Читать книгу Lausige Zeiten - Elke Bulenda - Страница 9
Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand.
Оглавление(Blaise Pascal)
Cornelius konnte es immer noch nicht fassen, was über ihn gekommen war. Anders ausgedrückt, eigentlich war es Cassandra, die über ihn gekommen war. Als sie während des Flugs bat, er solle doch mal in der Toilette nachsehen, wieso der Wasserhahn nicht funktionierte, dachte er sich gar nichts dabei. Obwohl er nicht die geringste Ahnung vom Klempnern besaß, stand er ihr ritterlich zur Seite, um sofort zu Hilfe zu eilen. Als seine Angebetete allerdings das Schild »Außer Betrieb« von außen befestigte und hinter ihm die Tür verriegelte, wurde ihm ein wenig flau.
»Tut mir leid, mein Lieber«, bemerkte sie charmant lächelnd. »Aber du sitzt jetzt in der Falle und so brauchen wir nicht befürchten, jemand könnte uns stören.«
Ja, und so war es gewesen. Die restlichen Mitarbeiter von Dragon-Consulting mussten während des Fluges auf das stille Örtchen verzichten. In dem besagten Ort ging es währenddessen nicht ganz so still zur Sache. Zum Glück röhrten gerade zu diesem Zeitpunkt die Turbinen sehr laut, so dass Connies eigenes Röhren übertönt wurde. In dieser Höhe war er bisher noch nie zu einem Höhepunkt gekommen. Davon abgesehen, konnte er sich gar nicht mehr daran erinnern, wann er seinen letzten Höhepunkt genießen durfte. Zu viel Zeit war seit Elaines Tod verstrichen. Mehr als 600 Jahre? Oh Gottogottogott!
Davon mal abgesehen, war Cornelius niemand, der ein exzessiv ausschweifendes Leben führte; nicht dass sich ihm nicht genügend Damen und Gelegenheiten boten. Doch schreckte er jedes Mal davor zurück, Sex ohne angemessene Liebe zu praktizieren. Bevor er Elaine, seine erste Frau kennenlernte, ging er gänzlich unberührt durchs Leben, bzw. Unleben. Vor seinem Vampirdasein gehörte er dem Orden des Heiligen Michael an. Zwar nicht als Ritter, jedoch als Medicus. Dennoch galt für ihn das Zölibat und so kam er nicht in den Genuss der körperlichen Liebe, abgesehen von einem Vergewaltigungsversuch seitens eines Söldners.
Nun lag er ermattet auf den herumliegenden Kleidungsstücken und beobachtete, wie Cassandra ihre Lippen mit einem blutroten Lippenstift nachzog.
»Ich las mal, wenn sich eine Frau die Lippen nachzieht, ist es so, als lade sie ihre Waffe nach«, kommentierte der Grauhaarige, die sich ihm darbietende Szenerie.
»Eine sich schminkende Frau zu stören, ist so, als wolle man einer Löwin das Fressen stehlen«, gab sie lachend zurück. »Das hörte ich kürzlich bei einer Seifenoper.«
»Welch tiefe, philosophische Einblicke!«, erwiderte er daraufhin und betrachtete Cassandras wohlgeformten Körper, den er diesmal nicht mit dem Sachverständnis eines Anatomen wahrnahm, sondern mit den Augen eines Liebenden.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr verschreckt, mit meinem unzüchtigen Verhalten«, schmiegte sich die frisch Geschminkte wieder an ihn.
»Oh, nein. Es wäre mir wesentlich peinlicher gewesen, wenn du vor deinen Mitarbeitern über mich hergefallen wärst. Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er besorgt und stopfte seine Pfeife.
»Ich befürchtete schon, dass du dich sträuben würdest, weil Klempnern nicht unbedingt dein Schaffensgebiet ist. Obwohl ich sagen muss, das mit dem Rohr verlegen, war schon mal ein guter Anfang!«, lachte sie und stieß dabei ein kleines Rauchwölkchen aus.
