Читать книгу Momente des Erkennens - Emma zur Nieden - Страница 10
Оглавление7
Als Stefanie zur Tür hereinkam, wunderte sie sich darüber, im Wohnzimmer Licht zu sehen. Hab ich das heute Nachmittag irgendwie versehentlich angelassen?, fragte sie sich.
Sie betrat den Raum und erschrak, weil Ruth auf der Couch saß. Vor sich ein Glas Rotwein. Der Dekantierer gab darüber Auskunft, dass sie bereits seit einer Weile dort sitzen musste.
„Was machst du schon hier?“, fragte Stefanie verwirrt. Sie wusste, dass Ruth immer eine der letzten war, die die Grillfeste bei ihrem Chef verließ.
„Und wo kommst du jetzt her, wenn ich fragen darf?“, wollte Ruth wissen. Sie war augenscheinlich sauer.
„Wie du weißt, war ich mit meiner Kollegin Hannah zum Skaten verabredet“, antwortete Stefanie schnippisch, weil sie sich getadelt fühlte.
„Und ihr seid bis vorhin geskatet?“, fragte Ruth ironisch. „Mit Stirnlampe, oder wie?“
„Natürlich nicht!“ Stefanies Ton war patzig. Sie fand es befremdlich, von Ruth ausgefragt zu werden, als wolle sie sie kontrollieren. Dazu gab es keinen Anlass. „Hannah hat mir angeboten, eine Unterrichtseinheit mit ihrer Hilfe zu konzipieren.“
„Im Vorbereitungsdienst hast du das auch allein hinbekommen!“ Ruth klang eindeutig vorwurfsvoll.
„Da hatte ich allerdings einen Schimmer von der Materie. Inlineskaten ist völliges Neuland für mich“, erklärte Stefanie. „Warum bist du nicht beim Dekan im Garten?“
„Du dachtest, du könntest die Nacht ohne mich verbringen?“ Eifersucht schwang in Ruths Stimme mit.
„Quatsch! Du gehst nie derart früh nach Hause, wenn wir zusammen zur Fete gehen“, bemerkte Stefanie nüchtern. „Deshalb habe ich nicht auf die Zeit geachtet, weil ich wusste, dass du noch nicht zu Hause sein würdest. Ich bin ehrlich erstaunt, dich bereits um diese Uhrzeit in der Wohnung anzutreffen.“ Ein Blick auf die Uhr bestätigte Stefanie, dass Ruth weit vor ihrer üblichen Zeit vom Grillfest des Dekans zurück war.
„Enttäuscht?“ Ruth hielt den Atem an, als hätte sie Angst vor einer Antwort.
„Wieso?“ Stefanie war entrüstet über Ruths Unterstellung. „Ich hatte keine Lust, den Rest des Abends allein vor dem Fernseher zu sitzen.“ Stefanie sandte Ruth einen liebevollen Blick.
„Ohne dich war es langweilig.“ Ruth hatte den Tonfall eines trotzigen Kindes angenommen. Das war ungewöhnlich. Sie trat stets als die taffe, nichts dem Zufall überlassende Professorin auf – selbst Stefanie gegenüber. Schwächen oder Verletzlichkeit zeigte sie so gut wie nie.
„Wenn wir da sind, unterhältst du dich ununterbrochen mit den anderen und nicht mit mir. Manchmal würdigst du mich keines Blickes.“ Stefanie konnte die Traurigkeit nicht aus ihrer Stimme heraushalten.
„Der Trick ist, dass ich dich jederzeit ansehen könnte.“ Ruths Stimme wurde weich. „Und ich tue es oft, wenn du nichts davon mitbekommst. Dabei wird mir immerzu klar, dass du die attraktivste Frau bist, die sich dort aufhält.“
Ruth war eine Meisterin im Umgarnen Stefanies. Diese ging auf Ruth zu und setzte sich rittlings auf ihren Schoß.
„So, so“, Stefanie schien den Schalk im Nacken zu haben. „Du schaust dir also die anderen Frauen haargenau an und vergleichst sie mit mir. Sollte ich etwa eifersüchtig sein?“
Ruth beantwortete die Frage nicht, sondern küsste Stefanie stattdessen zunehmend leidenschaftlicher. Atemlos hielt Stefanie einen Moment inne.
