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Soundcheck. Ove trommelte mit den Fingern auf dem Mischpult herum. Werner testete die Basstrommeln. Es hallte in dem Theaterraum. Wo sich der Sänger aufhielt, derjenige, der im Fernsehen kochte und der mit dem großen runden Bauch aussah wie eine schwangere Eisbärin, wusste man nicht genau. Möglicherweise in dem Käsegeschäft an der Ecke. Mit der Kennernase tief in einem Stilton.

Eldkvarn würden zwei Konzerte im hiesigen Theater spielen. Auf ihrer Tournee lenkte die Band ihren vierzig Jahre alten Chevrolet immer selbst über die offenen Landstraßen, einen extra Fahrer brauchten sie nicht.

Kleinstadt reihte sich an Kleinstadt. Alle Kleinstädte haben etwas Gemeinsames. Der Schnee fällt etwas sachter. Der Regen sammelt sich lautlos in den Gräben des Stadtparks. Der Frühling kommt versöhnlicher, und die Menschen grüßen einander höflicher mit leiser Stimme.

Ove stellte die Regler für Werners Drums ein und blickte zu Carla hinüber, die sich in einem der Kunstledersessel fläzte. Sie hatte immer ein neues Riff dabei, ob von den Stones oder Captain Beefheart, spielte keine größere Rolle.

Ove drückte den Memory-Stick in das Mischpult und übergab das Ganze dem Tontechniker Isak, der das Konzert betreuen sollte. Alles war fertig für den Gig. Jetzt galt es nur noch, etwas zu essen, ehe es Zeit wurde, auf die Bühne zu gehen.

»Alice, der Himmel kann warten«, summte er und ging durch den Keller hinauf ins Restaurant, wo Plura saß und über einem Wisby Klosterbier chattete.

Drinnen im Theater war es eng und warm. Fatima Barsawi bestellte zwei Drinks an der Bar und drängte sich zu Malin Skogh durch, die ein paar Meter von der Bühne entfernt stand. Vor einigen Tagen hatte sie Malins Bruder wegen des Mordes im Hafen verhört, jetzt befand sie sich mit ihr auf diesem Konzert.

Es war nicht leicht gewesen, Malin dazu zu überreden. Ihr Bruder saß in Untersuchungshaft, und obwohl die Beweislage nicht allzu gravierend war, so stand er doch unter Mordverdacht. Ein brutaler Mord, der die kleine Norrtälje-Idylle in Aufregung versetzt hatte.

Roberts Freunde waren ebenfalls verhört worden, jedoch ohne großen Erfolg. Trotzdem war alles sehr ernst, wenn auch das Motiv noch ein großes Rätsel aufgab. Fatima nahm an, dass der Verdacht sich nicht halten ließ. Wenn sich jedoch der Verdacht gegen Robert weiter verhärten sollte, dann musste sie darum bitten, von dem Fall abgezogen zu werden.

Fatima blickte sich um und sah, dass auch Sommergäste eingetroffen waren. Es herrschte eine etwas angespannte Stimmung, und es gab mehr skeptische Blicke.

In der kleinen Projektornische, ein, zwei Meter über der Bar, meinte sie die Konturen eines wohlbekannten Gesichts zu erahnen. Einer der Fotografen der Zeitung, einer der besten. Einer von denen, die fast instinktiv über jemanden etwas erzählen konnten, was dieser selbst glaubte verbergen zu können. Er war hier in der Gegend zuhause und schien an deren Nervensystem angekoppelt zu sein. Man konnte damit rechnen, dass dort, wo er sich aufhielt, etwas passieren würde. Fatima schielte zu Malin hin. Malin beugte sich vor und schrie fast in Fatimas Ohr: »Er kann es nicht gewesen sein. Das ist nicht Robert.« Fatima legte ihren Zeigefinger auf Malins Mund und schrie zurück: »Versuch jetzt, dich zu entspannen, Malin. Wir sprechen morgen darüber.« Malin nickte und konzentrierte sich auf die Bässe, die alles übertönten. Der erste Schock der Festnahme hatte sich gelegt und war in Zorn umgeschlagen und in die Entschlossenheit, ihren Bruder frei zu bekommen. Sie hatte sich selbst mit dem Argument überredet, dass es vielleicht etwas für ihre eigene Untersuchung bringen könnte, mit Fatima auszugehen.

