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Kapitel 5

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Während der laufenden Semester, vor allem aber in den Ferienmonaten, war Niki darauf angewiesen, Geld zu verdienen. Das Stipendium reichte zur Finanzierung seines Lebensstils nicht aus. So war er ständig an Jobs interessiert, die finanziell etwas einbrachten. Lange Zeit arbeitete er deshalb ab Freitagabend in einer Schwabinger Tanzbar, die ihn als Garderobier beschäftigte. Diese Tätigkeit war wie für ihn gemacht. An der Universität versäumte er keine Lehrveranstaltung, die Gäste in der Bar sparten nicht mit Trinkgeldern und während seiner Dienstzeit war für Essen und Trinken gesorgt.

An den Wochenenden herrschte in dem, in einem Schwabinger Kellergeschoss untergebrachten, Lokal großer Andrang. Bei schummrig-roter Beleuchtung wechselte nach jeder Tanzpause Herren- und Damenwahl. Das war sicher der Hauptgrund, weshalb das Etablissement regelmäßig auch von Damen ohne Herrenbegleitung aufgesucht wurde. Sie konnten während des Abends selbst zum Tanz auffordern und waren nicht auf die Initiative männlicher Barbesucher angewiesen.

Eines Samstagabends gaben zwei Damen ihre Mäntel an der Garderobe ab. Sie mochten Anfang dreißig sein und kamen ohne Herrenbegleitung. Noch während er den Damen aus den Mänteln half, plauderte Niki mit ihnen, und als eine der Besucherinnen am späteren Abend an der Garderobe vorbeikam, suchte er erneut das Gespräch mit ihr. Wie er bemerkte, schien sie an persönlichen Kontakten durchaus interessiert. Das Lokal war ihr und ihrer Freundin wegen seiner zwanglosen Atmosphäre empfohlen worden. Es gefalle ihnen gut hier, meinten sie, und sie würden sicher wiederkommen.

Am nächsten Wochenende begrüßte Niki die Damen bereits als gute Bekannte. Als dann seine Gesprächspartnerin einige Male bei ihm vorbeikam, wusste er, woher der Wind wehte. Und als er sie dann später hinter einen seiner Garderobenständer zog und sie dort küsste, hatte sie nichts dagegen.

Seine neue Bekannte hieß Ilse und war Chefsekretärin in einem großen Münchner Elektrokonzern. Auf Nikis Vorschlag, sich an einem der nächsten Tage zu treffen, konnte sie jedoch nicht eingehen, weil sie mit ihrem Chef auf Dienstreise war. Am kommenden Wochenende wollte sie jedoch wieder in die Bar kommen. Wenn möglich, solle er doch einen netten Bekannten für ihre Freundin mitbringen, sie habe bisher noch nicht den richtigen Partner gefunden.


Als mir Niki den Besuch in der Tanzbar schmackhaft machen wollte, reagierte ich zurückhaltend. Bei seinen Eroberungszügen agierte er nämlich stets als Einzelkämpfer, und so passte die Ankündigung, dass er eine Super-Frau für mich gefunden habe, so gar nicht in sein übliches Konzept. Zudem waren Besuche in Nachtlokalen für Studenten ein teures Vergnügen. Doch er wischte meine Bedenken beiseite. Ohne einen Finger krümmen zu müssen, fiele mir da ein bezauberndes Weib in den Schoß. Und was das Finanzielle beträfe, so würde er für die Zeche aufkommen.


Schon vor dem festgesetzten Zeitpunkt fieberte ich am nächsten Wochenende in der Bar der Ankunft der beiden Damen entgegen. Sie kamen pünktlich und wir nahmen an unserem reservierten Tisch Platz. Niki hatte nicht übertrieben: Beide waren ausnehmend hübsch und aufregend schick gekleidet. Im Gegensatz zu Nikis dunkelhaariger Bekannten, war die mir Zugedachte blond. Sie hieß Solveig und gefiel mir sogar noch besser, als ihre Freundin. Ihr fein geschnittenes Gesicht, mit den graublauen Augen und der leicht geschwungenen Nase, wirkte edel, und ihre Art sich zu geben ließ auf ein entwickeltes Selbstbewusstsein schließen. Von Beruf war sie medizinisch-technische Assistentin, arbeitete aber zurzeit als Drogistin.

