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Prügeln ist keine Sünde

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Unrecht erleben, gar erleiden, ist für einen kleinen Jungen eine bittere Erfahrung.

Für Gustav begann nun in der Schule in Reichenbach eine Zeit, in der er mit Unrecht ständig konfrontiert wurde. Er war inzwischen neun Jahre alt und ging in die Schule. Jeden Morgen machte er sich zusammen mit seiner Schwester auf den sechs Kilometer langen Weg. Im Sommer war dies nicht weiter schlimm, doch wenn im Winter Regen und Schnee den Feldweg aufgeweicht hatten, war es sehr beschwerlich. Hinzukam, dass ihr Lehrer ihnen eingebläut hatte, nicht durch den Dreck zu laufen, da sie das Schulgebäude und den Klassenraum sonst nur verdrecken würden. Gustav hatte das am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als er mit vom Schlamm des Feldweges verschmutzten Schuhen in seiner Schulbank saß. Sein Lehrer hatte die Fußspur, die nicht zu übersehen war, verfolgt und Gustav aufgefordert, aus der Bank zu treten. Dann musste Gustav ihm sein Lineal geben und die rechte Hand mit der Handfläche nach oben ausstrecken. Gustav war zuerst nicht bewusst, was geschehen würde, doch nur nach ein paar Sekunden der Unsicherheit spürte er es. Der Lehrer schlug ihm mit dem Holzlineal auf die Fingerspitzen. Gustav zog die Hand weg. Dies machte seinen Lehrer aber nur noch wütender. Er musste die Hand wieder ausstrecken und erhielt zehn Schläge auf die Finger. Der Schmerz war fast unerträglich für ihn. Er war von seiner Mutter nie verprügelt worden. Insofern war diese Erfahrung neu für ihn. Aus den Erzählungen einiger seiner Schulkameraden wusste er, dass sie von ihren Eltern häufig heftige Prügel bezogen; und dies sogar auch für Kleinigkeiten. Gustav versuchte, trotz des höllischen Schmerzes keine Miene zu verziehen. Am Ende der Schulstunde beschloss er, seiner Mutter nichts von dem Vorfall zu erzählen. Was würde dies schon helfen? Auf dem Heimweg weinte er; aber nicht die schmerzenden Finger waren die Ursache hierfür. Vielmehr weinte er aus Wut. Die Schläge auf seine Finger hatten ihm seine Ohnmacht gezeigt. Er war bestraft worden, obwohl es für die Strafe keinen Grund gegeben hatte. Wie sollte man auf einem vom Regen aufgeweichten und von den Gespannen zerfurchten Feldweg laufen, ohne seine Schuhe zu verdrecken. Ihm war reine Willkür widerfahren.

Körperliche Züchtigungen gehörten in der Schule zu Gustavs Alltag. Sie waren bei den Lehrern einfach von Zeit zu Zeit angesagt, um den Kindern die eigene Macht zu demonstrieren. Immerhin war die Prügelstrafe erlaubt, und die Lehrer machten nicht nur von ihr Gebrauch. Sie fühlten sich dabei sogar auch noch im Recht. Es kam ihnen nicht einmal in den Sinn, dass zumindest der willkürliche Gebrauch nach den gültigen preußischen Gesetzen grobes Unrecht war und bei den Kindern nachhaltige Schäden verursachen würde. Jeder, der sich zur Erziehung von Kindern berufen fühlte, machte von ihr Gebrauch. Es war ein probates Mittel, den Kindern ihren eigenen Willen aufzuzwingen und das nannten sie dann Erziehung. Die Kinder sollten zu folgsamen Untertanen erzogen werden, die willenlos taten, was von ihnen gefordert wurde. So wuchsen Menschen heran, die ohne zu fragen ihr außerordentlich schweres Schicksal klaglos ertrugen. Mit Prügel und der Androhung noch viel schlimmerer Strafen, wie sie nur in ewiger Verdammnis zu finden wären, wurde so lange gedroht, bis jeder auch noch so geringe Widerstand gebrochen war.

Und Gott schaut zu

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