Читать книгу Lausige Zeiten - Elke Bulenda - Страница 7

Die Sorgen, mit deren Last sich der Bevorzugte gegenüber dem Unterdrückten entschuldigt, sind eben die Sorgen um Erhaltung der Bevorzugung.

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(Franz Kafka)

»Entschuldigt, Herr!«, verbeugte sich der Diener vor dem Jarl. »Gerade eben traf die Brieftaube ein.«

»Dann reiche mir diesen blöden Kackvogel!«

»Verzeiht, Herr. Ich habe ihn nicht bei mir.«

»Bist du völlig bescheuert? Glotze nicht auf meine Stiefel und stehe hier so bekloppt herum! Lauf und bringe ihn mir!«, ranzte der Jarl und gab dem Pagen einen gepfefferten Tritt. Genervt verdrehte der Herr die Augen. »Herrgott noch mal! Wieso werde ich immer mit dem dümmsten Personal abgestraft?!«

Den Diener wunderte es gewaltig, warum die Brieftaube all diese Mühen und unzählige Meilen hinter sich brachte, um wieder hier auf Slott Mørkhuset zu landen. Er an ihrer Stelle, wäre so weit wie möglich davongeflogen, um ja nicht wieder unter der Knute dieses schrecklich widerwärtigen Cholerikers dienen zu müssen...

Im Großen und Ganzen bedarf es keiner weiteren Charakterbeschreibung, welche den Jarl Bjarne Allvaturson genauer vorstellt. Denn das tat er gerade selbst, - wie er leibt und lebt. Und was das Gefolge von ihm hielt, erfuhren wir durch den Pagen.

Dem Jarl bedeutete sein Ruf sehr viel. Vor allem, wenn sein schlechter ihm weit vorauseilte. Er war der Meinung, wenn das Volk wüsste, mit wem es zu tun habe, sei schon alles geklärt, und könne von Anfang an, alle Hoffnungen auf Milde fahren lassen. Schönfärbereien, schmeichelnde Worte, höfisches Gehabe, all das war dem Jarl tiefst zuwider. Er wälzte sich in der von ihm erzeugten Angst, wie ein Schwein in der Suhle. Er liebte es, wenn das Personal, verängstigt wie die Mäuse, mit wehenden Gewändern davon huschte, um ihm seine Wünsche zu erfüllen. Je schneller, desto besser. So sollte es sein und nicht anders. Ohnehin waren diese Bauerntölpel nicht nur ungeschickt, sondern obendrein störrisch und ungehorsam. Sie mussten eine angeborene Vorliebe für die Bestrafung haben, ansonsten würden sie parieren, und nicht steif wie die Stockfische herumstehen, was geradezu wie eine Einladung zum Schlagen und Treten wirkte. Passivität machte Bjarne aggressiv, Hyperaktivität ließ ihn ausrasten. Ergo: Egal, wie man sich dem Jarl Allvaturson gegenüber verhielt, er reagierte herablassend und feindselig. Schmerzhaft feindselig.

Mitfühlende Menschen, - vorausgesetzt, jemand hätte etwas für den Jarl empfunden - außer Hass versteht sich, würden sagen, dass es dieser Mann in seiner Position nicht gerade leicht habe.

