Читать книгу Momente des Erkennens - Emma zur Nieden - Страница 12
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Als Stefanie das Lehrerzimmer betrat, war sie verdutzt, Hannah mit einem Kaffee bewaffnet an ihrem Platz vorzufinden. Die Kollegin begann den Montag normalerweise erst zur dritten Stunde.
„Was machst du so früh in der Schule?“, fragte sie erstaunt.
„Dir auch einen wundervollen Guten Morgen!“, erwiderte die Angesprochene gelassen. Ihre Augen lächelten amüsiert.
„Natürlich!“ Stefanie fasste sich an die Stirn. „Einen wunderbaren Morgen wünsche ich dir auch!“ Sie setzte sich auf ihren Platz.
„Heute findet in unserer Halle eine ganztägige Volleyball-Fortbildung statt, die ich leite.“
„Ich habe mich schon darüber gewundert, warum die Halle gesperrt ist.“ Stefanie holte die Butterbrotdose und den Apfel aus ihrer Schultasche. „Also verbringen wir heute die fünfte Stunde nicht miteinander?“ Stefanie fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Eigentlich hatten die beiden Frauen eine gemeinsame Freistunde in der Fünften, in der sie seit Wochen plaudernder und lachender Weise an ihrem Platz gesessen hatten. Stefanie hatte sich unbändig darauf gefreut. Es wäre das Highlight eines besonders anstrengenden Schultages nach dem Wochenende geworden. Dieser gemeinsamen Zeit verdankte es Stefanie, dass sie den Anfang der Woche überhaupt überstand.
„Leider nicht“, bestätigte Hannah. „Wie wär´s stattdessen mit einem Salat beim Italiener morgen nach der Sechsten?“
„Ich bekomme morgen meine erste Klassenarbeit auf den Tisch!“ Enttäuschung legte sich auf Stefanies Gesicht, weil sie am Dienstag keine Zeit für ein gemeinsames Mittagessen haben würde.
„Essen musst du trotzdem, oder?“, gab Hannah zu bedenken. „Außerdem brauchst du nach sechs Schulstunden dringend eine Pause, bevor du wichtige Korrekturentscheidungen fällst.“ Hannah schien die Bedeutung des Dienstags für Stefanies Arbeitsaufkommen bewusst zu sein. Es war ihr „Großkampftag“. Sie unterrichtete sechs Stunden am Stück und war in einer der Pausen für die Aufsicht eingeteilt. Etliche Male hatte Stefanie nach dem Unterricht im Lehrerzimmer gesessen und war Hannah begegnet. Ihr war sicher nicht entgangen, wie erschöpft Stefanie nach einem endlosen Tag ausgesehen hatte. In solchen Situationen verwickelte sie Stefanie in ein Gespräch, um die Anspannung ein wenig zu lösen. Stefanie fühlte sich nach solchen Unterhaltungen wesentlich entspannter als vorher.
„Wie war eigentlich dein Wochenende?“, fragte Hannah unverbindlich.
Stefanie errötete. Ruth und sie hatten – wie häufiger in den vergangenen Wochen – den Sonntag im Bett verbracht. Zahlreiche Orgasmen waren dabei im Spiel gewesen. Dass sie einen Großteil des Wochenendes mit Ruth im Schlafzimmer gewesen war, kam ihr bei Hannahs Frage natürlich unmittelbar in den Sinn, und es war ihr peinlich, dass man ihr ansah, wie das Wochenende verlaufen war.
Hannah grinste frech.
Stefanie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her.
„Das muss dir nicht peinlich sein“, versuchte Hannah die Situation zu entkrampfen, und leiser fügte sie hinzu: „Eine regelmäßige, erfüllende Sexualität ist doch etwas sehr Schönes.“
„Dass man es mir aber auch immer gleich ansehen muss“, ärgerte sich Stefanie.
„Außer mir hat es niemand bemerkt“, war Hannah überzeugt. Es war weit vor Unterrichtsbeginn. Längst waren nicht alle Kolleginnen und Kollegen anwesend, die zur ersten Stunde mit dem Unterricht begannen. Die beiden Freundinnen hatten ihre Plätze in einer abseitigen Ecke. Auf diese Weise konnten ihre Gespräche privat bleiben.