»Wenn du wieder meine Klempnerfähigkeiten brauchst, bitte ich vorher um einen Termin«, witzelte er. »Findest du nicht, wir passen gut zusammen? Du, eine Drachenfrau und ich, ein Gestaltwandler. Wir könnten doch auch mal als Drachen... Wenn du verstehst, was ich meine...«
»Wärst du sehr beleidigt, wenn ich dich Sodomit nenne?«, lachte sie schallend, als sie daraufhin Connies verdutztes Gesicht sah. »Natürlich wäre das eine schöne Sache. Ja, aber dafür sollten wir nicht eine allzu kleine Kabine auswählen. Es könnte sehr eng werden!«, kicherte sie.
Connie zog sein Jackett zu sich und durchforstete die Taschen. Cassandra wusste sofort, was er begehrte und blies sachte in die Pfeife. Flammen erwärmten den Pfeifentabak, der sofort sein angenehm süßliches Aroma verbreitete.
»Danke, so ein gutaussehendes Feuerzeug besaß ich noch nie!«, lächelte er charmant und paffte.
»Du siehst selbst wie ein Streichholz aus. Du hast einen ganz roten Kopf...«, frotzelte sie und inhalierte entspannt. »Ich liebe den Duft des Pfeifentabaks. Wieso, kann ich nicht sagen, er erinnert mich daran, wie ein Großvater seine Pfeife entzündet und seinem Enkel eine schöne Geschichte erzählt.« Sie wirkte ein wenig unglücklich. »Selbstverständlich hatte ich niemals einen Großvater der Pfeife rauchte. Aber mein Vater fraß mal einen großen Ritter, der dabei auf dem letzten Loch pfiff. Dies, jedenfalls, erzählte mir meine Mutter.«
»Ja, die Zeiten haben sich sehr geändert, zum Positiven, würde ich mal so sagen.«
»Stimmt, Autos, Telefone, Jets. Leider ist die Welt nicht mehr so leise wie damals. Obwohl das Klappern der Hufe und das Rumpeln der Holzräder auch keine leise Angelegenheit waren. Aber diese ganzen Rasenmäher, Laubbläser, Kreissägen und dergleichen, sind die Kehrseite der technischen Errungenschaften.«
»Erinnere mich daran, dass ich dir eine CD mit dem Schweigen im Walde sende. Wenn es laut wird, kannst du dir ein wenig Ruhe anhören«, grinste der Graue.
»Du bist wirklich ein sehr humorvoller Typ, wenn die anderen nicht da sind«, konterte Cassandra und gab ihm einen liebevollen Knuff.
»Au! Wenn du mich schlägst, verlasse ich dich!«, schmunzelte er.
»Du kannst es ja mal versuchen, meine Schwingen tragen mich weit und ich werde dich überall finden!«, drohte sie gespielt.
»Oh, dann ist ja gut! Cassandra, ich denke, wir sollten uns wieder ankleiden, wir gehen in den Sinkflug.«
»Jetzt wo du es sagst, stimmt... Ich wunderte mich schon, warum der Himmel nicht mehr so schön dunkel ist. Das Bild, das uns während unserer Vereinigung bot, war einfach unglaublich!«, schwärmte sie.
»Ja, ging mir genauso, ich dachte, ich sei im siebten Himmel.«
»War lediglich die Stratosphäre, du alter Träumer!«, entgegnete sie nüchtern. Beide dachten nicht daran, sich aus der Umklammerung des anderen zu lösen.