Das Alleinstellungsmerkmal des Jarl, war seine Alleinstellung. Anders ausgedrückt: Er stand völlig allein da, vor allem, weil er es so wollte. Seine Stellung bedeutete ihm sehr viel. Er vereinte Absolutismus und Absolution in persona. Sein Wort ist Gesetz, seine Taten von der Heiligen Römischen Kirche abgenickt. Der Jarl gegen den Rest der verdammten, vernagelten Welt. Diese Vorreiterrolle gefiel ihm. Jeder senkte den Blick gen Boden, wenn er jemanden durch seine kalten, blauen Augen musterte. Bjarne war nicht gerade schön zu nennen, eher interessant. Groß, blond, stattlich. Vom Alter schwer einzuschätzen. Sagen wir, zwischen fünfunddreißig und vierzig. Fragen wir ihn lieber nicht nach seinem wahren Alter, sonst wird er wieder wütend. Und wenn er richtig wütete, war er durchaus in der Lage, die Bibel mit bloßen Händen zu zerreißen – und das tat er auch des Öfteren. Warum? Weil er damit Eindruck schindete. Ungeschicktes Personal bekam dann und wann von ihm ein Buch auf den Schädel geschlagen. Bjarne hoffte insgeheim, so möge die Bildung auf direktem Wege in den Kopf des Dummen einfließen. Bücher betrachtete er nicht als besonders kostbar, und dazu jederzeit ersetzbar. Ihm standen Unmengen Schreiber zur Verfügung. Diese durften sich durchaus geschmeichelt fühlen, von ihm Arbeit und Brot zu erhalten. Und überhaupt, die Bibel war seiner Meinung nach, ein eher langatmiges Buch. Religion spielte nur eine Rolle, wenn er aus der Bibel zitierte, während er jemanden strafend auspeitschte.

Bjarnes gepflegtes Äußeres ließ nicht vermuten, er sei der Verwalter des hohen Norden, dem von ihm verhassten Arsch der Welt. Hier oben waren alle rau und ungepflegt, Funktionalität ging vor Eleganz. Doch er, als königlicher Verwalter, wählte seine Kleidung mit Geschmack, dem europäischen Stil entsprechend, der an den Königshöfen vorherrschte. Ein wahrer Gentleman. Zumindest rein äußerlich.

Es gibt hier oben keinen wahren Gehorsam!, pflegte er zu bemängeln. Der Stursinn liegt den Leuten eindeutig im Blut. Das Blut der Ahnen, ist zu einem wahren Fluch geworden. Diese Menschen sind begriffsstutzig, eigensinnig und kaltblütig. Genau wie ihre Umgebung. Beinharter, verdammter Granit!

So dachte der Jarl und nicht anders.

Dabei gehörte er selbst zum Stamme der Eingeborenen. Allvatursons Vorfahre schlug sich jedoch schnell auf die Seite des Siegers, des ersten christlichen, norwegischen Königs, Olav Tryggvason, der seine Gefolgsleute mit entsprechenden Privilegien ausstattete. Bei verweigerter Gefolgschaft, wäre jeder Nichtgefolgsmann um einen Kopf gekürzt worden. Denn König Olav Tryggvason fuhr einen konsequenten Kurs: Entweder die christliche Taufe, oder Kopf ab!

Und ihm, Bjarne Allvaturson, wurde ebenfalls das Vertrauen des amtierenden Königs zuteil. Er reiste an den Königshof, wurde vorstellig und sah wie das Gefüge aus Macht und Gepränge reibungslos funktionierte. Danach dachte er nur noch abwertend über die einheimischen Wilden, von denen er sich regelrecht umzingelt sah. Ab da, begann er an seiner wahren Herkunft zu zweifeln, bzw. zu verzweifeln. Es ging anders, wie er bei Hofe erfahren durfte. Für ihn kam allerdings dieses widerwärtig gestelzte Geschleime nicht in Frage. Blanker Gehorsam, weniger konnte man wirklich nicht vom Plebs verlangen. Ein gewisser Standard sollte vorherrschen. Der Herr befiehlt, die Knechte dienen. Das war ein gottgegebenes Naturgesetz.

Heutzutage wird behauptet, viele führende Positionen in Politik und Wirtschaft wären von Psychopathen belegt. Aber glaubt jemand, dass dieses Phänomen eines der Neuzeit sei? Wohl kaum.

