Читать книгу Shimasaní - Elisabeth Schmitz - Страница 7
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Gad Hallga war ein halber Navajo. Sein Vater, Uwe Hallga, hatte in Dinst, einem kleinen, romantischen Ort in Deutschland, eine Landschaftsgärtnerei.
Uwe lebte als junger Mann in New Mexico, da dort beim Bau der Route 66 viel Geld zu verdienen war. Die große Verbindungsstraße von Ost nach West sollte eine andere Strecke nehmen und für den Bau wurden dringend starke Männer gebraucht. Sein Traum war schon immer, in seiner Heimat eine Gärtnerei zu eröffnen. Diesen Traum konnte er sich nur erfüllen, wenn er schnell viel Geld verdienen würde.
Viele seiner Arbeitskollegen waren indianischen Ursprungs. Er konnte es deutlich sehen, obwohl sie versuchten, ihre Herkunft zu vertuschen. Mit einem dieser Männer freundete Uwe sich an und erfuhr, dass es für seinen Stamm nicht leicht sei, Arbeit zu finden. Nicht einmal in eine Bar konnten sie gehen, denn sie waren nirgends gern gesehen.
Der starke Gerechtigkeitssinn von Uwe kam durch und er bat seinen Freund Noti, am Abend mit ihm in den nächsten Saloon zu gehen. Gern ging er nicht mit, aber er wollte Uwe nicht beleidigen. Sobald sie am Abend die Bar betraten, kam ein bulliger Cowboy zu ihnen und tippte Uwe auf die Brust.
»Du kannst bleiben, die Drecksau geht«, sagte er und zeigte gehässig auf den Ureinwohner.
Uwe sagte in scharfem Ton: »Wenn ich bleibe, bleibt er auch!« Kaum hatte er es ausgesprochen, trat ein weiterer dreckiger Mann hinzu und schnappte sich Uwe. Er und sein Freund Noti wurden unsanft in den vom Unwetter entstandenen Dreck geworfen.
»Es macht nichts«, sagte Noti. »Wir von unserem Stamm kennen es nicht anders. Komm mit mir, wir gehen dorthin, wo wir beide erwünscht sind.«
Und so stapften sie durch den vom Regen durchtränkten Boden und besuchten den Stamm der Navajos. Uwe schämte sich, dass er dort so freundlich aufgenommen wurde. Er hatte schließlich eine andere Hautfarbe und nachdem, was er vorher im Saloon erlebt hatte, wunderte es ihn noch mehr, dass man ihm hier freundlich begegnete.
Er nahm im Kreis der Männer Platz, wohin zwei Mädchen kamen, die ihnen Getränke zum Aufwärmen brachten. Und da sah er sie! Das schönste Mädchen, das er jemals gesehen hatte. Uwe dachte, dass er schlafen würde und einen wundervollen Traum hätte, aus dem er nie mehr aufwachen wollte!
Er musste wohl ziemlich dämlich ausgesehen haben, denn die beiden Mädchen lachten laut und zeigten ihre makellosen Zähne.
»Wer ist das?«, fragte er seinen neugewonnenen Freund.
»Das sind Nashótá und ihre Zwillingsschwester Oteká. Sie sehen zwar gleich aus, sind aber vom Wesen her grundverschieden.«
Nichts war Uwe in diesem Moment wichtiger, als dieses schöne Geschöpf kennenzulernen. Nashótá, immer wieder sagte er ihren Namen in seinen Gedanken, weil er ihn nie vergessen wollte.
Noti erzählte Uwe dann, dass er auch eine Frau hätte, die aber mit seinem Sohn in Albuquerque wohnen würde. Am Wochenende würde er wieder hinfahren, allerdings dieses Mal ohne seinen Lohn, denn er hatte ihn der Familie von Nashótá gegeben. Und dann erzählte er, dass die Familie von ihr große Probleme habe. Die komplette Ernte sei bei dem Unwetter vor 8 Wochen zerstört worden und man hatte kein Geld, um Mehl und Viehfutter zu kaufen. Ganz selbstverständlich half hier jeder, der es konnte. Uwe bat Noti, er möge der Familie sagen, dass auch er helfen würde. Er habe Geld gespart und wolle es der Familie gern leihen, damit sie gut durch den Winter kämen.
