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Felizitas war nervös. Sehr nervös. Sie fummelte an der Krawatte herum, die sie zu ihrem Hosenanzug trug. Er war maßgeschneidert. Sie hatte ihn sich für einen Galaabend anfertigen lassen, zu dem die Maîtres und ihre Souschefs in Hamburg eingeladen gewesen waren. Gehobene Garderobe wurde erwartet. Felizitas hatte sich so darüber gefreut, dass sie sich nicht hatte lumpen lassen und eine Schneiderin beauftragt hatte. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Felizitas fühlte sich in dieser Garderobe, als handelte es sich um ihre zweite Haut. Bei dem Grund für dieses Outfit jedoch war ihr gar nicht wohl.

Felizitas wusste nicht, ob diese noble Kleidung dem Anlass angemessen war, aber Charlotte hatte darum gebeten, dass sie sich schick machen sollte. Sie besaß nichts anderes, das dieser Bezeichnung würdig gewesen wäre.

Das Binden der Krawatte wollte nicht gelingen, weil ihre Hände so zitterten, dass der Knoten nie an der richtigen Stelle saß. Sie gab auf und würde Charlotte bitten, das Binden zu übernehmen.

Felizitas wusste genau, warum sie so nervös war. Dass sie Charlotte einmal in einer anderen Umgebung als der Küche traf, war nichts Ungewöhnliches. Daran lag es nicht, obwohl die Aussicht aufregend war, ihr so nah zu kommen. Aber Felizitas hatte in ihrem Leben noch nie Standard getanzt, einmal abgesehen von dem abgebrochenen Tanzkurs während ihrer Schulzeit. Wahrscheinlich würde sie Charlotte unzählige Male auf die Füße treten. Das würde sie nicht gerade unwiderstehlich für Charlotte machen. Felizitas war dabei, den letzten Funken ihrer Vernunft zu verlieren, wenn sie an Charlotte dachte und dass sie es sich mit ihr verscherzen würde, wenn sie ihr dauernd auf die Füße trat. Es behagte ihr nicht, sich in einem ihr unbekannten Terrain zu bewegen. So ähnlich musste sich Charlotte beim Radfahren gefühlt haben.

Es klingelte. Felizitas zuckte zusammen. Es war so weit. Sie zog ihre Jacke über den Anzug – es war noch empfindlich kalt draußen – schloss die Tür, nahm zwei Stufen auf einmal, um die Nervosität abzuschütteln, und stieg zu Charlotte in den kleinen Lieferwagen. Sie beugte sich zu ihr und tauschte Wangenküsse aus.

„Guten Abend!“

„´allo! Isch ´offe, du bist bereit für die Welt des Tanzens. Sie wird disch verzaubern.“

Nun gab es kein Zurück mehr. Je näher sie der Tanzschule kamen, desto heftiger schlug Felizitas´ Herz, und Charlotte war nicht der Auslöser. Nach zwanzig Minuten brachte Charlotte den Wagen mit einem Ruck auf dem Parkplatz der Tanzschule zum Halten. Felizitas spürte ihren Blick auf sich. Ihr war mulmig zumute.

„Wir sind da. Isch freue misch so.“ Charlotte zappelte auf ihrem Sitz herum, bevor sie ausstieg und schwingenden Schrittes zur Eingangstür ging. Felizitas zögerte. „Na komm schon“, forderte Charlotte sie auf, endlich auszusteigen und mitzukommen. „Isch verspresche dir, es wird nischt wehtun.“

Letztendlich hatte Charlotte Felizitas aus dem Auto ziehen müssen und sie an der Hand gehalten, bis sie das Gebäude betreten hatten. Nun kam sie sich verloren vor in der Umkleide. Ein Schnattern und Lachen umgab sie wie in einem Film. Die Geräusche drangen nur dumpf an ihr Ohr. Während um sie herum geschäftiges Treiben herrschte – die Straßenkleidung wurde getauscht mit wehenden Kleidern und Röcken, ganz reizend – stand Felizitas stocksteif mitten im Raum. Sie wurde angerempelt und hatte Mühe ihr Gleichgewicht zu halten. Als nur noch Charlotte übrig war, war sie unendlich erleichtert.