Warum? Weil gewissenlose Unterdrückung anderer, immer wieder lohnenswert ist. Diese Struktur kommt nicht von ungefähr. Sie ist alt, - alt wie jede Form der Unterdrückung. Irgendwann musste einmal ein ganz cleverer Bursche beschlossen haben, ein König zu werden. Ein Führer, der alle anderen an Macht überflügelte. Es genügte ihm nicht mehr, nur ein normaler Häuptling unter vielen zu sein. Nein, er wollte eine einzigartig übergeordnete Stellung. Ein kluger Plan. Dieses Rezept war so erfolgreich, dass es mannigfaltig kopiert wurde. Ein ganz spitzfindiger König wollte sogar König über andere Könige sein. Also erfand er den Status des Kaisers, den er sozusagen von Gaius Julius Cäsar abkupferte. Aber, - und dies war der geniale Coup - unter dem Deckmäntelchen des Christentum. Der Papst setzte sozusagen, der Frechheit die Krone auf´s Haupt und erhob den König zum Kaiser. Damit wusch eine Hand die andere. Ein Geben und Nehmen. Und wenn ein armer Mensch, den von der Kirche geforderten Zehnt nicht zahlen konnte, dessen Seele wurde mit der ewigen Verdammnis im Fegefeuer gedroht. Erst etwas später, kam ein findiger Kopf auf die Idee, sich von den Sünden freikaufen zu dürfen. Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!

Und all diese dreisten Könige, bzw. Plagiatoren, waren mit ihren perfiden Plänen sehr reich und mächtig geworden. Ihre Schatzkammern füllten sich, weil wieder ein findiger Kopf die Steuer erfand. Ihre Scheunen quollen über, ihre Armeen standen zähnefletschend und säbelrasselnd an den Grenzen bereit.

Nur musste das Volk für all diesen Luxus aufkommen und stets für die hohen Herren hungern und bluten. Also: Egal wie das System auch heißt, es war schon immer existent, lediglich unter anderem Namen geführt. Gewissermaßen macht Übung den Meister und somit ist es nicht verwunderlich, wenn schon damals Psychopathen das Führungsheft in Händen hielten.

Eine dieser Hände war der Jarl, eine Hand, die das verlängerte Instrument des Königs darstellte. Diese Hand wusste sehr genau, was zu tun war. Allerdings bereiteten ihr die Finger arge Schwierigkeiten. Wenn das Volk die Finger der Hand sein sollten, dann stellten sie sich als kalt, widerwillig und störrisch heraus. Vor allem, was den Mittelfinger betraf. Für Bjarne war das Pack ohnehin nur so viel Wert wie abgeschnittene Fingernägel, nichts als Dreck. Aber... Wenn die Finger jucken, bemerkt es auch das Hirn. Mit anderen Worten: Der König war äußerst unzufrieden mit Bjarne Allvaturson. Und wenn der König erst einmal jemanden auf dem Kieker hatte, war es nur mit einem durchschlagenden Erfolg möglich, sich des unliebsamen Fokus wieder zu entziehen.

Der König zählte auf ihn, vertraute auf die stetig fließenden Steuereinnahmen, die der Jarl für ihn abführte. Für den König waren diese Einnahmen unabdingbar, denn die Zeichen standen auf Krieg. Der König der Kalmarer Union, die Norwegen, Schweden und Dänemark beinhaltete, beherrschte den gesamten Ostseeraum. Dieser Umstand missfiel der Hanse, einem Handelsbund mächtiger Kaufleute, überwiegend die des Heiligen Kaiserreichs. Holstein sträubte sich am heftigsten gegen überhöhte Zollgebühren, dazu mischte sich auch noch der Deutsche Orden ein. Das alles führte zu ständigen Konflikten und Reibereien. Da lediglich der Süden Skandinaviens für den Anbau von Getreide in Betracht kam, musste der Süden den Bedarf des Nordens mitproduzieren. Der Norden hingegen versorgte den Süden mit wertvollem Holz, Stockfisch und Pelzen. Wie man es auch wendete und drehte, die Hanse war trotzdem wichtig für den König, denn sie versorgte das Land mit begehrten, exotischen Waren und sorgte mit deren Exporten für einträgliche Devisen. Somit sah der Regent quasi schon seine Felle wegschwimmen. Käme es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, folgten unweigerlich Versorgungsengpässe und Geldverknappung. Bisher profitierten beide Seiten des Bündnisses.

