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Als Felizitas sich abends in ihrem Bett wälzte, konnte sie nicht schlafen, obwohl sie todmüde war. Immer wieder ging ihr die Szene mit der versalzenen Suppe am Abend durch den Kopf. Sie musste grinsen, als sie die Flüssigkeit vor ihrem geistigen Auge so hoch spritzen sah, dass die Schürze von Charlotte vollkommen bekleckert war. Die Chefin war nicht das erste Mal so energisch gewesen. Felizitas mochte es, wenn eine Frau ihrer Leidenschaft Ausdruck verlieh. Würde sie im Bett so temperamentvoll sein wie in der Küche? Felizitas rief sich zur Raison. Wohin sollten solche Gedanken führen? Charlotte war ihre Chefin. Chefinnen waren tabu. Dass Charlotte lesbisch war, hatte sie während Felizitas´ Bewerbungsgespräches in einem Nebensatz fallen gelassen, als Felizitas den Grund für ihre Bewerbung genannt hatte. Sie wollte weit, weit weg sein von ihrer Ex-Freundin. Der Punkt wäre also geklärt.

Sie beschloss, ihre Gedanken an die Chefin durch sportliche Betätigung aus dem Kopf zu verbannen, indem sie morgen eine Radtour am Rhein entlang machte. Sie war bereits die ein oder andere Tour gefahren. Die Landschaft war noch atemberaubender, als der Reiseführer versprach. Da das Restaurant montags und dienstags geschlossen hatte und ihr meist beide Tage zur freien Verfügung standen, hatte sie den ganzen Tag Zeit, bevor sie am Mittwoch an der Reihe war, mitten in der Nacht zum Großmarkt zu fahren, um die frischen Zutaten für die Tageskarte zu besorgen.

Sowieso war es keine gute Idee, Charlotte Avancen zu machen, schließlich war sie erst seit wenigen Monaten getrennt von Mona. Es war noch viel zu früh, sich nach einer anderen Frau umzusehen.

Felizitas seufzte. Sie war davon überzeugt gewesen, Mona wäre ihre große Liebe. Ihr kam eine Erinnerung in den Sinn. Sie beide hatten sich nach einem wunderbaren klassischen Konzert in der Elbphilharmonie zärtlich geküsst. Felizitas hatte gedacht, es wäre alles in Ordnung. Sie hatte sich gewaltig getäuscht. Was genau mit Mona los war, wusste sie nicht, aber eines Abends, als Felizitas sie nach allen Regeln der Kunst verführen wollte, entzog sich Mona und eröffnete ihr, dass sie sie, Felizitas, schon lange nicht mehr begehrenswert fand. Das war ein Schlag ins Gesicht und in die Magengrube zugleich. Felizitas hatte sich mächtig anstrengen müssen, nicht vor Monas Augen loszuheulen. Diesen Triumph hatte sie ihr nicht gönnen wollen. Wütend, hilflos, tief getroffen packte sie einen Koffer und verließ wortlos die gemeinsame Wohnung. Mona sah nur emotionslos zu und machte keinen Versuch, Felizitas zurückzuhalten.

Warum Felizitas nicht Mona herausgeworfen hatte, statt selbst zu gehen, konnte sie sich später nicht mehr erklären. Sie wollte nur noch weg von der Frau, die sie bis ins Mark enttäuscht und verletzt hatte. Zum Glück ließ ihre beste Freundin Susanne sie bei sich wohnen, bis sie ihre neue Stelle in Koblenz antreten konnte. Schon wieder Glück, denn das la fantasie hatte dringend eine Souschefin gesucht, just in dem Moment, als Felizitas sich von Mona getrennt hatte. Sie hatte alles hinter sich gelassen und wollte neu anfangen. Nur weit weg von dem größten Nackenschlag ihres Lebens. Sollte die doch ihre Klamotten entsorgen. Felizitas würde sich neu einkleiden. Eine kleine Boutique in der Altstadt von Koblenz, schräg gegenüber vom la fantasie, hatte sie schon ins Auge gefasst. Derweil benutzte sie die Kleidung, die in den kleinen Koffer passte, den sie eilig gepackt hatte. Zum Glück hatte sie Susannes Waschmaschine benutzen dürfen, während sie bei ihr gewohnt hatte.

