Читать книгу Lausige Zeiten - Elke Bulenda - Страница 11
Sonderbar, dass es den Wölfen immer wieder gelingt, die Welt von der Gefährlichkeit der Schafe zu überzeugen.
Оглавление(Austin O´Malley)
Die lange Reise endete für Cornelius und Cassandra vor der Zentrale von Salomons Ring.
»Cassandra, wundere dich bitte nicht, was du gleich zu Gesicht bekommst. Dir werden ziemlich seltsame Gestalten und bisher unbekannte Technik begegnen. Alles in allem, ist es für Außenstehende ziemlich kurios«, bereitete Cornelius sie vor.
»Hallo? Bin ich vielleicht kein Drache, der selbst ein wenig außerhalb der Norm liegt? Und es wird noch kurioser, als die Fußmatte, auf der ›Verpiss dich!‹ steht?«, fragte sie schmunzelnd. »Kaum zu glauben, dass Ragnor dein Bruder ist.«
»Eigentlich ist er nicht mein richtiger Bruder; wir haben nur den gleichen Schöpfer, was zwangsläufig aber nicht bedeutet, wir wären einer Meinung. Und das mit der Fußmatte, machte er nach Amandas Tod. Seitdem gab er sich nicht mehr annähernd so gesellig, wie er zuvor war.
»Ja, Gungnir erzählte mir von dieser schrecklichen Sache, sehr tragisch!«
»Lass uns jetzt reingehen, der Sicherheitsdienst weiß Bescheid«, drängte der Graue.
Nachdem die Formalitäten erledigt waren, führte Cornelius seine Angebetete direkt in Simons Teleportationsraum. Offenbar herrschte dort wieder einmal der Tag der offenen Tür. Ambrosius, dessen Stinktier Edward, Delia mit der kleinen Nevia-Navi, und ein kleiner Roboter waren ebenfalls vor Ort. Simon schien schwer beschäftigt zu sein, weshalb er die Ankunft der beiden nicht registrierte.
Ambrosius begutachtete Cassandra zuerst mit gekonnten Magierblick. Für den Bruchteil einer Millisekunde, blieb Ambrosius´ Mund offen stehen. Daraufhin warf er Cornelius einen wissenden Blick zu. Der Groschen war gefallen. Ohne sich Weiteres anmerken zu lassen, begrüßte er Cassandra salopp: »Mein Name ist Ambrosius Pistillum, der Leiter dieses seltsamen Haufens«, verbeugte er sich und deutete einen Handkuss an.
»Cassandra Drake. Von Dragon-Consulting, Finanz- und Unternehmensberatung. Nebenbei bemerkt, die Großmutter von Dracon, alias Antoine Deveraux«, lächelte sie charmant.
»Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Ich las den Bericht über die Drachenhöhle, wo Sie Ihrem Sohn die Leviten lasen. Das beeindruckte mich außerordentlich«, gab er zu.
»Ja, auch wenn mein Sohn längst erwachsen ist, bleibt er dennoch mein Kind - und Kinder müssen manchmal zur Räson gebracht werden. Ach, bitte nenne mich Cassandra. Ich dachte, hier duzen sich alle«, bemerkte sie spöttisch.
»Gut, gerne. So ist es wesentlich einfacher...«, konterte Ambrosius, der von Cornelius unterbrochen wurde, indem er ihn sanft abklatschte.
»Sag mal Ambrosius. Was macht Simon eigentlich da? Sollten wir es ihm nicht mal sagen? Na, du weißt schon... Was es mit der Technik und seiner Tochter auf sich hat?«, meinte Cornelius amüsiert.
»Ach, wir sollten ihn noch ein wenig im Dunklen tappen lassen, jedenfalls so lange, bis er von allein drauf kommt. So halten wir ihn uns geistig geschmeidig«, lächelte Ambrosius verschmitzt.
»Weißt du eigentlich, wie zynisch du manchmal sein kannst?«, grinste Connie zurück. Der Magus zwinkerte belustigt.
»Oh, Cornelius!«, bemerkte Simon. »Ich habe dich gar nicht kommen sehen!«, werkelte Simon weiter an dem futuristischen Kinderwagen herum.
»Ist ja auch kein Wunder, du bist offensichtlich sehr beschäftigt«, lächelte Connie. »Ah, diese beiden reizenden Damen, Delia und die kleine Nevia-Navi«, begrüßte er sie freudig. Eine ungezwungene Umarmung folgte und die kleine Nevia lachte, als er ihre Füße kitzelte.
»Cornelius, wir wollen euch nicht weiter stören«, verabschiedete sich Delia. Hinter ihrem Rücken jauchzte Nevia voller Freude, weil Cassandra ein paar Rauchkringel blies, die sie anschließend mit ihrem Finger aufspießte und stapelte. Dabei warf Cassandra dem kleinen Baby einen liebevollen Blick zu.