„Du antwortest mir nicht“, beharrte sie. Das Szenario von Ruths letztem Fehltritt tauchte vor ihrem inneren Auge auf.
„Du hast keinen Grund zur Eifersucht!“, beruhigte Ruth ihre Zukünftige. „Und ich? Habe ich Grund zur Eifersucht?“
„Was für ein Unsinn! Wie kommst du auf einen derart abwegigen Gedanken?“ Stefanie runzelte die Stirn. Sie hatte Ruth noch nie betrogen und hatte auch nicht vor, es zu tun.
„Du treibst dich schließlich bis spät in die Nacht mit fremden Frauen herum.“
„Erstens ist Hannah keine Fremde und zweitens ist sie heterosexuell.“ Stefanie wusste nicht, warum sie sich rechtfertigte. Die Richtung des Gesprächs gefiel ihr nicht. Ruths Hand hatte sich unter ihre Bluse geschlichen und streichelte über ihren Rücken. Das gefiel ihr. Sie beschloss, die Unterhaltung nicht weiterzuführen und sich lieber diesen zärtlichen Berührungen hinzugeben.
Dieses Mal sorgte Stefanie für den nächsten Kuss. In einer kurzen Pause murmelte Ruth: „Das kann sich ändern!“ Es war Stefanie nicht klar, worauf sich die Bemerkung bezog, deshalb ignorierte sie sie. Sie wollte lieber Ruth erregen und selbst um den Verstand geliebt werden. Sie griff unter deren T-Shirt und schob den BH hoch, um besser an ihre Brüste heranzureichen. Sie erregte die Brustwarzen, indem sie mit ihren Daumen darüberfuhr.
Ruth stöhnte laut. „Hör nicht auf!“, forderte sie.
Und Stefanie fuhr fort, zärtlich über Ruths Warzen zu fahren.
„Du machst mich ganz nass!“ Ruths Stimme klang rau.
„Das will ich spüren“, flüsterte Stefanie der Geliebten ins Ohr. Mit den Händen griff sie zum Reißverschluss von Ruths Jeans und öffnete ihn. „Lass mich die Hose ausziehen!“
„Nein! Ich will dich mit Jeans!“ Stefanie war heiser vor Erregung. Woher dieser Wunsch kam, hätte sie nicht zu sagen gewusst, falls jemand sie gefragt hätte. In ihrer Beziehung mit Ruth war sie eher die Scheue, weil sie wusste, dass Ruth mit Vorliebe die Eroberin spielte. „Mach die Beine breit!“, forderte sie und war fassungslos über ihre ungehörigen Worte, die sonst nicht zu ihrem Sprachgebrauch gehörten. Eine tiefe Röte legte sich über ihre Wangen. Davon bekam Ruth indes nichts mit, weil sie sich auf das ungewohnte Liebesspiel einließ und ihre Augen geschlossen hielt. Die Überraschung schien sie anzuheizen. Ihr Atem zeugte von der angenehmen Anregung.
Ruth gehorchte ihr und öffnete ihre Beine, soweit es die starre Jeans zuließ. Stefanie erkundete trotz der Enge deren Mitte. „Göttin, bist du feucht!“
„Du hast mich … verdammt … heiß … gemacht mit dem, … was du … verlangt hast!“ Ruth atmete schwerfälliger und bewegte ihr Becken.
Sie zog scharf die Luft ein, als Stefanie an ihrer Klit rieb. „Kommst du überhaupt dran?“, wollte sie besorgt wissen.
„Gefällt dir das?“, fragte Stefanie mit kratziger Stimme, weil es sie selbst ebenfalls erregte, was sie sagte und tat.
„Und wie!“ Ruth warf ihren Kopf nach hinten auf die Lehne der Couch. „Schneller!“.
Stefanie beschleunigte die Geschwindigkeit der Hand, die an Ruths empfindlichster Stelle rieb. Ruth kam binnen kurzer Zeit. Sie schrie den Orgasmus heraus und keuchte.
Als ihr Atem sich beruhigt hatte, flüsterte sie zärtlich: „Das war der Wahnsinn!“
„Ich fand es genauso himmlisch!“ Stefanie streichelte über Ruths Gesicht.
