Читать книгу Lausige Zeiten - Elke Bulenda - Страница 14
Tute hoc intristi, tibi omne est exedendum. Du hast es dir eingerührt; du musst es auslöffeln.
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Gyttha schrubbte Molly etwas energischer als nötig den Rücken. »Du warst sehr ungezogen! Was ist nur in dich gefahren?«
»Wieso? Ich habe dem kleinen Schweinchen überhaupt nichts getan!«, rechtfertigte sich Molly aufgebracht.
»Die Rede ist doch nicht von dem Schweinchen, sondern von Hjálmarr!«
»Oh, ach so, da gibt es wohl kaum einen Unterschied. Er grunzt und stinkt genauso. Außerdem habe ich mich bei ihm entschuldigt! Er warf meine Medizin ins Feuer! Und dafür hat er nicht bei mir um Verzeihung gebeten! Die ganzen Tabletten samt Etui, sind nur noch ein Häufchen Asche!«, platschte Molly wütend mit der Hand ins Badewasser.
»Hör bitte mit der Planscherei auf. Ich glaube kaum, dass er von deiner Entschuldigung allzu viel mitbekommen hat, als du den Eimer auf seinem Schädel zerschmettertest«, antwortete Gyttha leicht säuerlich. »Dabei musste sein armer Kopf schon genug einstecken! Nun hat er eine dicke Beule.«
»Macht nichts! Jetzt hat er wenigstens frisch gewaschenes Haar!«, pampte Molly zurück. Sie hatte sich erst dazu bereit erklärt in die Wanne zu steigen, als sie vollkommen ausgezogen war. Gyttha durfte selbstverständlich nicht dabei anwesend sein, um sie zu entkleiden. Sie kam erst dazu, als die Jüngere schon in der Wanne saß. Die Nordfrau konnte sich zwar nicht erklären, warum das junge und hübsche Mädchen so prüde war, zeigte sich jedoch einverstanden und akzeptierte ihre Bedingungen. Ohnehin war sie froh, Molly nicht auch noch in die Wanne jagen zu müssen, so wie sie es regelmäßig mit ihrem Gatten und den Kindern veranstalten musste.
»Was soll ich nur mit dir anstellen? Hm?«, fragte Gyttha ratlos. »Wenn du zur Hochzeitsgesellschaft kommst, wird mir angst und bange, du könntest mit dem Tranchiermesser auf die Gäste losgehen! Tja, Fräulein, das hast du dir alles selbst zuzuschreiben, aber du wirst nicht an deiner Feier teilnehmen!«
»Was? Wieso das denn? Wo bleiben denn meine Rechte? Ich darf nicht mal an meiner eigenen Hochzeitsfeier teilnehmen, geschweige denn mitbestimmen, welchen Kerl ich heiraten will? Ihr habt mich zu nichts anderen degradiert, als zu einem rechts- und willenlosen Stück Fleisch!«, fauchte Molly aufgebracht.
»Für ein Stück Fleisch machst du aber einen ganz schönen Wirbel! Jeder Mann weiß, dass eine Frau mehr als ein bloßes Stück Fleisch ist«, fuhr Gyttha dazwischen. »Dabei behandeln wir dich wirklich nicht schlecht, oder? Wir geben dir zu essen, baden dich und anschließend darfst du auch noch im schönsten und größten Haus des gesamten Dorfes wohnen! Will sagen: Du bist schlicht und ergreifend undankbar!«
Molly horchte auf. »Was sagst du da? Das schönste und größte Haus?«
»Natürlich, das steht dem besten Krieger und seinem Weibe zu. Wenn du vollständig trocken und angekleidet bist, und ich dein Haar frisiert habe, bringe ich dich in dein neues Zuhause«, erklärte Gyttha.
Trotz der Aussicht, mit einem Mann verheiratet zu werden, den sie womöglich nicht einmal leiden konnte, und das auch noch gegen ihren Willen, musste Molly zugeben, dass sie in Bezug auf ihre neue Wohnstätte, nun doch ein bisschen neugierig wurde. Und wenn es stimmte, was Gyttha behauptete, nämlich, die Frau besaß im Hause das Sagen und die Schlüsselgewalt, winkte ihr immerhin ein gutes Stückchen Freiheit. Wenn sie allerdings Pech hatte, würde ihr Ehemann sie ins Haus sperren und falls sie nicht nett genug zu ihm war, vielleicht sogar den Schlüssel wegwerfen. Zumindest hoffte sie, den Kerl ins Haus einschließen zu können und schleunigst die Flucht anzutreten. Selbst wenn sie Ragnor und Esther nicht findet, hierbleiben wollte sie auf gar keinen Fall. Das Zeittor öffnete sich um 23.01 Uhr hiesiger Ortszeit und es sollte sich mitnichten ohne Molly Flannigan schließen, dies war ihr eiserner Entschluss.