»Ach, Delia, ihr stört uns doch nicht«, bemerkte Cornelius charmant.
»Doch, wir gehen jetzt lieber, irgendwas riecht hier schon wieder so verbrannt. Nicht dass dieser unheilige Wagen die gesamte Zentrale abfackelt!«, lachte Delia in sich hinein, was Simon mit einem Grunzen quittierte. »So, fertig!«
»Darf ich euch meine Verlobte, Cassandra Drake vorstellen?«, fragte Connie.
Delia war ganz außer sich vor Begeisterung: »Willkommen Cassandra. Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung. Toll, dann steht uns bald wieder eine Hochzeit bevor. Du musst nämlich wissen, dass Salomons Ring nebenbei eine heimliche Partneragentur betreibt. Hier haben sich schon viele Paare kennen und lieben gelernt!«
Beide Frauen lachten und waren sich auf Anhieb sympathisch. Um ungestört über Hochzeitskleider, Hochzeitstorten und Hochzeitsfeiern - und nicht zu vergessen Brautschuhe - zu reden, gingen sie mit dem Kinderwagen vor die Tür.
»Jessas!«, stöhnte Simon. »Das kommt aber plötzlich. Überlege dir das gut!«
»Nichts da! Da gibt es nichts mehr zu überlegen. Aber du solltest dir einen Kopf über die anliegende Sache machen«, erklärte Cornelius ernst.
»Als hätte ich mir meinen Kopf nicht schon darüber zerbrochen«, konterte Simon.
Edwards Interesse am Roboter war inzwischen erloschen, spätestens als er die zweifarbigen Schuhe von Cornelius erblickte. Wenn Connie unter Leute ging und nicht gerade in seinem Labor herum experimentierte, trug er grundsätzlich schwarze Nadelstreifenanzüge. Dazu elegante Wingtips, ebenfalls schwarz-weiß-farbig. Edward verstand dies als unumwundene Einladung zur Balz, mit anschließender Begattung. Ex abrupto sah sich Cornelius von einem verliebten Stinktier belagert, das sofort zur Tat schritt und leidenschaftlich sein Bein umklammerte.
»Äh, Ambrosius? Wärst du so gut? Edward poliert mir gerade den Schuh. Er interpretiert das Wort Schuhwichse völlig falsch!«
»Aus Edward! Böser Edward!«, wurde das Stinktier von seinem Herren am Nackenfell gepackt und gemaßregelt. Nicht gerührt, sondern geschüttelt.
»Wolltest du ihn nicht längst kastrieren lassen?«, fragte Connie entgeistert.
»Selbstverständlich, aber vorher sollte er dir noch einmal ordentlich die Schuhe putzen! Ach, ich bringe es einfach nicht über´s Herz, ihm die Murmeln entfernen zu lassen. Leider sehe ich ein, dass dies nicht unumgänglich ist. Gleich morgen früh, bringe ich ihn in die Krankenstation, dann ist der Spuk vorbei.«
»Gut, dann sind wir in Zukunft sicher vor ihm«, nickte der alte Vampir.
Simon grinste: »Zum Schuhe putzen brauchst du kein Stinktier, dafür habe ich die geniale Schuh-Poliermaschine erfunden.«
»Schon, aber nachdem ich diese benutzte, waren meine Wingtips nur noch Sandalen«, grinste Connie zurück. »So, meine Herren, widmen wir uns wieder den wichtigen Themen. Nach wie vor gilt, in der Sache um Ragnors Verschwinden, höchste Geheimhaltungsstufe. Ambrosius? Was ist mit Annie und den Kindern?«
»Schon erledigt, sie wähnen ihn bei einer Observation. Damit haben wir genügend Zeit, um uns des Problems anzunehmen. Allerdings ergibt sich ein weiteres Problem. Als hätten wir nicht schon genug davon.«
»Klärt mich auf«, bat Cornelius.
»Simon«, nickte der Magus dem Technischen Leiter zu, der daraufhin das Wort ergriff.
»Da du ebenfalls in die Vergangenheit reisen willst, müssen wir den Wappler abklemmen, damit du nicht an den Ort gebracht wirst, an dem du dich damals schon aufhieltst. Soweit ist das nachvollziehbar?«, fragte Simon nach.
»Ja, aber wo ist das Problem? Das mit dem Paradox, das verstehe ich sehr gut«, entgegnete der Graue.