Als Ruth indessen Anstalten machte, Stefanie auf der Couch zu verführen, gebot Stefanie dem Einhalt. „Ich möchte nicht!“, bat sie. „Lass uns ins Bett gehen und ein bisschen kuscheln.“
Ruth nickte. „Komm!“ Sie hatte sich inzwischen aus Stefanies Armen befreit und war aufgestanden. Sie zog Stefanie in ihre Arme und schob sie rückwärts in Richtung des Schlafzimmers.
Endlos lang lag Stefanie nackt auf der ebenfalls nackten Ruth, deren sanftes Streicheln auf ihrem Rücken sie genoss. Das war es, was sie liebte. Sie konnte sich dieser intimen Zärtlichkeit unaufhörlich hingeben, ohne befriedigt zu werden. Und die Geräusche, die sie von sich gab, ähnelten dem Schnurren einer Katze. Ruths Zärtlichkeit war Stefanie vollkommen genug.
Doch irgendwann konnte Ruth der Versuchung nicht widerstehen und führte einen Orgasmus bei Stefanie herbei. Stefanie betrachtete Ruths zufriedenen Gesichtsausdruck, nachdem diese eingeschlafen war.
Sie wusste indes nicht, was sie davon halten sollte, dass Ruth ein weiteres Mal ihren Wunsch nicht respektiert hatte, keinen Orgasmus haben zu wollen. Natürlich mochte sie es, zum Höhepunkt zu kommen. Sie liebte es jedoch ebenso sehr, nah bei der Geliebten zu liegen, gehalten zu werden, zu kuscheln. Nähe und Zärtlichkeit zu spüren. Zwei Dinge, die Ruth selten gewährte.
Zärtlich zu sein stand bei Stefanie ähnlich hoch im Kurs wie bei Ruth der Orgasmus. Der sich anschließende Sonntag, den sie im Bett verbrachten, war äußerst orgasmuslastig. Stefanie hätte es durchaus genügt, stundenlang in Ruths Armen zu liegen und ihre Haut auf ihrer eigenen zu spüren. Den Herzschlag zu fühlen, die Gänsehaut zu sehen, die ihr Streicheln auslöste. Stefanie konnte Ruth diese Besessenheit von Orgasmen einfach nicht abgewöhnen.
Und Liebesspiele hielten einen davon ab, miteinander zu sprechen – vom Liebesgeflüster einmal abgesehen. Bereitwillig hätte sie Ruth ausführlicher auf die Frage „Wie war´s?“ über ihre ersten Wochen als Lehrerin erzählt. Über ihre Schwierigkeiten als Anfängerin in ihrem Beruf, zum Beispiel beim Disziplinieren der Schülerinnen und Schüler. Es schien, als wolle Ruth darüber nichts hören, als wolle sie sich das Bild der Vorzeigestudentin bewahren, der besten Absolventin im Vorbereitungsdienst, die alle Schwierigkeiten mit links bewältigte, ohne einen Anflug von Zweifel oder Unfähigkeit zu zeigen. Dabei hatte es Unsicherheiten durchaus während des Referendardienstes gegeben. Ruth hatte derartige Gespräche allerdings sofort strikt abgeblockt, als interessiere es sie nicht, was Stefanie tatsächlich bewegte. Oder als wolle sie es gar nicht wissen. Ruth hingegen erzählte beim Abendessen immer ausführlich, wie machomäßig sich ihre professoralen Kollegen aufgeführt hatten.
Immerhin hatte Stefanie zwischendurch in der Schule den einen oder anderen Tipp von einer netten Kollegin bekommen, die über einige Jahre Berufserfahrung verfügte. Auch Hannah hatte sie unentwegt beruhigt und von ihren eigenen Schwierigkeiten zu Beginn ihrer Schulkarriere berichtet. Dadurch ging Stefanie gelassener in jede Unterrichtsstunde und vertraute darauf, dass sich mit dem Einstellen einer gewissen Routine die Disziplinprobleme besser bewältigen ließen.
Stefanie hätte es vorgezogen, diese Tipps, die sie hin und wieder von ihr nahezu fremden Personen bekam, die Ermunterungen, die die Kolleginnen nicht müde wurden auszusprechen, von Ruth zu bekommen. Bevor sie die Stelle als Professorin angetreten hatte, hatte sie selbst zwei Jahre im Schuldienst gearbeitet und hätte zweifellos den einen oder anderen Hinweis geben können.