»Kann ich denn nicht schon nach dem Baden das Haus besichtigen?«, fragte Molly interessiert.
»Nein, zuerst muss Gyllen Lockes, die Frau des vorherigen Første Kriger ausziehen. Eigentlich sollte das längst passiert sein, aber, wollen wir es mal so ausdrücken: Sie war in letzter Zeit ein wenig antriebslos«, erläuterte Gyttha mitfühlend.
»Oh, warum muss sie denn ausziehen?«, fragte die Badende mitleidig.
»Weil sie jetzt nicht mehr die Frau des Ersten Kriegers ist«, sagte Gyttha und wusch Molly das Haar. »So ist es nun mal Brauch und Sitte bei uns. Deshalb muss sie das Haus räumen, um Platz für den nächsten Besten Krieger und seinem Weib zu machen. Als Thorfried den Posten an seinen Nachfolger abgab, war Ogfried noch sehr klein und es wäre nicht richtig gewesen, wenn er mit seinen Frauen in ein winziges Haus zieht. Das große Haus stand sowieso leer, also wurde es zum Haus des Ersten Kriegers ernannt. Es bietet genügend Platz für eine Handvoll Kinder.«
»Aha. Und es macht Gyllen Lockes nichts aus, das Haus zu räumen?«, rieb sich Molly die Seife aus dem Auge, die unangenehm brannte. »Frauen? Er hat mehrere davon?«
»Natürlich macht es Gyllen etwas aus! Mich würde es ebenfalls stören, mein trautes Heim zu verlassen, schon mal ihr Vater damals das Haus für seine Familie baute. Aber, es ist nun mal so, und sie kann schließlich nicht bei euch wohnen, oder? Und ja, Thorfried hatte mehrere Frauen. Ich will ja nicht tratschen, aber sie hatten ihn ganz gut im Griff. Mittlerweile lebt er nur noch mit der schwarzen Ogbawe zusammen, der Mutter seines jüngsten Sohnes Ogfried, die anderen sind längst gestorben.«
»Was sagt denn Gyllen Lockes Vater dazu, dass sie das Haus verlassen muss?«, fragte Molly neugierig.
»Keine Ahnung, das kannst du ihn selbst fragen, er liegt unter dem großen Runenstein! Mal sehen, ob und was er darauf antwortet«, grinste Gyttha.
»Ja, den Hügel mit dem Runenstein habe ich schon gesehen. Oh, dann ist er also gestorben?«
»Natürlich ist er tot, wir sind doch keine Barbaren und begraben die Leute lebendig! Sein Tod ist schon sehr lange her. Außer Thorfried und Gyllen Lockes kann sich kaum noch jemand an ihn erinnern. Die meisten die hier zu der Zeit auf der Insel lebten, sind auf´s Festland gegangen, um für uns ein ausreichendes Netz an Informanten aufzubauen. Viele gingen später in den wärmeren Süden. Dort erbte jemand ein Gut auf Sizilien, von seinen Verwandten, der es besser machte und einem reichen König diente, anstatt hier in der Kälte zu hungern. Ach ja, wo war ich. Genau, der Vater. Eigentlich soll niemand erfahren, wo sie ihn begruben. Aber Gyllen sagte es mir im Vertrauen, also erzähle es niemanden weiter, hörst du?«
»Wem sollte ich das erzählen? Und wen interessiert das schon?«, gähnte Molly.
»Jedenfalls hatte dieser Bursche eine Menge auf dem Kerbholz, trug man mir zu. Wirbelte damals eine Menge Staub auf. Er kam mehr oder weniger mit dem Gesetz in Konflikt. Wie eben die meisten hier«, zuckte Gyttha mit den Achseln und schüttete die letzte Kanne sauberen Wassers über Mollys Haar.
»Hm, dein Haar fühlt sich seltsam an. Ich sollte es mit Apfelessig spülen«, bemerkte Gyttha und ging nach draußen, um welchen zu holen. Vorsorglich sperrte sie hinter sich die Tür zu. Molly lauschte dem volksfestartigen Tumult, der von draußen herein tönte.
»Von wegen Apfelessig holen, du bist nur neugierig, Gyttha!«, brummelt sie.