Als Cornelius sie kritisch musterte, lachte sie herzlich. »Was ist?«
»Cassandra, ich weiß, wir kennen uns noch nicht sehr lange, doch kommt es mir vor, als wäre es schon eine Ewigkeit. Wir haben uns beide durch die Zeit gerettet.«
»Okay...«
»Ein wenig komme ich mir wie ein Schuft vor, weil ich das Gefühl habe, ich würde dich Gungnir wegnehmen, aber...«, er schluckte und sein Kehlkopf klickte. »Ich liebe dich! Als ich dich zum ersten Mal im Flugzeug sah, wurde mir heiß und kalt, wusste sofort, dass du die Richtige bist. Ohne dich will ich nicht mehr sein. Hier meine Frage, du magst sie für übereilt halten, aber warum nicht jetzt: Willst du meine Frau werden?«
Cassandras Gesicht wurde ernst. »Du nimmst mich dem Gungnir nicht weg, weil ich nicht sein Eigentum bin. Hm, das ist ja komisch! Bisher machte mir noch niemand einen Heiratsantrag. Und erst recht nicht auf einer Flugzeugtoilette!«
»Gut, ist mir auch noch nicht passiert, aber was soll das in diesem Fall bedeuten?«, fragte er ein wenig verunsichert.
»Ich liebte von jeher die Herausforderung! Was das heißen soll? Ich sag dann mal ›Ja‹. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Außerdem liebte ich dich vom ersten Augenblick an, als ich dich sah«, gestand Cassandra.
Dem alten Vampir schwindelte es ein wenig vor Glück. »Aber was ist mit der großen Distanz? Du lebst in New York und ich in der Zentrale. Das bereitet mir Kopfzerbrechen.«
»Das ist doch heutzutage kein Problem mehr. Ich ziehe zu dir nach Europa, da bin ich meinem Sohn und Enkelsohn ohnehin viel näher. Meine Arbeit erledige ich mit dem PC und Telefon, da muss ich nicht vor Ort sein. Hast du denn eine Wohnung?«
Upps, da traf Cassandra seinen wunden Punkt. In all den Jahren, die er in der Zentrale zubrachte, sah er es als unnötig an, so einen Luxus wie eine Wohnung zu besitzen. Eigentlich wusste niemand, dass er in einem schlichten Zimmer mit Bad wohnte, so wie alle Mitarbeiter von Salomons Ring, die in der Zentrale zuhause waren. Nur lag seine Bleibe etwas abgeschiedener, ein paar Stockwerke unterhalb der Wohnbereiche. Eigentlich wohnte er im wahrsten Sinne dort gar nicht, sondern hauste. Er bunkerte im Zimmer seine alten Folianten, die er im Laufe der Zeit gesammelt hatte, die ebenfalls den Platz seines Schreibtisches einnahmen und inmitten des Chaos, stand ein bescheidenes Bett, das an die Liegestätte eines Mönchs gemahnte. Selbstverständlich lagen dort genauso alte Bücher herum, nur diese las er zurzeit.
»Äh, Wohnung?«, krächzte er heiser. »Weißt du was? Wir sollten gemeinsam neu anfangen. Wir suchen sie uns zusammen aus und gestalten sie. Aber, wenn du willst und über das bessere Händchen verfügst, überlasse ich dir die Einrichtung. Meine Lebensart war bisher immer recht bescheiden, ich habe genug gespart. Geld spielt keine Rolle!«
»In der Tat spielt Geld keine Rolle. Davon habe ich selbst genug. Niemand nennt mich mehr Frau Pleite. In Ordnung, so machen wir das. Wir fangen gemeinsam völlig neu an! Vielleicht ein kleines Häuschen?«, gab Cassandra ihre Zustimmung.
»Ja, das klingt himmlisch!«
Ein Klopfen störte ihre Planung. »Entschuldigen Sie! Geht es Ihnen gut?«, fragte die Flugbegleiterin.
»Ja, danke!«, riefen Cornelius und Cassandra unisono. Als sie bemerkten, dass sie sich dadurch verrieten, brachen sie in Gelächter aus.