Charlotte führte sie zu einem Spind und strich vorsichtig über ihren Arm. „Du musst die Jacke ausziehen, sonst wird das Tanzen schwierig.“ Charlotte sprach leise. Offenbar nahm sie Felizitas´ Unbehagen und ihre innere Unruhe wahr. Endlich kam Bewegung in Felizitas. Sie legte ihre Jacke ab und hängte sie in den Spind.

Felizitas bemerkte, wie Charlottes Blick förmlich an ihrer Figur klebte. Sie sah an sich herunter. Hatte sie das Sakko falsch geknöpft?

„Du siehst fantastique aus! Ein maßgeschneiderter Anzug. Jouissif!“ Charlotte kam näher und griff ihr an den Po. „Sitzt so schön eng. So sexy.“ Sie ließ wieder los und hinterließ ein loderndes Feuer dort, wo ihre Hand gewesen war. Dass Charlotte ihr Outfit großartig fand, bekam sie gar nicht mit.

Charlotte schien nicht zu bemerken, was in Franziska vorging. Ihre Hände schwitzten, ihr Puls raste, sie hatte eine Ganzkörpergänsehaut, und sie brannte lichterloh. Sie war nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie fühlte immer noch Charlottes Hand ihren Po drücken, obwohl sie schon längst losgelassen hatte. Diese kurze Berührung hatte sie angemacht. Nein! Sie durfte dem nicht nachhängen, musste sich stattdessen auf das Hier und Jetzt konzentrieren.

Charlotte sah an Felizitas hinunter. „Das sind ´errenschuhe. Damit kann man fantastisch tanzen.“ Charlotte klatschte in die Hände. Ihre Augen funkelten dunkelblau. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah.

Felizitas nickte und kämpfte damit, sich wieder zu fangen. Sie war aber davon überzeugt, damit nicht tanzen zu können. „Haben sie ein eingebautes Anti-auf-die-Füße-treten-System?“

Charlotte stockte einen Moment, bevor sie das ihr scheinbar unbekannte Wort verstand. Dann krümmte sie sich vor Lachen. „So schlimm wird es schon nischt werden“, ermunterte sie Felizitas. Musik erklang im Tanzsaal.

„Du trägst einen maßgeschneiderten ´osenanzug. Damit kannst du gar nischt viel falsch machen.“ Ihre Stimme war voller Bewunderung. Sie schien zudem ein geübtes Auge für edle Kleidung zu haben.

„Bin ich overdressed?“, fragte Felizitas unsicher und sah an sich herunter.

„Nein, ganz im Gegenteil. Du siehst grandiose aus.“ Charlotte wirbelte sie herum. Verdattert hielt Felizitas sich an ihr fest. Sie strauchelte nach dieser unerwarteten Pirouette. Ihre Hand griff Charlottes nackten Oberarm. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf, als ein elektrischer Stoß durch ihren Arm zuckte. Diese ganze Aufregung – oder sollte sie besser Erregung sagen? –trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Sie hatte noch dazu vergessen, Charlotte zu bitten, ihr die Krawatte zu binden. Sie war sowas von neben der Spur.

Aus dem Tanzsaal wehten die ersten Rhythmen herüber. „Der Anzug sitzt perfekt. Komm mal ´er, isch binde dir die Krawatte.“ Charlotte hatte den Binder sicher aus ihrer Sakkotasche hervorlugen sehen und übernahm die Führung in dieser Sache. Felizitas wurde sehr heiß. Charlotte zog sie zu sich heran und machte sich an dem Binder zu schaffen. Felizitas indes wusste nicht, wohin mit der Hitze, mit ihren Gefühlen, als Charlottes Busen ihren eigenen berührte. In Windeseile hatte diese einen ordentlichen Knoten gebunden.

„Nun komm“, sagte Charlotte, hielt Felizitas an der Hand und zog sie mit sich. „Wir sind sowieso schon spät dran. Die anderen tanzen sisch schon ein.“

Schlagartig hatte Felizitas weder Zeit für eigene Nervosität noch dafür, die sich im Rhythmus der Musik bewegenden Frauenpärchen zu bewundern, weil Charlotte sie gleich auf die Tanzfläche schleppte.

Charlotte hielt Felizitas fest, um ihr dabei zu helfen, ihre Position einzunehmen. Charlotte stand vor ihr und hatte die linke Hand auf Brusthöhe gehoben. „Isch führe, du folgst einfach meinen Impulsen.“ Felizitas ergriff die Hand mit ihrer rechten und spürte, wie Charlotte sanft die andere Hand um ihre Taille legte. Der Abstand zwischen ihnen war groß genug, um Felizitas nicht erneut die Hitze in die Wangen zu treiben.

