Читать книгу Liebesschwüre zum Dessert - Emma zur Nieden - Страница 10

Оглавление

7

Um die Mittagszeit herum trudelten die beiden Köchinnen in der Restaurantküche ein. Charlotte hievte einen offensichtlich schweren Einkaufsbeutel ächzend auf die Arbeitsfläche, während Felizitas ihre Schürze zuband. Charlotte ging auf Felizitas zu und deutete links und rechts einen Kuss auf die Wange an. Überrascht bemerkte Felizitas, wie erhitzt Charlotte war. Ihr Herz schlug Kapriolen, sobald sie in Charlottes Nähe war.

„Isch ´abe noch eben die Zutaten im Supermarkt eingekauft, die wir für unser Experiment brauchen.“ Charlotte derart außer Atem und erhitzt zu sehen, mit geröteten Wangen, die ihr außerordentlich gut standen, war betörend. So musste sie beim … Felizitas schlug sich gedanklich auf den Hinterkopf und drehte sich schnell zur Arbeitsfläche um. Sie packte die Zutaten aus, bevor ihr noch weitere ungebührliche Gedanken kamen. Wenig später hörte sie laute Musik aus dem Lautsprecher des Restaurants, wo die Gäste allabendlich dezent mit französischen Chansons unterhalten wurden. Weniger dezent war nun Edith Piafs Stimme, mit der sie Milord durch alle Räume schmetterte. Tänzelnd und Pirouetten drehend näherte sich Charlotte. Spielerisch berührte ihr Po den von Felizitas, während sie sich mit gehobenen Armen weiterhin drehte. „Du ´ast doch nischts gegen Edith einzuwenden?“, schrie sie.

Felizitas schüttelte den Kopf. „Vielleicht etwas leiser“, versuchte sie die Musik zu übertönen. „So können wir uns nicht austauschen.“ Sie zeigte mit der Hand zwischen ihnen hin und her.

Sofort tänzelte Charlotte wieder zurück zur Anlage und stellte die Musik leiser.

„Besser so?“, fragte sie, als sie die Küche betrat.

Felizitas beantwortete ihren fragenden Blick mit einem Nicken. Und schon ging es los. Sie verständigten sich darauf, mit dem Rosenkohl an Roquefort-Sößchen zu beginnen und sprachen ab, wer welche Aufgabe übernehmen sollte. Ein langsam dahinrinnender Lavastrom zerlaufenden, warmen Roqueforts mit den leicht süßlichen Rosenkohlblättern würde ein Rausch werden. Felizitas lief schon das Wasser im Mund zusammen. Blauschimmelkäse hatte stets diese Wirkung auf sie. Eventuell war es auch Charlotte? Schluss damit und an die Arbeit!

Als erstes zupften sie den Rosenkohl. Felizitas stellte die Töpfe auf den großen Herd, die benötigt wurden, während Charlotte bereits den Roquefort in Scheiben zu schneiden begann, damit er besser zerlaufen würde. Sie langte mit dem Messer und einer Scheibe des Blauschimmelkäses zu Felizitas herüber und ließ sie sie mit der Hand übernehmen. Sie selbst kaute bereits. Sie hob die Augenbraue, als würde sie „Und?“ fragen.

„Naja“, druckste Felizitas herum. Ihre Stimme klang enttäuscht. „Ich habe schonmal besseren Roquefort gegessen.“

Charlotte nickte. „Isch auch. Das ´ier“ sie zeigte auf die geschnittenen Scheiben, „ist un grand desastre.“ Sie schien einen Moment zu zögern. „Weißt du, was wir an unseren nächsten freien Tagen machen? Wir fahren ins Elsass zu einer Käserei, die ein Bekannter von mir betreibt. Und dann probieren wir uns durch alle Käsesorten, die er zu bieten ´at. Die besten nehmen wir gleisch mit.“ Ihr finsteres Gesicht nahm einen freundlicheren Ausdruck an. Sie war also auch nicht zufrieden mit der Qualität des Käses. „Du ´ast doch noch nischts vor nächste Woche?“

Das sollte wohl eine Einladung sein. Wow, so spontan kannte Felizitas die Chefin noch nicht. Sie hätte schon große Lust, das Elsass einmal kennenzulernen, deshalb gab sie ebenso spontan ihre Zustimmung. Und das Elsass hielt sicher wesentlich wohlschmeckendere Käsesorten bereit als diesen komischen Roquefort. Der Käse aus dem Supermarkt war wirklich ein Desaster. So etwas könnten sie ihren Gästen unmöglich vorsetzen. Jedenfalls war Charlottes Gesellschaft nicht das Schlechteste, das ihr passieren konnte, wenn sie in deren Heimat fuhren. Wahrscheinlich war sie eine unterhaltsame Reiseführerin. Felizitas grinste innerlich und ignorierte das starke Herzklopfen über die Tatsache, ihrer Chefin zwei Tage ziemlich nah zu kommen.