Kurze Zeit später kam die blondbezopfte Frau zurück und schloss die Tür wieder auf. Sichtlich aufgeregt, trug sie den Essigkrug wie einen Säugling an ihre Brust gedrückt. Ihre Wangen waren gerötet, wie die eines schüchternen Schulmädchens.
»Ach, bald ist es so weit! Es treten nur noch wenige Bewerber gegeneinander an. Ogfried ist auch dabei. Der große Blonde, Hägar, mit den außergewöhnlich grünen Augen, scheint ebenfalls ein haushoher Favorit zu sein. Miðill, mein Gemahl, ist einer der Preisrichter und erzählte mir gerade eben, dass wir bald den Ersten Krieger ermittelt haben!«
»Und sieht Hägar gut aus?«, fragte Molly weniger begeistert.
»Also, ich mag ihn. Miðill meinte, er wäre etwas seltsam und rede wirres Zeug, aber was heißt das schon«, gab Gyttha kichernd zu. »Der Ogfried wäre aber auch keine schlechte Partie für dich. Er ist schön dunkelhäutig und Thorfrieds Sohn. Egal, beide machen einen recht potenten Eindruck, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Du denkst wohl immer nur an das Eine, wie? Na, du hast es wohl echt nötig?«
»Wieso? Die Kerle gucken doch auch hübschen Mädchen wie dir hinterher!«
»Das ist mir völlig egal, ich werde weder den einen, noch den anderen mögen! Super Auswahl! Ein Afro-Amerikaner, äh, Amerika wurde ja noch nicht entdeckt!... Ein Afro-Norweger und ein wirr redender Blondschopf! Na toll, wenn Hägar gewinnt, habe ich morgen Früh bestimmt Blaue Flecken am Bauchnabel!«, meinte Molly, die Augen verdrehend.
»Wieso, am Bauchnabel?«, fragte Gyttha verwirrt.
»Ach, ihr kennt wohl keine Blondinen-Witze, wie? Warum haben Frauen manchmal Blaue Flecken am Bauchnabel? Na, ganz einfach: Es gibt schließlich auch blonde Männer!«
»Verstehe ich nicht!«, schüttelte Gyttha den Kopf.
»Wieso auch? Wenn dein Mann genauso blond ist, wie sein Bruder, hast du bestimmt jeden Tag Blaue Flecken am Bauchnabel, falls du ihn nicht vorher aufgeklärt hast, wo er rein muss...«
Wenig später war Molly abgetrocknet und bereit sich zu bekleiden. Eigentlich wollte sie es selbst tun, jedoch musste sie zugeben, bei all den Bändern und Schleifen ihres Brautkleides schlichtweg überfordert zu sein. Gyttha ging ihr helfend zur Hand, frisierte anschließend Mollys Haar.
»Du willst doch nicht diese klobigen schwarzen Stiefel zu deinem weißen Brautkleid anziehen, oder?«, fragte sie entsetzt.
»Doch, zumindest so lange, bis ich im neuen Haus bin. Sonst werden die weißen Schuhe ganz schmutzig!«, warf Molly ein, der die weißen Brautschuhe gänzlich schnuppe waren. Sie wollte keinesfalls auf ihre robusten Treter mit den Stahlkappen verzichten. Gute Schuhe sind nur solche, in denen man jederzeit vor seinen Feinden davonlaufen konnte. Außerdem trug sie noch etwas ganz anderes, vor aller Augen verborgen, im Stiefelschaft. Das hatte sie sich von Ragnor abgeguckt. »Gehe niemals nackig raus!«, riet er ihr damals. Molly musste zugeben, dass sie diesen ungehobelten Rüpel schrecklich vermisste. Nur, wo steckte der Kerl? Sie konnte einfach nicht glauben, dass er ein Opfer des Wapplers geworden war. Opfer waren für ihn bisher immer nur die anderen. Sie glaubte nicht daran, dass er nur noch als Aschehäufchen im Krater existierte. Dann wären all die Mühen umsonst gewesen.
»So gesehen, hast du auch wieder recht!«, nickte Gyttha, die nicht den geringsten Verdacht schöpfte, Molly könne abermals aktiv an einem Fluchtplan arbeiten.
Sie gingen gemeinsam zum Haus des Ersten Kriegers. Dabei kam mehr Gemeinsamkeit auf, als Molly eigentlich lieb war. Hjálmarr und der Verschlafene, bildeten gemeinsam eine Eskorte, bzw. spielten so etwas wie Leibwächter. Ihre höchste Priorität lag darin, darauf aufzupassen, dass Molly ihnen nicht entwischte. Sie blickten das Sternenmädchen mit gebührenden Respekt an, oder vielleicht suchten sie lediglich nach heimtückisch verborgenen Waffen.
