort wieder hin, sonst fliegen Sie hier achtkantig raus und eine Ordnungsstrafe bezahlen Sie ebenfalls!
Reden Sie weiter, Shimasaní. Erzählen Sie uns, was die Verstorbene Ihnen sagt. Sie haben es ja gehört, dass Herr Wilder es erlaubt hat.«
Shimasaní erhob ihre Hände und sank in sich zusammen. Es war totenstill im Gerichtssaal.
Dann fing sie zu reden an: »Ich kann nun mit Susan sprechen, denn sie ist hier im Raum.«
Ein Raunen ging durch die kleine Menge der Zuhörer und der Richter fragte Shimasaní, was die Verstorbene sagen würde. Das Mikrofon wurde ihr näher an das kleine Gesicht geschoben.
»Ich werde nun wörtlich wiedergeben, was sie mir sagt«, flüsterte Shimasaní.
Sie sagte ein paar unverständliche Laute und rief: »Louis, was machst du denn hier? Und ihr anderen alle! Warum tut ihr der Frau, die mir am Ende meines Lebens die Schmerzen nahm, so etwas Böses an? Was soll denn das? Ihr wisst, dass es nicht stimmt, was ihr da behauptet!
Louis, ich bin nun bei Jeffrey, bei unserem geliebten Kind. Du hast ihn getötet und mir gesagt, du hättest ihn tot in der Wiege gefunden. Das stimmt nicht, denn du hast sein Schreien nicht mehr ertragen können und ihn geschüttelt. Dabei ist er gestorben! Gib nicht immer anderen Menschen die Schuld, sondern suche sie auch einmal bei dir selbst. Mir geht es gut. Weint nicht mehr um mich, denn im Grunde weint ihr doch um euch selbst. Ich bin bei euch, auch wenn ihr mich nicht seht.«
Louis Wilder stierte auf Shimasaní, die regungslos auf der Anklagebank saß. Plötzlich stieß er einen animalischen Schrei aus.
»Ja, ich habe Jeffrey getötet und niemand hat es gewusst. Es stimmt, nicht mal eure Mutter wusste davon! So viele Jahre lebe ich schon mit dieser Schuld und es tut mir leid. Susan, ich vermisse dich so sehr. Wo steht sie?«, fragte er Shimasaní, die jedoch den Kopf schüttelte.
»Sie ist nicht mehr hier, aber wenn ihr sie ruft, dann wird sie bei euch sein. Ihr habt es gehört und ich habe nichts mehr zu sagen.«
Sie stand auf und wollte den Raum ohne weitere Worte verlassen, aber der Gerichtsdiener kam sofort hinzu und hielt sie zurück.
Der Sohn der verstorbenen Frau Wilder stand auf und sagte: »Lassen Sie sie gehen. Wir ziehen alle Anklagepunkte zurück. Shimasaní, ich bitte dich im Namen unserer ganzen Familie um Verzeihung. Wir sind in deiner Schuld und ich hoffe, du nimmst unsere Entschuldigung an.« Shimasaní nickte nur und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Louis Wilder saß weinend auf der Bank und sagte zu seinen Kindern, dass er froh wäre, nun endlich Frieden zu haben. Den Tod eines Menschen auf dem Gewissen zu haben, damit könne man schwer leben. Sein Sohn nahm ihn in den Arm und tröstete ihn.
»Du hättest Shimasaní niemals anzeigen dürfen, Daddy«, sagte er traurig. Louis Wilder schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er traurig. »Ich weiß nicht, warum ich es getan habe. Vielleicht sollte ich dadurch meinen Frieden finden.«