Читать книгу Momente des Erkennens - Emma zur Nieden - Страница 4
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Gedämpftes Gemurmel belebte das Wohnzimmer. Die Gäste standen in kleinen Grüppchen zusammen, lachten und scherzten. Mittendrin reichten Stefanie Lehberg und ihre Zukünftige Ruth Sondermann Getränke und Häppchen herum.
Ruth stellte ihr Tablett ab, nahm ihr Sektglas und schlug mit einem Teelöffel dagegen. Ein leises Klirren erklang und ließ alle Gespräche verstummen.
Ruth räusperte sich kaum hörbar und sprach in die Stille hinein.
„Liebe Gäste!“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, während sie in die Runde blickte und ihre Augen an Stefanie hängenblieben. „Wie ihr wisst, haben wir heute einen besonderen Anlass zum Feiern.“ Ruths Lächeln ruhte auf Stefanie, die warmherzig zu ihr hinübersah und an ihren Lippen zu kleben schien. „Stefanie wird nach den Sommerferien ihre erste Stelle als Lehrerin antreten, und darauf wollen wir anstoßen.“ Ruth erhob ihr Glas in Richtung ihrer Freundin: „Ich trinke darauf, dass du es in deiner Schule annähernd angenehm antriffst wie in deinem Referendardienst.“
„Und dass du Kraft und Energie genug hast, diesen facettenreichen Beruf zu meistern“, erklang eine andere Stimme.
„Und ich trinke darauf, dass du allzeit genug Ferien hast.“ Diese Äußerung rief allgemeines Gelächter hervor.
Stefanie erhob selbst die Stimme: „Und ich trinke darauf, dass ich stets genug Zeit für meine Freundinnen und Freunde habe.“ Die Partygäste setzten ihr Sektglas an und tranken auf all die Dinge, die gewünscht worden waren.
Ruth war nah an Stefanie herangetreten, um sie mit ihrem freien Arm zu umfangen und ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken.
„Danke!“, flüsterte Stefanie der Geliebten ins Ohr. Die beiden lösten sich voneinander und mischten sich unter die Gäste.
„Warst du schon an deiner neuen Schule?“, wollte Gabi, eine Referendarkollegin, von Stefanie wissen.
„Zweimal.“
„Und wie ist sie?“
„Sie macht einen ganz und gar bodenständigen Eindruck“, stand Stefanie Rede und Antwort. „Dem Augenschein nach sind die Kollegen recht nett. Und es riecht exakt wie an der Schule, an der ich Abi gemacht habe.“ Stefanie lächelte in die Runde der Freundinnen und Freunde, die durch ein Nicken kundtaten, dass ihnen ebenfalls der Geruch ihres altehrwürdigen Gymnasiums, auf dem sie einst die Schulbank gedrückt hatten, unverzüglich in der Nase hing.
„Und kennst du die Klassen, in denen du unterrichten sollst?“, wollte Holger wissen, ein ehemaliger Kommilitone, der derzeit bei Ruth promovierte.
„Nein“, antwortete Stefanie. „Als ich vor den Ferien einen Termin mit der Schulleiterin hatte, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, wie die Unterrichtsverteilung aussieht, weil bisher die Entscheidung einer zweiten Kollegin aussteht, ob sie an diese oder eine andere Schule gehen wird. Es scheint lediglich festzustehen, dass ich Klassenlehrerin einer 5. Klasse werde.“
„Das hört sich toll an“, war Gabi vollkommen begeistert.
Stefanie nickte. „Und ich fiebere meinem ersten Schultag regelrecht entgegen.“
Ruth und Stefanie liefen in der Wohnung mit benutzten Platten, Tellern und Gläsern hin und her, nachdem der letzte Gast gegangen war. Obwohl die Spülmaschine lief, stand die Anrichte voller dreckigem Geschirr. Die Essensreste waren bereits entsorgt.
Stefanie stellte eine weitere Ladung benutzter Gläser auf die überfüllte Arbeitsplatte, als Ruth sie von hinten umfing und in ihr Ohr flüsterte: „Sämtliches Geschirr ist abgeräumt. Die Spülmaschine läuft. Ich finde, wir sind fertig für heute und können uns den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen.“ Dabei lutschte sie verführerisch an Stefanies rechtem Ohrläppchen und verursachte ein dunkles Stöhnen.