»Ihr zwei Nasen hättet wenigstens ein paar hübsche Blumen mitbringen und streuen können«, kommentierte Molly diesen skurrilen Umzug.
»Wir hatten leider nicht genug Zeit, um Disteln für dich zu finden, du Hexe! Denk nicht mal daran, Dummheiten zu machen!«, schnappte Hjálmarr noch immer beleidigt. Dabei machte er einen äußerst mitgenommenen Eindruck. Er ging nach wie vor recht breitbeinig, trug eine dicke Beule am Kopf und sah mehr als nur müde aus.
Zumindest hatte Gyttha nicht zu viel versprochen, was das Haus betraf. Es bestand aus einer solideren Bauweise, als die restlichen Gebäude im Dorf. Dies war ein richtiges Blockhaus und keine Bretterhütte. Zwei kunstvoll geschnitzte und sich überkreuzende Drachenköpfe zierten den Dachfirst.
Gerade, als Molly als Erste ihr neues Heim betreten sollte, kollidierte sie beinahe im Türsturz mit der Vorbewohnerin.
»Upps!«, entfuhr es ihr, als sie unmittelbar in ein ziemlich unattraktives und hässliches Gesicht blickte, das mitnichten Gyllen gehörte, sondern einem echsenartigen Wesen, welches ihr nur allzu bekannt vorkam. Lediglich die Farbe war ein wenig dunkler. Gyllen hielt es liebevoll wie einen Schoßhund an ihre Brust gedrückt.
»Ein Socken-Monster!«, erkannte Molly erstaunt.
»Yamm, yamm!«, brummelte das Socken-Monster.
»Du kennst die Rasse der Socken-Monster?«, fragte Gyllen in Mollys Muttersprache. Erst jetzt nahm sie wahr, wie hochgewachsen die Blonde mit dem lockigen Haar war. Noch nie zuvor sah Molly eine so große Frau in Natura, obwohl sie sich selbst nicht unbedingt zu den Zwergen zählte.
»Natürlich! Ernestine ist auch ein Socken-Monster, sie gehört Barbiel. Du sprichst meine Sprache?«
»Ernestine... Ein sehr schöner Name«, schmunzelte Gyllen, obwohl ein trauriger Zug um ihren Mund lag. »Selbstverständlich spreche ich deine Sprache. Englisch und noch viele weitere. Deutsch, Italienisch, Latein, Französisch, ein bisschen Spanisch und selbstverständlich Norwegisch.«
Nun schaltete sich Gyttha ein: »Gyllen entstammt einer edlen und ehemals privilegierten Familie. Wer glaubst du, hat uns Frauen das Lesen und Schreiben beigebracht? Sie besuchte nur die besten Schulen.«
»Na ja, eine Klosterschule würde ich nicht unbedingt als eine der besten Schulen bezeichnen, jedoch war die Bildung ganz ordentlich. Allerdings lernt man die wirklich wichtigen Sachen meist nebenbei, von den Wachkräften, die Kontakt nach draußen haben«, nickte Gyllen. »Ach ja, Gyttha? Die große Kiste ist noch nicht ausgeräumt, sie bleibt im Haus. Die Sachen hole ich mir später einmal ab, wenn ich auf ein Schwätzchen mit Måne vorbeikomme. Es sind nur ein paar alte Kleidungstücke, die meinem Vater gehörten. Aber wie du siehst, habe ich beide Hände bereits voll«, deutete sie auf das Socken-Monster und einen Korb, der verschiedene Steingut-Artikel enthielt. Daraufhin verabschiedete sie sich und ging ihres Weges. Molly fiel auf, wie die beiden Leibwächter verlegen zu Boden schauten.
»Danke, Hjálmarr und Snigill«, meinte Gyttha freundlich. »Wir sind jetzt da und benötigen eure Dienste nicht mehr. Genießt die gute Luft doch vor dem Haus.«
Schleunigst verschwanden die beiden Herren um die Ecke. Sichtlich erleichtert darüber, weder einen Tritt, noch einen Stich, oder gar einen Schlag vom Mädchen kassiert zu haben.
»Gyllen ist sehr freundlich«, bemerkte Molly und trat ins Haus.