Die Stewardess zeigte sich nicht beeindruckt; offenbar war dies nicht ihr erster Fall von Bordtoiletten-Reparatur: »Gut, ich bin erleichtert. Wir landen gleich! Bitte kommen Sie heraus und schnallen sich an!«
In Windeseile kletterte das Paar in die Klamotten. Verdutzt zog Cornelius einen BH aus der Jackentasche: »Hier, das ist deiner!«
»Du alter Lustmolch! Den wolltest du wohl behalten, was?«
Zuerst verließ Cassandra bemüht unauffällig die Bordtoilette. Danach huschte Cornelius in Vampir-Tempo auf seinen Sitzplatz zurück.
Während der Landung hielten sie verliebt Händchen.
*
In seinem Labor, bzw. im Teleportationsraum, lief Simon im Quadrat. Ambrosius Pistillum war zugegen und beobachtete, wie Simon seine unzähligen Runden drehte, während dieser überlegte und aufgeregt mit den Händen fuchtelte. In Simons Windschatten fuhr ein kleiner Roboter. Sein Kettenantrieb, der einem Panzer glich, ratterte leise, während er versuchte, Simons Kurs zu folgen. Es wirkte, als hätte der kleine Roboter viel Spaß dabei, falls ein Roboter so etwas empfinden konnte. Wenn Simon mit Hand und Fuß redete, ahmte der Roboter diese Gesten nach. Diesem kleinen Roboter folgte wiederum Edward Mullen, das kleine Stinktier. Für Ambrosius bot dies gleich ein dreifach amüsantes Schauspiel.
»Wie stellst du dir das eigentlich vor? Einfach den Wappler abklemmen? Weißt du was mit Cornelius passiert, wenn ich das mache?«, fragte Simon aufgebracht.
Ambrosius musste nicht lange darüber nachdenken: »Er wird gegrillt?«
»Ja, in der Tat, er wird gegrillt! Meinst du, ich will Cornelius noch zusätzlich auf dem Gewissen haben?«
»Simon, du solltest dir nicht die Schuld an Ragnors Verschwinden geben!«, redete Ambrosius beruhigend auf den jungen, blonden Mann ein. Simon wirkte in letzter Zeit ohnehin so, als wäre er mit den Nerven zu Fuß. Für junge Väter ist es schwer, sich damit abzufinden, bei ihrer Gemahlin nicht mehr die erste Geige zu spielen. Und Durchschlafen war ebenfalls nicht mehr drin. Simons Tochter, Nevia-Navi, besaß offenbar jetzt schon den wachen Geist ihres Erzeugers.
»Du hast gut reden!«, fauchte Simon zurück. Doch als er sah, wie Ambrosius einen Schritt zurückwich, bemerkte er, dass er sich eindeutig im Tonfall vergriffen hatte. »Entschuldigung, du kannst wirklich nichts dafür. Mir ist das Temperament durchgegangen.«
»Kein Problem, Simon. Du trägst keine Schuld daran, dass jetzt dieses Chaos herrscht. Als du Ragnor von der Zusatzfunktion des Teleporters erzähltest, war seine Welt noch völlig in Ordnung, da lebte Amanda noch«, erklärte der Magus geduldig.
»Ach, hinterher ist man ja immer so viel schlauer! Mich kränkt, wie er nur so schamlos mein Vertrauen missbrauchen konnte! Dabei dachte ich, wir wären gute Freunde. Schließlich fackelte er nicht lange, als Diemal und ich von diesem Dämonen, diesem Baal bedroht wurden, der uns beinahe verspeiste. Deshalb bin ich auch so aufgebracht! Ich hätte es ihm überhaupt niemals sagen dürfen! Wegen mir stecken nun Molly und Esther ebenfalls in Schwierigkeiten. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass der Wappler Esther wieder dorthin transportiert, wo sie sich zu diesem Zeitpunkt befand. Nicht nur einen Fehler kann ich mir anlasten, sondern zwei. Zwei sind zwei zu viel! Ein weiterer Fauxpas soll nicht auf mein Konto gehen. Zumindest hat Ragnor mir gezeigt, wie ungenügend die Sicherheitsvorkehrungen für diesen Raum waren.«
»In der Tat entging mir nicht, dass du eine Zusatzkamera vor der Tür installieren ließt. Dazu das neue Tastenfeld mit Iris- und Handabdruck-Scanner«, nickte der Magus. »Aber mal unter uns: Glaubst du nicht, Ragnor ließe sich davon abbringen, dich niederzuschlagen und anschließend unter den Arm zu klemmen? Deine Hand auf den Scanner zu batschen und dir das Auge aufzureißen?«, grinste er.