»Jepp, aber damit ein Paradox entstehen kann, wird der Wappler ja auch abgeklemmt. Nur, dass du nicht heile ankommen wirst, weil die Rückkopplung im Zeit-Raum-Gefüge dich braten wird. Wir können dir aber auch keinen Anzug aus ThermoGraphene, Meta- und Para-Aramiden, oder dergleichen mitgeben, weil wir nichts in die Vergangenheit einschleppen dürfen, was es nicht schon damals gab«, sagte Simon und sah Cornelius warnend an. »Ich sehe mich mal wieder mit einem unüberwindlichen Hindernis konfrontiert. Nach reiflicher Überlegung, würde ich vorschlagen, dass wir erst einmal warten, bis sich der berechnete Zeitpunkt ergibt, der die Zeitreisenden zurückbringen soll. Zwar glaube ich nicht an Wunder, aber wer weiß. Zwei von ihnen sind schließlich Vampire und zu körperlichen Höchstleistungen fähig, wieso sollte Molly nicht inzwischen Ragnor gefunden haben und Esther die beiden«, argumentierte Simon klug.
»Das gefällt mir nicht unbedingt, aber es ist nur zu logisch. Möglich wäre alles. Und ehe eine vierte Person im Äther verschwindet, müssen wir das akzeptieren. Gut, Simon, wann öffnet sich das errechnete Portal für die Reisenden?«, hakte Connie nach.
»Genau 23.01 Uhr ihrer Ortszeit, für uns in acht Stunden. Darum schlage ich vor, jeder ruht sich ein wenig aus, denn es passiert für uns in den frühen Morgenstunden. Was wiederum bedeutet, dass ich mächtig Ärger von Delia bekomme, weil ich hierbleibe und mich um die technischen Belange kümmere.«
»Gut, das verschafft uns genügend Zeit, um eine Alternative für den Hitzeschutz zu suchen. Was meinst du, Ambrosius? Bekommst du einen Thermoresistenz-Zauber bis dahin fertig?«
»Hör zu, ich habe keinerlei Erfahrungen damit, wie der Schutzzauber sich im Zeitstrom verhält. Die Magie muss die 600 Jahre überstehen, die du zurücklegst. Und ob es mit einem Amulett funktioniert, kann ich nicht sagen. Nur, dass wir keinerlei Option haben, die Wirksamkeit auszutesten. Wir sollten eine alchimistische Lösung in Betracht ziehen!«, ließ Ambrosius vernehmen.
»Hm, daran habe ich bisher noch gar nicht gedacht. Sag mal, weißt du, wo Ragnor seine Eigenblut-Vorräte gebunkert hat? Jeder Mitarbeiter ist dazu verpflichtet, eine ausreichende Menge Blut für alle Eventualitäten zu spenden. Mir ist nämlich die Idee gekommen, ich könnte mir eine Bluttransfusion mit seinem Blut verabreichen, damit bekäme ich kurzzeitig seine Dunklen Gaben. Ergo wäre ich feuerresistent«, überlegte Cornelius.
Doch anhand Ambrosius´Gesicht wusste er sofort, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
»Sicher spendete Ragnor Eigenblut. Der Haken an der Sache ist allerdings: Nur Amanda wusste, wo Ragnors Eigenblut-Spenden sind. Du kennst doch Ragnor, er war schon immer etwas paranoid und vertraute außer seiner Frau niemanden. Tja, und durch Amandas Tod, bleibt weiterhin vieles im Dunklen, denn ihr plötzliches Ableben kam für uns alle unvorbereitet. Juri Iwanoff sichtet noch immer ihr Forschungsmaterial und davon gibt es nicht gerade wenig. Aber, wo sich Ragnors Blut befindet, das wussten nur Ragnor und Amanda. Und beide können uns momentan leider keinerlei Auskunft mehr geben«, endete die Ansprache von Pistillum.
»Das wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein, wenn mal etwas unkompliziert vonstatten ginge!«, knarzte Cornelius missgelaunt und sah eine weitere Chance platzen. »Wir können unmöglich jemanden seines näheren Verwandtenkreises um eine Blutspende bitten. Gungnir würde sofort Lunte riechen, und ob Agnir Ragnors Gabe der Pyrokinese besitzt, steht jetzt noch nicht einmal fest. Bisher machte sich bei ihm noch nichts bemerkbar. Und überhaupt, falls Annie spitzkriegen sollte, was wir hier hinter ihrem Rücken treiben, bräche die Hölle los. Also, das können wir schon mal knicken!«
»Statt hier wilde Hypothesen aufzustellen, solltet ihr eure Rüssel in fundierte Fachliteratur stecken und mich in Ruhe arbeiten lassen«, schlug Simon vor.
»Okay, du guckst in die Magie-Abteilung, und ich befasse mit mit der Alchemie. Lass dein Handy an, damit wir uns austauschen können«, nickte Cornelius
»Okay, wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden«, stimmte Ambrosius zu und klemmte sich den Skunk Edward unter den Arm.
Beide verließen den Teleportationsraum.
»Bitte, keine Ursache!«, sprach Simon in den Raum und schmunzelte. Nur sein kleiner Roboter hörte ihm zu und zuckte mit den mechanischen Achseln.
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