„Wippe ein bisschen mit der Musik, damit du ein Gefühl für den Rhythmus bekommst.“ Charlotte machte vor, was sie meinte. Felizitas versuchte, es ihr gleich zu tun. „Verlagere dein Gewischt auf das linke Bein und lasse das reschte locker stehen.“

Felizitas folgte der Anweisung.

„Auf vier legen wir los“, kündigte Charlotte an. „Lass disch fallen. Isch führe disch. Und wippe mit deinem sexy Po ´in und ´er.“

Hitze machte sich überall in Felizitas breit. Am liebsten hätte sie sich den Schweiß von der Stirn gewischt. Doch dazu war keine Zeit. Es ging los. Eins, zwei, drei, vier zählte Felizitas im Kopf mit. Sie war voll konzentriert. Und schon kam Charlottes linkes Bein auf sie zu, während sie selbst ihr rechtes nach hinten schwang. Direkt im Anschluss folgte ihr eigenes linkes in Charlottes Richtung. Sie fühlte sich wie in einem Feuerbad, obwohl der Abstand zwischen ihnen gar keinen Anlass dazu gab. Charlotte sagte: „Schau misch an.“ Sie unterbrach den Tanz und wippte auf diese Weise eine Weile mit ihr hin und her. Sie passten sich vollkommen an die Musik an. Und Felizitas war fasziniert davon, wie dunkel Charlottes Augen waren. Wie beim … Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, diesen Gedanken zu Ende zu führen, weil Charlotte die nächste Anweisung gab. So langsam kühlte sie sich wieder ab, weil ihr Fokus auf ihren Schritten lag. Sie wollte alles richtig machen.

„Mach disch bereit für einen Wechsel. Auf vier drehst du deinen linken Fuß und machst mit dem reschten einen Schritt zur Seite. Danach kommen wir in die Ausgangsposition zurück. Anschließend öffnen wir uns zur anderen Seite. Reschten Fuß drehen, mit dem linken einen Schritt nach außen und wieder zurück.“

Felizitas zählte mit und versuchte so gut es ging, die Schrittfolge einzuhalten. Charlotte gab die Impulse für die Anfangsschrittfolge. So langsam bekam Felizitas ein Gefühl für den Rhythmus und wie die Beine zu koordinieren waren. Tanzen war gar nicht so schlimm. Plötzlich stoppte die Musik, und sie standen in der Ausgangsposition still. Charlotte löste sich von ihr.

„Du warst gar nischt schlescht.“

Felizitas hatte sofort ein Bild im Kopf von einem jungen Mann, der eine reife Frau verführte. Charlottes Satz erinnerte sie an das Lied Er war gerade achtzehn Jahr von Dalida. Ob Charlotte das Lied kannte und wusste, welche Bedeutung der Satz hatte? Felizitas lächelte, als sie daran dachte, dass die beiden Personen in Dalidas Zeilen soeben miteinander geschlafen hatten und der junge Mann sich zu diesem Urteil über den Akt herabgelassen hatte.

„Du ´ast allen Grund zum Läscheln.“ Charlottes intensiver Blick traf sie mitten ins Herz. „Du ´ast Rhythmusgefühl. Das ist alles, was man für Salsa braucht. ´ast du Lust, mir den nächsten Tanz zu schenken?“

Ja! Ja, sie wollte noch einmal mit Charlotte tanzen und diese Nähe genießen. Sie hatte ihre Angst verloren. Sie war ihrer Tanzpartnerin trotz ihrer Befürchtung nicht auf die Füße getreten. Darauf war sie ein bisschen stolz. Sie hatte sich sicher in Charlottes Armen gefühlt. Das wollte sie noch einmal erleben. Und sie wollte noch einmal in Charlottes dunkle, wunderschöne blaue Augen sehen. Ob sie beim …? Schluss damit. Die Musik begann, und Charlotte brachte sie erneut in die Ausgangsposition. Keine Zeit für unanständige Grübeleien.