Und nun zum eigentlichen Ärgernis: Die ohnehin schon angespannte Lage, wurde zusätzlich durch diese verdammten Separatisten belastet, die sich zu gerne die langsam segelnden Handelsschiffe der Hanse vornahmen. Die Koggen der Hanse waren den wendigen und schnellen Langbooten der Einheimischen weit unterlegen. Und wäre das nicht schon übel genug, stammten diese Seeräuber von der Insel Høy Øya, die dem Verwaltungsbezirk des Jarl Bjarne Allvaturson unterstand. So ist es offensichtlich, dass der König einen regelrechten Brass auf den Jarl und seine widerborstigen Freibeuter hegte. Als wäre das nicht schon Grund genug zur Ärgernis, bereiteten sie dem Jarl zusätzlich Scherereien, weil die versprengte Gruppe nicht dem christlichen Glauben angehörte. Freischärler zogen es vor, ihre alten Götter anzubeten! Sie erkannten weder den wahren Gott, noch den König an, pflegten die alten Sitten und Gebräuche, pfiffen auf die Gesetze und trieben den Jarl damit geradewegs in den Wahnsinn.

Selbstverständlich legte er sich mit ihnen an, nur galt es als äußerst schwierig, eine sich autark versorgende Insel zu belagern. Mit diesem Vorhaben war er schon mehr als einmal gescheitert. Stattdessen setzte er auf die hohe Kunst der Infiltration.

Während er noch immer angefressen vor sich hin grübelte, erschien endlich der Bursche.

»Herr, die Taube«, reichte der Page ihm das Tier.

»Na, endlich! Ich dachte schon, du hättest dich hier im Gemäuer verlaufen!«, knurrte er ungehalten. Der Vogel quiekte erschrocken, als der Jarl ihm beinahe die Luft abdrückte.

So ganz unrichtig lag der Jarl mit seiner Vermutung nicht. Denn Slott Mørkhuset (Schloss, bzw. Burg Dunkles Haus) trug seinen Namen nicht von ungefähr. Glasscheiben gab es keine, sie waren ihm zu teuer und der König weigerte sich, welche zu bezahlen. Folglich mussten die Bewohner mit geschlossenen Fensterläden vorlieb nehmen, um die eindringende Zugluft und Kälte auszusperren. Rußende Fackeln, Talglichter und Holzkiene sorgten für spärliche Beleuchtung.

»Bursche! Willst du mich verarschen? Wo ist die verdammte Nachricht?«, brüllte der Allvaturson rüde, nachdem er die Beine des Vogels ohne krönenden Erfolg untersuchte.

»Herr! Wenn dort keine Nachricht ist, so war sie auch schon vorher nicht da. Ich habe jedenfalls nichts fortgenommen!«, verteidigte sich der arme Unschuldige. »Sieh nur, wie blutig das arme Tier ist!«

»Schweig, sonst ist es nicht mehr das einzige blutende Lebewesen hier im Raum! Verschwinde, geh mir aus den Augen, bevor meine Geduld am Ende ist! Komm erst wieder, wenn ich dich rufe! Jetzt hau ab, bevor ich mich vergesse!«

Diesen unmissverständlichen Befehl nahm der Page dankend entgegen und vorzog sich schleunigst aus dem Schussfeld.

»Argh! Diese vermaledeiten Freischärler! Jetzt haben sie den Bogen eindeutig überspannt! Mir eine Nase zu drehen und diese blutverschmierte Taube als Nachricht ihres Widerstandes zu senden, lässt das Fass gänzlich überlaufen! Sie wollen mich verhöhnen! Na, dann zieht euch mal warm an!«

Die Taube gurrte zustimmend.