„Lass uns mit dem Gemüsespieß vom Grill weitermachen. Isch ´abe ´unger. Meine Zunge ´at sisch auf den Rosenkohl gefreut. Aber das wäre kein plaisir. ´ast du dir schon einen Dip überlegt?“

„Ich dachte, wir könnten eine cremige Cashewpaste herstellen und sie mit Kräutern fein abschmecken.“

Charlotte machte zwei Schritte auf Felizitas zu und umarmte sie. Felizitas´ Herz stolperte, weil Charlotte ihr so nah war und sich viel zu eng an Felizitas anschmiegte. Ihr betörender Duft stieg ihr in die Nase. Puh, ihr war verdammt heiß. Charlotte war verdammt heiß. Doch bevor sie sich weitere Gedanken über diese Nähe machen konnte, hatte sich Charlotte schon wieder von ihr gelöst. „Du bist génial.“ Sie strahlte Freude aus jeder Pore ihres Körpers aus. Das große Lob ließ eine Röte von Felizitas´ Hals bis in die Haarspitzen vordringen. So langsam wurden ihr die spontanen Annäherungen der Chefin unheimlich. Und ihre körperlichen Reaktionen erst recht. Sie konzentrierte sich auf die Suche nach den Cashews, die immer vorrätig waren.

Als die beiden in voller Kochmontur an einem der Tische im Restaurant saßen – die Kochmützen auf jeweils einem Stuhl –, standen nur noch leere Teller dort.

„Je suis plain.“ Charlotte atmete aus, lehnte sich zurück und hielt ihren Bauch, als hätte sie mehrere Kilos zugenommen.

„Ich auch“, bestätigte Felizitas. „Soll ich uns einen Espresso bringen?“ Ein Nicken bestätigte ihr, wie willkommen ein abschließender starker Kaffee nach der üppigen Mahlzeit war.

In stiller Übereinkunft genossen sie den Espresso. Die CD von Edith Piaf lief in Endlosschleife. Leise sang sie von La vie en rose. Das rosarote Leben. Für die Piaf war ihr Leben sicher nicht rosarot gewesen. Felizitas wusste, dass die Chansoniere es von Geburt an schwer gehabt hatte. War sie nicht am Ende auf der Bühne zusammengebrochen, weil der sie zerfressende Krebs sie derart geschwächt hatte, dass sie sich nicht mehr hatte auf den Beinen halten können?

Und Felizitas selbst? War ihr Leben rosarot? Sie runzelte die Stirn. Sicher nicht. Ihr fehlte eine Partnerin an ihrer Seite, mit der sie das Leben außerhalb ihres Jobs genießen konnte. Aber sie war allemal besser dran als die Piaf. Und sie fühlte sich längst nicht so melancholisch wie Edith sang. Was faszinierte Charlotte so an diesen Chansons? Deren Stimme brachte sie in die Gegenwart zurück.

„Isch bin très begeistert von deiner ´artnäckischkeit. Du gibst nischt auf, bis du der rischtige Gewürz gefunden ´ast, um ein Gerischt perfekt zu machen.“ Charlotte reichte über den Tisch und legte ihre Hand auf Felizitas´ Unterarm. Fast hätte diese den Arm weggezogen, weil die warme Hand kleine Nadelstiche durch ihren Arm bis ins Schulterblatt schickte. „Isch bin sehr stolz auf misch, dass isch disch eingestellt ´abe.“ Zufrieden grinsend nahm die Chefin ihre Hand wieder weg und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Eine Spur von Selbstgefälligkeit mischte sich in Gesicht und Körperhaltung, als klopfte sie sich innerlich auf die Schulter. Für Felizitas machte Charlotte diese Geste verdammt sexy. – Herrje, wann hörten diese eindeutig zweideutigen Gedanken endlich auf?