Felizitas und Charlotte saßen zusammen mit anderen Frauenpaaren an der Bar. Ob die wohl alle eine Beziehung miteinander hatten?, fragte Felizitas sich, während sie an ihrer Apfelsaftschorle nuckelte und dem Treiben auf der Tanzfläche zusah. Ihr Fuß wippte zur Musik. Tanzen war ganz schön schweißtreibend und anstrengend. Sie und Charlotte hatten kaum einen Tanz ausgelassen. Felizitas hatte Charlotte gefragt, ob sie mal eine andere Tanzpartnerin haben wollte. Doch Charlotte hatte sehr zu ihrer Freude abgelehnt. Die rhythmische Bewegung zur Musik hatte jedenfalls großen Spaß gemacht. Felizitas war der Meinung, sie hätte sich gar nicht so dumm angestellt. Das hatte sie nicht erwartet. Sie fühlte sich angenehm ermattet. Heute Nacht würde sie schlafen wie ein Baby.

Und Charlotte? Sie war vollkommen in ihrem Element gewesen. Hatte ihr Hinterteil hin und her geschwungen, dass die Tanzlehrerin mehrmals „Olala“ gerufen hatte. Dadurch wurde sie noch mehr angespornt, vollkommen in der Musik aufzugehen.

Charlotte war eine begehrenswerte Frau. Felizitas schaute verträumt ihr Profil an, während diese sich mit ihrer Nachbarin unterhielt. Felizitas genoss, was sie sah. Ihre Kontrollinstanz blieb stumm.

„Mit ein wenig Übung wirst du eine danseuse magnifique sein“, urteilte Charlotte, die an ihrem Wasser nippte. „Lass uns noch ein letztes Tänzschen aufs Parkett legen, bevor wir nach ´ause ge´en.“ Sie griff Felizitas´ Hand und schritt mit ihr zur Tanzfläche. Schließlich wiegten sie sich voller Hingabe im Rhythmus der Musik.

Bildete sich Felizitas nur ein, dass Charlotte nach jedem Seitenschritt immer näherkam? Zuletzt passte kein Blatt Papier mehr zwischen sie beide. Ihre Brüste berührten sich. Nicht, dass Felizitas etwas gegen die Nähe gehabt hätte, aber ihre Konzentration richtete sich plötzlich nicht mehr auf die Schritte und die Musik, sondern war ganz eindeutig bei dem, was Charlotte mit der Nähe in ihr auslöste. Die Tanzschritte schienen unter ihrer mangelnden Aufmerksamkeit nicht zu leiden, zumindest beschwerte Charlotte sich nicht, dass sie ihr auf die Füße trat. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie hatte das Gefühl, ihre Hand würde aus Charlottes Hand rutschen, weil ihre Schweißproduktion ihren ganzen Körper mit einem Film überzogen hatte. Als Charlotte am Ende auch noch wie zufällig ihren Oberschenkel in ihren Schritt legte, war es vollkommen um Felizitas geschehen. Sie hatte das Gefühl auszulaufen. Himmel, was machte Charlotte nur mit ihr. Ob es ihr auch so ging? Charlottes Pokerface war nicht zu knacken. Bevor Felizitas wieder klar denken konnte, war der Tanz vorbei, und Charlotte löste sich von ihr, als wäre nichts gewesen.

Als sie weit nach Mitternacht im Wagen saßen, erklärte Charlotte: „Das ist für misch ein Ausgleisch zum Stress in der Küsche. Wenn isch nach so einem Abend ins Bett ge´e, fühle isch misch angenehm ermattet und vollkommen entspannt. Und weißt du was? Während des Tanzens fühle isch misch sexy und begehrenswert.“

Felizitas wollte antworten, dass sie absolut sexy und begehrenswert war, biss sich aber auf die Zunge. Vielleicht war es keine so gute Idee, so offen zu ihr zu sein. Was würde Charlotte von ihr denken? Außerdem war sie liiert. Felizitas sollte sich solche Gedanken besser verkneifen.

Als Felizitas todmüde in ihrem Bett lag, dachte sie daran, wie bezaubernd Charlotte während des Tanzens ausgesehen hatte. Sie war mit dem Po hin und her gewippt, dass Felizitas es vor Hitze kaum ausgehalten hatte. Wie vorsichtig, fast zärtlich Charlotte ihre Hand gehalten hatte. Die Wärme war von ihrer eigenen Hand auf den ganzen Körper übergesprungen. Je länger Felizitas über die Tänze mit Charlotte nachdachte, desto mehr fielen ihre Augen zu, bis sie langsam in das Land der Träume hinüberglitt.

Liebesschwüre zum Dessert

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