»Ach, halt deinen Schnabel! Wer hat dich denn gefragt!?«, schnappte der Jarl, drehte dem armen Wesen den Hals um und warf es in den Kamin.

Von diesem dreisten Verhalten seiner Untertanen aufgepeitscht, lief Allvaturson auf und ab. Sein raffiniert ersonnener Plan war durchschaut worden. Dabei schien die Gelegenheit so günstig, einen Spion ins Dorf zu schleusen. Der Perser sagte, an diesem Tag fände ein Wettkampf statt, bei dem viele Glücksritter und Gesetzlose reges Interesse zeigten und daraufhin die Insel besuchten. Dem Anschein nach, lockte diese verdammte Insel die Flüchtigen an, wie der Dunghaufen die Fliegen. Selbst Fischer verschwanden bei Nacht und Nebel, um auf dieser Insel ihr Heil zu suchen. Die Bücher des Jarl teilten ihm mit, dass sich Høy Øya zu einem wahren Steuerparadies entwickelte. Was wiederum negativ in seiner eigenen Bilanz zu Buche schlug.

Als er mit seinen bis an die Zähne bewaffneten Männer die Insel stürmte, fand er das Dorf einsam und verlassen vor. Er befahl Feuer zu legen und es dem Erdboden gleich zu machen. Befriedigt kehrte er nach Mørkhuset, seiner Burg zurück, musste dabei aber perplex feststellen, selbst während seiner Abwesenheit, ein Opfer der Rebellenplünderung geworden zu sein. Das Gesinde wurde von den Räubern verschont, was in ihm wiederum den Verdacht weckte, sie hätten den Unholden heimlich Tür und Tor geöffnet. Zum Glück erwuchsen aus dieser Aktion keine Bastarde, denn davon hatte Bjarne bereits selbst genug.

Übrigens, die Bewohner der Insel bauten ihr Dorf mit stoischer Ruhe wieder auf und befestigten es besser als je zuvor.

»Bursche!«, brüllte Bjarne. »Komm sofort zu mir, aber zackig!«

Wenig später stand der Page zitternd vor seinem Herrn. »Du wünscht?«

»Bring mir Al-Ghawl!«

»Sofort, Herr!«, eilte der Bursche von dannen. Wenig später kam er zurück und reichte ihm einen Becher, gefüllt mit besten Wein.

»Was soll das? Bist du denn total übergeschnappt?«, fauchte der Jarl. »Hast du Bohnen in den Ohren?! Ich sagte Al-Ghawl und nicht Alkohol! Du solltest den verdammten Perser zu mir bringen!«

»Oh, verzeiht!«, sprach der Diener entschuldigend und wollte davoneilen.

»Halt, du Idiot! Na gib schon her!«, grapschte der Jarl nach dem Becher. »Hier muss ich aber auch wirklich alles selbst erledigen! Verschwinde!«, gab er dem Ärmsten abermals einen Tritt. Der Page zählte gar nicht mehr mit, wie viele er davon am heutigen Tage schon einstecken musste. Der Jarl leerte den Becher und warf ihn dem flüchtenden Dienstboten hinterher. »Schwachkopf!«, grunzte er abfällig. »Wie schon gesagt! Alles muss ich selbst machen!«

Was er auch sogleich in die Tat umsetzte. Derwischmäßig stürmte er aus dem großen Saal und durchquerte etliche dunkle Gänge. Manchmal fühlte er sich wie ein Troll, der irgendwo tief unter der Erde hauste. Unterwegs lief ihm seine Gemahlin über den Weg.