»Mir ist jetzt wirklich nicht nach Scherzen zu Mute. Wir müssen uns eine konkrete Lösung überlegen, wie wir Cornelius unbeschadet in die Vergangenheit transportieren, ohne aus ihm ein Grillhähnchen zu machen.«
»Wieso lassen wir den Wappler nicht abgeklemmt und kleiden Connie unterdessen in einen Astronauten- oder Asbestanzug?«, warf Ambrosius ein.
»Weil wir damit ein Paradox auslösen könnten! Damals gab es weder Astronautenanzüge, noch das Material Asbest. Das wird sich unweigerlich rächen. Vergiss nicht, wir dürfen den Zeitfluss nicht stören! Er ist ein empfindliches Konstrukt! Stell dir vor, wir schicken Connie in die Vergangenheit und müssen kurz darauf feststellen, dass es einen Astronautenanzug in einem Museum gibt, der 600 Jahre alt ist!«, lief Simon auf und ab, gefolgt von dem kleinen Roboter und dem Stinktier. Simon nahm während des Laufens die Hände hinter den Rücken - und der kleine Roboter ahmte diese Geste nach. Edward klemmte sich stattdessen seinen Schweif zwischen die Beine.
»Jetzt wo du es sagst, ist das einleuchtend. Simon? Was ist das eigentlich für ein kleiner, possierlicher Bursche, der dich die ganze Zeit über verfolgt?«, fragte Pistillum, getrieben von Neugierde.
»Das ist doch dein Stinktier... Ach, du meinst den kleinen Kerl hier? Er ist gerade dabei, den Lernmodus zu beenden. Er wurde darauf programmiert, die menschliche Gestik sowohl zu deuten, als auch zu kopieren. Meine Mitarbeiter beschweren sich ständig, sie müssten zu viele Überstunden machen. Selbst die Kobolde weigern sich, länger zu bleiben. Da habe ich mir eben einen Mitarbeiter gebaut, der nicht klagt. Er heißt Robot-Nick, witzig, oder?«, grinste Simon.
»Robotnik? Ist er denn ein Pole?«
»Nein polnisch ist er nicht, obwohl Robotnik das polnische Wort für Arbeiter ist. Er ist aber genauso fleißig. Polen sind eindeutig die besseren Arbeiter. Schuften zwölf Stunden am Stück und wenn sie müde sind, stecken sie einfach den Finger in die Steckdose, dann sind sie wieder fit und arbeiten weitere zwölf Stunden... Bei ihm sollte es genauso sein. Und wenn seine Akkus leer sind, wird er wieder aufgeladen. Ich sollte ihn rot-weiß lackieren lassen, dann haben wir einen Running-Gag«, nickte Simon.
Gerade in dieser sich entspannenden Lage, klingelte Ambrosius Handy. Sein Rufton war nicht ohne. Eine Stimme erklang, die rief: »Meister! Telefon!«
»Oh, das ist Cornelius, ich muss da ran!«, nahm er das Gespräch an. »Hallo, Cornelius. Was? Du bringst einen Besucher mit? Geht in Ordnung, ich sage den Sicherheitskräften Bescheid. Nichtsdestotrotz musst du deinen Gast nach Betreten der Räumlichkeiten, sofort die Schweigeklausel unterschreiben lassen. Ja, aber es ist nun mal Vorschrift. Gut, dann bis nachher«, beendete Ambrosius das Telefonat.