Felizitas´ Augen wurden regelrecht von Charlottes durchbohrt und nicht mehr losgelassen. Klopfte Felizitas´ Herz immer noch oder schon wieder? War Charlotte überhaupt bewusst, dass sie mit ihr flirtete? Sie hatte doch eine Freundin. Felizitas war irritiert. „Du bist genauso enthusiastisch wie isch. Wenn du etwas ´erausfinden willst, gibst du niemals auf, bis es vollendet ist. Das mag isch sehr an dir.“ Himmel, Charlottes Blick bohrte sich immer tiefer in Felizitas´ Augapfel hinein, als wäre er eine Bohrmaschine. Sie konnte es kaum noch aushalten. Es war ein intimer, ein verwirrender, fast ein verliebter Blick. Das konnte doch nicht wahr sein. Schon wieder legte sie ihre Hand auf Felizitas´ Arm. Es war zum Verrücktwerden und brachte Felizitas´ Herz jedes Mal aus dem Rhythmus.

Charlotte war noch nicht fertig mit ihrer Lobeshymne.

„Und deine Augen sprühen Funken, wenn dir etwas exorbitant Gutes gelungen ist. Wir sind ein großartiges Team. Un team magnifique.“

Hätte es Felizitas nicht besser gewusst, hätte sie gar Zärtlichkeit in Charlottes Augen aufflammen sehen. Aber diese tolle Frau war liiert. Und sie machte einen glücklichen Eindruck. Felizitas würde und wollte sich nicht in eine intakte Beziehung einmischen. Sanft zog sie ihre Hand zurück.

Gleichzeitig blitzte eine Erinnerung vom Nachmittag in ihr auf. Sie hatte Charlotte einen Löffel zum Probieren des Cashew Dips hingehalten. Charlotte hatte ihren Arm näher herangezogen, damit Felizitas ihr den Löffel in den Mund schieben konnte. Felizitas´ Herz hatte nicht zum ersten Mal an diesem Tag bis zum Hals geklopft. Was für eine unglaublich sinnliche Geste. Am liebsten hätte sie Charlotte auf der Stelle geküsst und die Welt um sich herum vergessen. Wieso konnte sie sich nicht von solchen Gedanken fernhalten? Die Antwort darauf wollte sie sich lieber nicht geben. Es wäre besser, nicht mit Charlotte ins Elsass zu fahren.

Sie räusperte sich. „Wie hat es dir geschmeckt?“ Sie wollte endlich Charlottes Meinung hören. Hatten ihre Kreationen ebenso sehr ihrem Gaumen geschmeichelt wie Felizitas selbst? Sah man einmal davon ab, dass der Supermarkt nicht die allerbesten Zutaten anbot, hatten sie mehrere Experimente gewagt und waren nicht enttäuscht worden. Sie würden ein neues Gericht nach dem anderen in die Speisekarte aufnehmen. Und diese würden mit den erlesensten Zutaten eine wahre Gaumenfreude sein.

„´abe isch das nischt gesagt? Isch bin überwältigt von unserem gemeinsamen Ergebnis.“

Stolz schwang in Felizitas´ Brust, als sie aufstand und den Tisch abräumte. Ein so großes Lob hatte sie noch nie von einem ihrer Chefs bekommen. In diesem Raum war die Temperatur derartig angestiegen, dass sie umgehend Bewegung brauchte. Und daran war nicht ausschließlich Charlottes Lob schuld. Felizitas räumte das benutzte Geschirr in die Spülmaschine. Morgen vor der Schicht wäre genügend Zeit, sie laufen zu lassen und auszuräumen.

Bereits in voller Fahrradmontur kehrte sie ins Restaurant zurück, um sich zu verabschieden.

Charlotte schien irritiert, sie abmarschbereit zu sehen. Offensichtlich war der Abend für sie noch nicht zu Ende. „Ich bin sehr müde“, erklärte Felizitas ihren überstürzten Aufbruch. Sie beugte sich zu Charlotte, um die obligatorischen Wangenküsse auszutauschen. „Ich fand unsere Ergebnisse auch sehr gelungen.“ Sie lächelte. „Bis morgen. Und schlaf gut.“

Charlottes enttäuschtes „Bonne nuit!“ konnte sie nicht mehr hören, weil sie die Tür schon hinter sich geschlossen hatte. Und sie hätte es auch gar nicht hören wollen.

Liebesschwüre zum Dessert

Подняться наверх