»Platz da, Weib!«, ranzte er nicht gerade liebenswürdig, was einiges über ihr Verhältnis zueinander aussagte. Wie er sie verabscheute! Wenn nicht sein Vater so einen Druck auf ihn ausgeübt hätte und das Weib mit so einer Mitgift gesegnet gewesen wäre, nicht einmal mit dem Hintern würde er so einem hässliche Weibsbild Beachtung schenken. Jedes Mal war es die reinste Qual für ihn, mit ihr einen Nachfolger zu zeugen. Schon vorher war Greta nicht besonders attraktiv zu nennen. Jetzt, wo sie ihm bereits vier Töchter geschenkt hatte, war ihr Hintern breiter als ein Fuhrwerk. Sie gebar ihm nur Mädchen... Die hätte sie sich auch schenken können! Verbitterung machte sich in ihm breit. Ersaufen hätte ich diese Gören sollen, sie kommen alle durch die Bank weg, nach ihrer abscheulichen Mutter! In seinen Augen war die Mühe umsonst gewesen. Der Ekel, die Abscheu – all das musste er über sich ergehen lassen, um hinterher wieder keinen Stammeshalter zu bekommen. Nun trug Greta bereits das fünfte Kind aus. Mit ihrem aufgedunsenem Leib, konnte sie es mit einer Wasserleiche aufnehmen. Das Gleiche galt für ihren Teint. Dagegen wirkte ein Fischbauch attraktiver. Übrigens auch das Gesicht davon.

»Guten Morgen, mein Gemahl«, nickte Greta würdevoll. Soweit eine Gans das konnte. Denn daran erinnerte sie ihn, und etwas anderes stellte sie in seinen Augen nicht dar. Greta erinnerte an ein wildes Sammelsurium des Tierreichs. Sie meckerte wie eine Ziege, kaute wie eine Kuh, glotzte wie ein Schaf und watschelte wie eine Gans. Automatisch schüttelte es Bjarne. Dieses Weib machte ihn allein durch ihre Gegenwart zornig. Wie vom Blitz getroffen hielt er inne.

»Was soll an diesem Morgen noch gut sein, jetzt nachdem ich dich gesehen habe? Eins sage ich dir, Weib! Wenn du mir diesmal keinen Sohn schenkst, werde ich dich verstoßen! Stattdessen ernenne ich einen meiner Bastarde als rechtmäßigen Erben!«, keifte er aufgebracht.

»Du willst mich verstoßen? Dann werde ich alles daran setzen, meine Mitgift wiederzubekommen. Du wirst sehen, mein Lieber. Mein Vater wird Sorge dafür tragen. Denn im Gegensatz zu dir, habe ich noch einen Vater, weil ich meinen nicht umbringen ließ, so wie du es tatst. Und glaubst du, mir ist ohnehin nicht klar, dass du es lieber mit deinen Mägden und Bäuerinnen treibst, als mit mir, deinem vor Gott angetrauten Eheweib?«, bemerkte sie nüchtern.

»Das will ich mal sehen, wie du dein mitgebrachtes Land wieder aus meinem Besitz entfernen willst. Zu diesem Zweck, gebe dir gerne eine Schaufel in die Hand. Schweig, du dummes Weib! Rede mir nicht so über meinen Vater. Den hätte ich noch vor unserer Heirat beseitigen lassen sollen, dann wärst du mir erspart geblieben. Aber hinterher ist man ja meistens wesentlich klüger. Und denke daran, dir könnte ebenfalls etwas ausgesprochen Schlimmes widerfahren. Vielleicht ein Sturz von den Zinnen? Sieh dich doch mal an! Jede Kuh ist attraktiver als du. Jetzt raube mir nicht die Zeit, geh und sticke, oder was ihr Weiber den ganzen Tag so treibt! Oder noch besser: Klöpple mir einen Stammhalter, aber gib dir diesmal Mühe und vergiss den Zapfen nicht!«, fauchte Bjarne und ließ die bemitleidenswerte Dame hinter sich zurück.

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Lausige Zeiten

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