Mona hatte sie schwer verletzt mit ihren harten Worten. Felizitas verdrückte ein paar Tränen. Immerhin war sie fünf Jahre mit Mona zusammen gewesen. Das blieb nicht im Anzug hängen. Sie wischte sich die Tränen von der Wange. Verdammt! Mona konnte sie immer noch zum Weinen bringen.

Vielleicht weinte sie auch ein klein wenig darum, dass sie das Dagobert´s hatte verlassen müssen, das beliebteste Zwei-Sterne-Restaurant in Hamburg. Es war ihre erste Stelle als Souschefin. Damals war sie mächtig stolz darauf gewesen, dass sie als Köchin aufgestiegen war. Dennoch hätte sie nicht in Hamburg bleiben können, weil alle möglichen Dinge sie an Mona erinnert hätten – einschließlich ihrer Kleidung. Mona und sie waren oft zusammen bummeln gegangen, und Felizitas war stets mit neuen Outfits nach Hause gekommen. Jedenfalls wollte sie ihre Ex so schnell wie möglich vergessen. Was wäre da besser geeignet, als sich in die Arbeit zu stürzen?

Wenigstens hatte die Arbeit bei der neuen Chefin Unterhaltungswert. Felizitas grinste breit. Das Tollste aber war, dass sie der Küchenchefin bei der Speisekarte behilflich sein durfte. Während ihrer Tätigkeit im Dagobert´s waren ihr solch kreative Aufgaben nicht übertragen worden. Immerhin. Vielleicht hatte die Provinz doch ihr Gutes. Wenigstens war der Rhein ein besseres Ambiente für ihre Radtouren als die äußerst verkehrsreiche Hamburger Innenstadt mit ihrer schlechten Luft. Und Koblenz war weit genug von der Hansestadt entfernt, so dass Felizitas wieder frei atmen konnte. In Monas Nähe war ihr das unmöglich gewesen.

Nach einer erstaunlich traumlosen Nacht im Tiefschlaf, der Felizitas doch noch ereilt hatte, packte sie am Montagmorgen nach dem Frühstück den Rucksack mit einem Brot, zwei Äpfeln und viel Wasser für ihre Radtour. Das Wetter schien dafür wie gemacht: kalt, aber blauer Himmel und Sonnenschein. Sie wusste noch nicht genau, wie der Tagestrip aussehen würde, fuhr aber zunächst in Richtung St. Goar. Sie würde später entscheiden, ob sie wieder zurückfuhr – das waren etwas über 35 Kilometer – oder sich die Rückfahrt mit einem der Schiffe der weißen Flotte gönnen sollte. Die Landschaft floss so herrlich gemächlich an einem vorüber, wenn man nicht gerade Rekorde brechen wollte. Im Moment war ihr nicht nach hoher Geschwindigkeit. Dass der Rhein außer einem gut ausgebauten Radweg weit mehr zu bieten hatte, wusste sie von einer Fahrt zu Beginn ihrer Arbeit im la fantasie. Montags wäre zudem nicht ganz so viel los wie am Wochenende. Auch der Radweg war nicht so überlaufen. Am liebsten würde Felizitas sich in die Einsamkeit jenseits des Flusses zurückziehen. Für derartige Touren kannte sie sich allerdings noch nicht gut genug aus. Sie wollte nicht riskieren, sich zu verfahren.

Der Mosel- und der Ahrradweg standen darüber hinaus auf ihrem Programm. An einem Fluss entlangzufahren war streckentechnisch immer die leichteste Variante, aber auch die am meisten frequentierte. Der Weg war überschaubar und durch den Flussverlauf vorgegeben. Sich zu verfahren war praktisch unmöglich.