Ob des blendenden Aussehens meiner Damen fühlte ich mich zunächst etwas befangen, doch das gab sich bald. Wir unterhielten uns lebhaft über mein Studium und Nikis Bekannte wollte verständlicherweise Näheres über ihren Freund erfahren. Zur Unterhaltung blieb aber wenig Zeit. Solveig wollte tanzen und immer nur tanzen. Auf der Tanzfläche hielten wir uns eng umschlungen und man hätte uns für ein frisch verliebtes Paar halten können. Das wäre möglicherweise auch der Fall gewesen, wenn ich aus einer Bemerkung Solveigs nicht entnommen hätte, dass sie ganze zwölf Jahre älter sein musste als ich. Dieser Altersunterschied ernüchterte und erschreckte mich. Die Altersklasse meiner Freundinnen waren damals die 17- bis 19-Jährigen. Ihnen fühlte ich gewachsen und ging ihnen bei Gelegenheit auch an die Wäsche. Bei Solveig war das ganz anders: Diese betörend schöne Frau gehörte einer Generation an, die mir an Lebens- und Liebeserfahrung weit überlegen war. Als sie dann beiläufig erwähnte, dass sie verheiratet sei, schluckte ich. Sie bemerkte es und meinte, ich bräuchte mir deswegen keine Gedanken zu machen. Ihre Ehe hätte von Anfang an nichts getaugt. Sie und ihr Mann würden schon seit einem Jahr getrennte Wege gehen. Ich versuchte meinen Schock hinter einer flapsigen Bemerkung zu verbergen. Sie blickte mir dabei forschend in die Augen und schien erleichtert, dass ich so locker reagierte. In Wahrheit stürzte mich das Gehörte in tiefe Verwirrung, die ich durch pausenloses Tanzen zu überspielen suchte. Solveig war von meinem Aktionismus begeistert. Ich kam nicht einmal dazu, Nikis Freundin um einen Pflichttanz zu bitten. Das war auch nicht schlimm, denn sie war die meiste Zeit hinter Nikis Garderobe beschäftigt.


Je weiter der Abend fortschritt, desto näher kam mir meine Partnerin. Während des Tanzens drängte sie ein Bein zwischen die meinen, sodass ich die Formen ihres Körpers bei jeder Bewegung spürte. Wir küssten uns, ich spürte ihre Zunge in meinem Mund und sie flüsterte mir zärtliche Worte ins Ohr. Es waren wunderbare Empfindungen, die meine Männlichkeit erregten. Trotzdem, ich fühlte mich bedrängt und sah mich bereits in den Fängen einer gefährlich-schönen Raubkatze.

Als ich gegen zwei Uhr früh die Tanzbar verließ und mich mit meinen Begleiterinnen auf den Heimweg machte, herrschte dort noch ausgelassene Stimmung. Niki konnte nicht mitkommen, weil er noch an der Garderobe zu tun hatte. Auch meine von Wein und Tanz beschwingten Damen zeigten sich noch putzmunter und verspürten plötzlich Lust auf einen Drink in Ilses Wohnung. Als erfahrener studentischer Zecher hätte ich normalerweise auch nichts dagegen einzuwenden gehabt. Doch mir schwante, was meine angeschwipsten Damen im Schilde führten. Auch ich hatte Alkohol getrunken und wollte mich schon deswegen nicht in Unvorhersehbares stürzen. Außerdem sträubte sich mein männlicher Stolz gegen die mir vermutlich zugedachte Rolle eines potenten, aber unbedarften Liebhabers. Also schützte ich eine anstehende Zwischenprüfung vor und ließ mich auch durch das Drängen der Damen nicht umstimmen.


Am folgenden Tag konnte ich Niki weder im Studentenheim noch auf dem Tennisplatz finden. Wie er mir später berichtete, hatte er sich von der Bar direkt in die Wohnung seiner neuen Freundin begeben und dort den Rest der Nacht und den folgenden Tag verbracht. Während des Nachmittags sei Solveig bei ihnen vorbeigekommen und hätte sich über meine reservierte Haltung am Schluss des Abends enttäuscht gezeigt. Meine Zurückhaltung könne sie sich nur so erklären, dass ich hinter den Ohren noch nicht ganz trocken sei. Einer Einschätzung, der ich nicht widersprechen wollte.

Wann die Zeiten wehen

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