„Du weißt, dass ich dieses Chaos am Morgen verabscheue.“ Stefanie befreite sich aus Ruths Armen und klang ungehalten.
„Bis die Spülmaschine fertig ist, dauert es noch ewig. Wir haben das Wohnzimmer komplett aufgeräumt. Die Tische sind sauber und stehen wieder an ihrem alten Platz. Lediglich in der Küche herrscht eine zu vernachlässigende Unordnung …“ Ruth sprach in ihrem verführerischsten Ton und näherte sich Stefanie dieses Mal von vorne, um sie zu umarmen und ihr erotische Küsse auf ihr offenherziges Dekolleté zu hauchen.
„Darüber kann man geteilter Meinung sein.“ Stefanie runzelte die Stirn. Ruth hatte Recht. Die Spülmaschine brauchte mindestens eine weitere halbe Stunde. Und das Wohnzimmer war zumindest vorzeigbar.
Stefanie ließ sich auf Ruths Ablenkungsversuch ein, legte den Kopf nach hinten und genoss die fordernden Berührungen der Freundin, die ihre Hände über Stefanies Brüste gleiten ließ und eine Gänsehaut an deren Vorderseite hervorrief.
Allein ihr Kopf ließ sich nicht abschalten, und ihre Gedanken waren bei dem Chaos, das in der Küche herrschte und sich nicht vor morgen Früh beseitigen ließ, wenn sie nicht die halbe Nacht mit dem Aus- und Einräumen der Spülmaschine zubringen wollte. Dasselbe wie soeben war ihr des Öfteren im Vorbereitungsdienst passiert, wenn Ruth ihre Hände nicht bei sich behalten wollte, während sie, Stefanie, eine wichtige Unterrichtsprobe vorzubereiten hatte und mit ihren Gedanken überall war, bloß nicht bei Ruth und ihrem Tun. Deshalb war ihr Liebesleben eine Zeitlang erlahmt. Ruth war darüber nicht besonders erfreut gewesen, das wusste Stefanie. Ruths Libido war ausgesprochen ausgeprägt und nicht zu bremsen. Deshalb gab sie den fordernden Berührungen ihrer Partnerin nach. Sie selbst hätte am liebsten den Rest des Chaos´ beseitigt, damit die finalen Arbeiten am Morgen flugs von der Hand gingen.
Einen mühsamen Orgasmus später bemerkte Ruth vorwurfsvoll: „Du warst fast gar nicht nass!“ Sie lag schwer atmend vor Anstrengung im gemeinsamen Bett neben Stefanie.
„Tut mir leid!“, entgegnete Stefanie geknickt. „Du weißt, dass ich die Unordnung in der Küche verabscheue und sie am liebsten schleunigst beseitigt hätte. Ich war nicht bei der Sache.“
„Das war nicht zu übersehen. Du musst mal abschalten, gerade wenn die Welt um dich herum zusammenzubrechen scheint.“ Ruths Stimme klang höchst ungehalten, wenn nicht gar vorwurfsvoll, und sie prophezeite: „Wenn du das in deinem Job nicht schaffst, wirst du untergehen.“ Und eine Spur leiser fügte sie hinzu: „Und unsere Beziehung ebenfalls.“
„Ich weiß das“, erwiderte Stefanie reumütig. „Und du weißt, dass ich daran arbeite.“
„Nicht erfolgreich bis jetzt“, kommentierte Ruth zynisch die bislang vergeblichen Versuche Stefanies, ruhiger werden zu wollen. Das autogene Training hatte bisher nicht den erhofften Erfolg gebracht. Stefanie hatte mit dem Kurs aber auch erst vor drei Wochen begonnen.
Ruth drehte sich um und lag mit dem Rücken zu Stefanie. Die versuchte, die Freundin zu besänftigen, indem sie ihr über den Rücken küsste und streichelte.
„Lass mich“, forderte Ruth und entzog sich ihrer Geliebten mit einer ruckartigen Bewegung. „Ich bin nicht mehr in Stimmung.“ Stefanie war klar, dass Ruth zuletzt mehrere Male unbefriedigt eingeschlafen war, weil sie die Lust verloren hatte, wenn es mal wieder zu mühsam mit Stefanies Befriedigung gewesen war. Trotz ihres schlechten Gewissens – Stefanie nahm sich vor, demnächst anhänglicher zu sein als üblich, um Ruth zu besänftigen – schlief sie zügig ein.