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Kapitel 4

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Anke stellte ihren Wagen auf dem kleinen Parkplatz vor dem Appartementhaus ab, in dem sie wohnte. Sie durchquerte das Parterre, verließ es durch die Hintertür wieder und steuerte den schmalen Pfad an, der sie zur Rückseite von Kullmanns Haus führte. Jedes Mal, wenn sie diesen Weg zu ihrem ehemaligen Chef und Mentor zurücklegte, erfreute sie sich daran, wie geschickt sie ihre Lebenssituation hatte einrichten können. Als alleinerziehende Mutter, die ihrer Arbeit als Kriminalbeamtin nachgehen wollte, war Kinderbetreuung unumgänglich. Und wer war dafür besser geeignet, als der ehemalige Chef, dem sie mehr vertraute als jedem anderen Menschen in ihrem Leben.

Schon von weitem hörte sie Lisas Lachen. Es ging ihr gut. Was gab es schöneres für Anke, als ihre Tochter glücklich zu wissen.

Als Lisa ihre Mutter sah, kam sie so schnell sie konnte auf sie zugelaufen. Überglücklich nahm Anke ihre Tochter in die Arme und trug sie zur Terrasse, wo Kullmann und seine Frau Martha beim Abendbrot saßen.

»Warst du bei Rondo?«, fragte Lisa immer wieder.

»Ja, ich war bei Rondo«, erklärte Anke und hüpfte mit ihrem Kind im Arm durch den Garten, als sei sie ein Pferd.

»Ich will Rondo reiten«, stellte Lisa ihre Forderung klar.

Als Anke nicht reagierte, wurde sie ungeduldig.

»Reiten! Reiten! Reiten!«, rief Lisa. »Wann darf ich auch mal?«

»Morgen«, überlegte Anke, ein Entschluss, den sie schon bereute, kaum dass sie ihn ausgesprochen hatte.

»Ist das nicht zu gefährlich?«, fragte Martha besorgt.

»Ach was! Lisa kann doch schon auf dem Pony ihrer Freundin reiten. Und Rondo ist viel braver als das Pony.« Anke bemühte sich um ein entspanntes Lächeln.

»Aber auch viel größer!«, sprach Martha genau das aus, was Anke beschäftigte.

Sie setzte ihre Tochter auf dem Boden ab.

Froh gelaunt hüpfte die Kleine durch den Garten. Inmitten der Grünanlage stand die große Schaukel, die Kullmann im Schweiße seines

Angesichts aufgebaut hatte, als Lisa noch in den Windeln gelegen hatte. Sie setzte sich auf einen der Hängesitze und wippte mit Schwung hin und her. Das war ein wirksames Mittel für Lisa, ihren Übermut zu bändigen. Kullmanns Wunderwerk war anfangs auf größte Skepsis gestoßen; heute verging kein Tag, ohne dass Lisa daran schaukelte.

Anke schaute ihrer Tochter zu, wie sie die Schaukel verließ und sich eine neue Beschäftigung suchte. Mit ihrer neuen Jeans, die den Schnitt einer Caprihose hatte, stolzierte sie zwischen ihren Spielsachen umher, die überall verstreut im Garten herumlagen. In ihrer neuen Garderobe sah sie geradezu perfekt aus. Stramme Beinchen lugten heraus. Ihr Gesicht war gerötet vor Aufregung, weil sie es genoss im Mittelpunkt zu stehen. Immer wieder schaute sie zurück, um sich zu vergewissern, dass ihr auch alle zusahen.

»Wie war dein erster Ausritt mit deinem eigenen Pferd?«, fragte Kullmann nach dem Abendbrot. Er war gerade dabei, jedem eine Flasche Bier zu öffnen.

Anke freute sich schon auf das kühle Gebräu. Doch mit seiner Frage riss er sie aus ihren Träumereien.

Kaum hatte Kullmann ihr die geöffnete Flasche vor die Nase gestellt, bemerkte er schon, dass sie etwas bedrückte. »Bist du runtergefallen?«

Martha schnappte nach Luft.

Anke zögerte eine Weile, bis sie antwortete: »Nicht nur das.«

»Was ist passiert? Hast du dich verletzt?«

»Nein! Ich bin unglücklicherweise auf einem Skelett gelandet.«

Eine Weile schauten Kullmann und Martha sie schweigend an, was in Anke das Gefühl vermittelte, sie würden ihr nicht glauben. Es dauerte eine Weile, bis Kullmann nachhakte: »Ein Tierskelett?«

»Nein! Ein menschliches Skelett.«

Nun war er so überrascht, dass er aufstand und einige Schritte auf der Terrasse auf und ab ging. Dann stellte er sich vor Anke und meinte: »Deine Arbeitswut verfolgt dich bis in dein Freizeitvergnügen. Vermutlich ist es kein Zufall, dass ausgerechnet du auf einem Skelett gelandet bist.«

»Was soll das heißen?«

»Dass ein Jäger vermutlich auf einem Reh gelandet wäre oder ein Schuster auf einem alten Schuh. Du bist bei der Abteilung für Tötungsdelikte, prompt landest du auf einer Leiche.«

»Das musst du gerade sagen. Kaum warst du pensioniert, bist du über eine Tote gestolpert. Und das noch in einer Angelegenheit, bei der niemand an ein Verbrechen glauben wollte.«

Mit einem Nicken setzte er sich, nahm seine Flasche Bier und prostete seiner Frau und Anke zu.

»Warum regst du dich so auf?«

Kullmann stellte sein Bier ab, schaute Anke eine Weile an, bis er fragte: »Gibt es schon Vermutungen darüber, wie lange die Knochen dort liegen?«

Anke berichtete ihm von den archäologischen Untersuchungen, die durchgeführt wurden, um ausschließen zu können, dass es sich um einen keltischen Fund handelt.

Kullmanns Blick wurde skeptisch.

»Erklär mir doch bitte dein Interesse an meinem Fund!«

»Ich gebe zu, dass ich sofort an etwas denken musste.«

»An einen alten Fall?«, hakte Anke nach.

»In meiner Dienstzeit hat es mal einen Mord ohne Leiche gegeben – und zwar in Ormesheim. Ich weiß die Einzelheiten nicht mehr. Aber bevor ich die Pferde scheu mache, warte ich erst einmal ab, was deine Abteilung herausfindet. Vielleicht liege ich auch falsch und bringe euch auf die falsche Spur.«

»Klar! Du neigst dazu, uns ständig auf die falsche Spur zu bringen«, spottete Anke.

»Halte mich einfach nur auf dem Laufenden! Sollte ich mich irren, bin ich froh, den Mund gehalten zu haben. Wenn nicht, kann ich immer noch nach der Akte suchen lassen. Was hältst du von dem Vorschlag?«

»Ich habe dich noch immer über meine Arbeit auf dem Laufenden gehalten. Warum sollte ich es ausgerechnet jetzt nicht mehr tun?«

»Du bist heute kratzbürstig«, tadelte Kullmann. »Hat dir der Sturz die Laune verdorben?«

Verdutzt schaute Anke ihren ehemaligen Chef und Mentor an. Er hatte Recht, sie benahm sich aufmüpfig. Dazu hatte sie keinen Grund – und Kullmann gegenüber schon gar nicht.

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