»Ja, sie ist eine, in jeder Hinsicht, herausragende Person«, folgte ihr Gyttha auf den Fuß. »Das gilt nicht nur für ihre Körpergröße.« Dann schlug sie einen leicht verschwörerischen Ton an: »Jetzt, wo die Kerle weg sind, kann ich mit dir offen reden. Anfangs deutete ich schon an, wir Frauen könnten viel, wovon unsere Männer nichts ahnten. Gyllen lernte die Kunst mit der Waffe zu kämpfen. Sie erzählte uns, die Schweizer Eidgenossen der Garde, hätten sie das gelehrt. Sie kämpft hervorragend mit Schwert und Schild, mit der Axt und dem Speer. Und du solltest sie mit dem Bogen schießen sehen!«
»Und sie hat euch beigebracht, wie man damit kämpft?«, fragte Molly neugierig.
»Natürlich, wenn unsere Männer nicht da sind, können wir uns wenigstens vor den Schergen des Jarl verteidigen.«
»Hm«, sagte Molly »Wenn Gyllen so eine herausragende Person ist, sollte ich vielleicht sie heiraten!«, grinste sie. »Wenn sie schon so groß ist, dann trug euer Großer Krieger diesen Namen wohl nicht von ungefähr, wie?«
»Ja, auch er war recht stattlich! Aber, jetzt lass uns mal genauer dein neues Heim betrachten!«
»Ist ganz schön, das Haus. Wozu braucht ihr einen Ersten Krieger? Kann Gyllen nicht unsere Anführerin sein?«, fragte Molly interessiert.
»Nein, niemand würde sich uns anschließen, wenn eine Frau das Sagen hätte. Die Männer akzeptieren so etwas nicht. Deshalb brauchen wir einen Ersten Krieger. So gesehen, ist er derjenige der für Angriff, Verteidigung und alles, was die Bewaffnung betrifft, zuständig ist. Er ist zwar so etwas wie unser Anführer, jedoch nicht im eigentlichen Sinne. Wenn etwas Wichtiges entschieden wird, findet ein Ting statt, und dort wird von allen abgestimmt. Na ja, die Männer stimmen ab, aber wir Frauen sagen ihnen, wie sie stimmen sollen, weil wir sie sonst nicht mehr ran lassen«, grinste Gyttha listig.
»Insgeheim sagen also die Frauen, wo es langgehen soll!«, stellte Molly fest. »Dann haltet ihr euch wirklich einen wilden Haufen lustiger Handpuppen!«
»Das ist die hohe Kunst der Diplomatie. Wir sagen ihnen was wir wollen, dann tun sie genau das Gegenteil, weil sie denken, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Aber wir sind ja nicht auf den Kopf gefallen und bekommen dadurch im Endeffekt genau das, was beabsichtigt war. So meine Liebe, ich lasse dich jetzt allein. Du kannst dir die Zeit mit etwas Hardanger-Stickereien vertreiben«, meinte Gyttha.
»Du meine Güte, ich weiß nicht mal wie das geht! In dieser Hinsicht habe ich zwei linke Hände und bin total ungeschickt«, gab Molly zu. »Wenn meine Klamotten Löcher haben, werfe ich sie weg und kaufe mir neue. Habt ihr nichts zu lesen?«
»Nein, so leicht ist das nicht. Bücher sind Mangelware, die Bibel wird hier gar nicht erst geduldet. Ich könnte dir einen Band mit alten Nordischen Sagen holen. Aber mach das Buch nicht kaputt, es ist sehr wertvoll. Sicherlich verstehst du kein Wort davon, aber die Bilder kannst du dir ansehen. So, nun muss ich mich aber sputen, das Essen macht sich nicht von allein! Ich bringe dir nachher deine Essensration«, eilte Gyttha davon. Hinter sich verschloss sie, sehr zu Mollys Verdruss, wieder die Tür.
»Ach, Männo!«, brummte Molly, nachdem sie die Tür kontrollierte. »Dann versuche ich es eben mit den Fenstern!«
Leider waren die Fenster von Hjálmarr und Snigill blockiert, so steckte Molly in dieser Hinsicht die Fluchtpläne vorerst auf. Sie beschäftigte sich stattdessen damit, wie sie mit ihrem zukünftigen, ungeliebten Ehemann fertig werden sollte. Zum Glück standen ihr jetzt andere Mittel, als ein simpler Eimer zum Pinkeln zur Verfügung. Schnell ersann sie sich einen Plan. Wenn Gyttha Teller und Besteck abholte, würde ihr die Aufgeregte sicherlich Bescheid sagen, wer sie nun freite. Danach wollte Molly die passende Kulisse vorbereiten. Trotz der bisher fehlgeschlagenen Ausbruchsversuche, war Molly optimistisch. Diesmal, da war sie sich todsicher, sollte ihr Plan nicht noch einmal so kläglich scheitern. Gar keine Frage: Dieses Mal würde sie das Schwein heftiger schlagen...
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