Felizitas konnte in wenigen Minuten auf dem Rheinradweg sein, weil sie etwa auf der Höhe des Cafés Rheinanlagen wohnte, auf der Hälfte zwischen Rhein und Hauptbahnhof. Die Wohnung war noch nicht vollständig eingerichtet, trotzdem gefiel sie Felizitas. In den kommenden Wochen würde sie die Möbelhäuser in der Nähe unsicher machen und die fehlenden Möbelstücke aussuchen und ihre Wohnung gemütlicher machen.

Soeben fuhr sie an der Burg Stolzenfels vorbei, die sie bereits besichtigt hatte, um kurz danach einen Blick auf Lahnstein und die Mündung der Lahn in den Rhein zu werfen. Die Burg Lahnstein thronte hoch über dem Fluss. Für die Besichtigung der Stadt und der Burg war noch keine Zeit gewesen. Nach einigen Kilometern ragte die Marksburg vor ihr auf. Im Reiseführer hatte sie gelesen, dass dort ab und zu Mahlzeiten wie zu Ritters Zeiten angeboten wurden. Das hörte sich spannend an. Sie hätte große Lust, einmal an solch einem Gelage teilzunehmen. Musste ja niemand wissen, dass sie Souschefin war.

Kurze Zeit später zweigte sie vom Weg ab, um sich Boppard anzusehen. In einem kleinen Laden kaufte sie sich die hiesige Tageszeitung, die sie während ihrer Mittagspause lesen würde. Die Frau hinter der Theke hatte sie angelächelt. Felizitas setzte ihrerseits die Fahrt mit einem Lächeln im Gesicht fort.

Die frische Luft und die Freundlichkeit der Frau taten gut und machten den Kopf frei. Felizitas genoss die Fahrt und beobachtete die Tankschiffe, die aneinander vorbeifuhren und sich manchmal zu hupten. Sie ließ die kleinen Örtchen rechts liegen und setzte ihre Fahrt in gemächlichem Tempo fort. Als sie die Burgen Katz und Maus passierte, beschloss sie, in deren Angesicht einen kleinen Mittagssnack in St. Goar einzunehmen. Die Äpfel könnte sie später noch essen.

Nachdem Felizitas ihr Rad abgeschlossen und sich in ein geschütztes Eckchen eines gemütlich aussehenden Restaurants zurückgezogen hatte, war sie überrascht, wie lecker der Salat mit der Hähnchenbrust war. Das Himbeerdressing war frisch und verlieh dem Salat eine besondere Note.

Das Mittagessen hatte Felizitas satt und träge gemacht. Sie beschloss, noch ein paar Kilometer bis Oberwesel zu fahren und sich von dort zurück nach Koblenz schippern zu lassen.

Als das Schiff Richtung Koblenz angelegt hatte, stieg Felizitas zu und stellte das Rad im Eingangsbereich ab. Sie suchte sich einen Platz an Deck. In der letzten Reihe saßen zwei Frauen in inniger Umarmung. Felizitas traf der Schlag. Eine von ihnen war ihre Chefin Charlotte Clement. Die andere war kaum zu erkennen, weil sie eine Sonnenbrille und einen Sonnenhut trug, den sie tief ins Gesicht gezogen hatte. Felizitas sah zu, dass sie sich schnell in Fahrtrichtung setzte, um bloß nicht erkannt zu werden. Auf keinen Fall wollte sie an ihrem freien Tag Smalltalk mit Madame Clement führen müssen. Außerdem schien die Chefin mit ihrer Freundin beschäftigt zu sein, da wollte sie nicht stören. Sie fand einen Platz weit weg von den Turteltäubchen. Felizitas wusste nicht, ob sie sich für Charlotte freuen sollte oder nicht. Sie hätte lieber gesehen, wenn Charlotte Single wäre. Felizitas verpasste sich einen imaginären Klaps auf den Hinterkopf. Das fehlte gerade noch. Charlotte war liiert und Felizitas hatte sich nicht für ihre Chefin zu interessieren.

Liebesschwüre zum Dessert

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