Er nickte Simon zu: »Cornelius trifft in etwa einer halben Stunde ein. Er bringt Besuch mit!«
Als wäre dies das passende Stichwort, ertönte ein Signalton. Simon ging zum Monitor. »Apropos Besuch, das ist Delia mit der Kleinen!«
Wenig später fuhr Delia mit einem futuristisch anmutenden Kinderwagen in den Raum; einer Mischung aus Segway und Buggy. Delia sah ein wenig zerzaust aus, als wäre sie in eine schlimme Windböe geraten. Atemlos stieg sie vom Trittbrett. Zuerst nickte sie Ambrosius freundlich zu, der wiederum zurück grüßte und der kleinen Nevia zuzwinkerte. Das Baby lächelte ihn an, gluckste und wackelte mit den Füßen. Delia ging mit Simon ins Gericht.
»Schatz, du musst dir noch einmal die Hundeabwehrschutzvorrichtung ansehen!«
»Funktioniert sie denn nicht?«, fragte Simon erstaunt. »Wenn ein Hund die Sicherheitsdistanz überschreitet, müsste eigentlich der Wasserstrahl gezielt treffen.«
»Schon, aber das tut er auch bei allen anderen Passanten, du solltest das noch einmal überprüfen! Mir ist es schon unangenehm einkaufen zu gehen! Scheinbar stört der Kinderwagen die empfindliche Elektronik. Jedenfalls, wenn ich an der Supermarktkasse stehe, will mir die Verkäuferin immer mehr Wechselgeld zurückgeben, als ich bezahlte. Außerdem habe ich unterwegs mit dem Kinderwagen ein Mofa überholt... Ein frisiertes. Mich beunruhigt ein wenig, dass das Tacho bis 160 Km/h ausgelegt ist. Nevia gefällt das, aber ich fühle mich wie Ben Hur beim Wagenrennen«, bemerkte Delia peinlich berührt.
»Aber das GPS funktioniert doch, oder?«, fragte Simon.
»Ja, schon, aber ist das normal, dass auf dem Display ab und zu Teddybären, Luftballons und Mobiles erscheinen?«
Simon fragte sich, warum alles, was er für seine kleine Tochter baute, unweigerlich in einem Super-GAU endete. Jedes Mal kam er sich wie ein Volltrottel vor, und nicht etwa wie der Leiter der Technischen Abteilung. Er sah sich die Hundeabwehrschutzvorrichtung etwas genauer an. Sofort traf ihn ein Wasserstrahl mitten ins Gesicht. Nevia jauchzte beglückt, klatschte in die Händchen und lachte.
»Ja, mein Schatz, das gefällt dir wohl, was? Jetzt ist Papa ganz nass!«
Er wandte sich an seinen kleinen Robotergehilfen: »Robot-Nick? Bring mir den 10er!«, gab er sich trotz allem Unbill professionell.
Robby fuhr los, gefolgt von Edward, dem Stinktier, der noch immer reges Interesse am Roboter zeigte. Weniger dagegen am Kinderwagen, nachdem er sah, was dieser alles konnte.
Erwartungsvoll streckte Simon die Hand aus, um den Schraubenschlüssel zu empfangen. Doch sollte er tief enttäuscht werden.
»Robot-Nick! Was soll denn dieser Unsinn! Doch kein 10er Golfeisen! Sondern den 10er Schraubenschlüssel!«
Ambrosius schaltete sich dazwischen. »Du verlangtest den 10er und er brachte dir den 10er. Beim nächsten Mal, würde ich mich an deiner Stelle, einfach etwas deutlicher ausdrücken und keine Golfausrüstung herumstehen lassen. Und ich muss ehrlich sagen, ich bin tief beeindruckt von seinen Fähigkeiten. Du solltest ihm ein Sprachmodul gönnen, dann kann er sich wenigstens rechtfertigen...«
*