Als Noti es den Leuten erzählte, feierte man ihn in Grants wie einen Helden.
Hier in Grants lebten die Zwillingsschwestern mit ihrer Familie im Hogan von Shimasaní, die eigentlich eine Apache und keine Navajo war. Aber sie hatte, nachdem sie Witwe geworden war, einen Mann der Navajos geheiratet. Die beiden Mädchen kannten die Apachen nur aus den Erzählungen ihrer Mutter. Niemals hatten sie einen kennengelernt. Weiße Amerikaner kannten sie dagegen genug, aber ein Ausländer, der nur gebrochen Englisch redete, war ihnen völlig fremd.
Uwe hatte sich unsterblich in Nashótá verliebt. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als dass er bald wieder nach Deutschland zurückmüsste und diese wundervolle Frau hier zurückblieb. Nashótá wies ihn immer wieder ab, aber er ließ nicht locker. Er fuhr auch nicht wieder nach Deutschland und es dauerte eine ganze Weile, bis auch sie sich in ihn verliebte.
Er hätte sie zwingen können, seine Frau zu werden, denn die Navajos schuldeten ihm ja Geld und der Stamm war darin streng. Wenn er sie gefordert hätte, hätten die Navajos sie ihm zur Frau geben müssen. Er wusste jedoch, dass er niemals mit ihr glücklich werden würde, denn Nashótá war stolz und konnte selbst mit einem Blick strafen.
Irgendwann erkannte sie dann das gute Herz bei diesem Mann und folgte ihm nach Deutschland, wo die beiden heirateten. Nach drei Jahren bekamen sie einen Sohn: Gad. Erst als sie ihr Kind in den Armen hielt, ging es ihr besser. Das Heimweh nach ihrem Stamm fraß sie langsam von innen her auf.
Die Großmutter von Gad hatte ihn schon von klein auf in viele Geheimnisse ihres Stammes und auch in die der Apachen eingeweiht. Er liebte seine Oma über alles. Sie mochte es, Wolle von einem zahmen Wolf zu spinnen, es einzufärben und herrliche Sachen zu stricken. Touristen kauften die Kleidungsstücke gern, aber Shimasaní hatte das Kaufen und Verkaufen nicht gelernt. Sie gab alles ihrer Tochter und Oteká hatte sich eine kleine Boutique eingerichtet. Oft bat sie ihre Mutter, doch etwas schneller zu arbeiten, aber Shimasaní ließ sich nicht treiben. So kaufte sie von anderen Frauen, die das Handwerk ebenso beherrschten, Ware dazu. Nichts war jedoch so wunderschön, wie das von ihrer Mutter. Auch die Teppiche, die sie webte oder knüpfte, waren einmalig und wurden gern gekauft. Das Teppichknüpfen hatte Gad von ihr gelernt, aber ihm fehlte hier die Fingerfertigkeit für die Feinheiten.
Shimasaní hatte die Begabung, mit den Tieren, den Pflanzen und den Bäumen zu reden. Gad mochte es, wenn er zuhören durfte und zu gern hätte er verstanden, was ihr die Natur zu sagen hatte! Sie meinte zwar, dass er es eines Tages auch verstehen würde, aber Gad glaubte nicht daran. Ein Baum hatte keinen Mund und könnte nicht reden, dachte er. Wir können uns mit ihnen verbinden, sie umarmen und ihre Energie in uns aufnehmen, das schon! Doch ganz offensichtlich stand Shimasaní in Zwiesprache mit ihnen. Niemand von den Anwesenden verstand, was sie sagte, aber alle nickten, denn sie wussten, dass sie eine Heilige war. Und bei ihnen war alles, was sie tat, richtig. Niemals wurde an ihren Worten oder ihr Tun gezweifelt.
Dieses alles und noch vieles mehr, das hatte er Tina, seiner allerbesten Freundin in Deutschland, bereits erzählt.