Und sie sollte Recht behalten.

Fatima ging zurück an die Bar. Sie sah zu der Projektornische über der Bar hinauf. Der Fotograf war nicht mehr da. Schade. Vielleicht kommt er gerade herunter, dachte Fatima, nahm die beiden Gläser und ging hinauf zum Projektorraum. Auf der steilen gewundenen Treppe schüttete sie sich reichlich Gin Tonic über die Hände, ehe sie oben ankam und den vollen Saal überblicken konnte. Malin war nirgendwo zu sehen. Dafür bemerkte sie einige von Malins alten Mitschülern aus dem Roden-Gymnasium. Einer von ihnen war jetzt Verkäufer. Ein flotter Kerl. Aber verheiratet.

In ihrer Jackentasche summte das Handy. Schlechte Nachrichten. Das Labor in Linköping hatte einen Schnelltest durchgeführt und festgestellt, dass die Blutspuren auf Robert Skoghs Jacke größtenteils mit dem Blut des toten Mathematiklehrers Lars Gustavsson übereinstimmten.

Fatima stand dort, drei Meter über dem Publikum, mit zwei Drinks in den Händen und sehnte sich plötzlich weit weg. Die Band sang von »Hinterhofprinzen und Prinzessinnen«. Genauso hatte ihr Vater sie genannt: meine kleine Hinterhofprinzessin. Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Es wird alles gut werden, Fati«, hatte er gesagt, und sie in den Arm genommen. Schließlich hatte er sie in den Schlaf gesungen und ihre Tränen getrocknet, wenn sie seinen beruhigenden Worten nicht länger hatte glauben wollen.

Sie seufzte und nahm einen großen Schluck Gin Tonic. Himmel, würde ich jetzt gerne eine rauchen, dachte Fatima, tupfte die verlaufene Wimperntusche unter den Augen weg und suchte unten in der Menge nach jemandem, der wie ein Raucher aussah. Nahe dem Mischpult, neben einem Kerl mit Zopf und Jacke, stand einer. Ein durchtrainierter Mann mit kurzem Haarschnitt, der ein Päckchen Zigaretten in der Hand drehte.

In genau demselben Augenblick, in dem Fatima ihren Aussichtspunkt über der Bar verließ, erblickte auch Malin den Mann mit den Zigaretten in ihrer Nähe. Sie erkannte ihn wieder von dem Foto, das ihr Jimmy Mårtensson gemailt hatte. Offenbar hatte der Mann im Hafen herumgeschnüffelt, als Malin dort gewesen war. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. Dann ging alles ganz schnell. Mit dem dröhnenden Rock-Lärm in den Ohren hatte sich Malin vor dem Angriff des Mannes geduckt und war nach hinten gefallen. Der Tritt des Mannes war über sie hinweggegangen und hatte den Tontechniker im Nacken getroffen. Nur wenige konnten sehen, wie der kräftige Tontechniker nach vorne fiel, mit dem Kopf auf dem Mischpult aufschlug und das ganze Pult im Fallen mit sich riss. Plötzlich lag er einfach da und blutete stark. Die Band spielte noch ein paar Takte und hörte dann abrupt auf.

Später würden mehrere Zeugen aussagen, dass es schien, als ob sie plötzlich in ein schwarzes Loch voller Schweigen gefallen seien, als die Musik verstummte. Es vergingen einige Sekunden. Einige würden sagen, dass fast eine halbe Minute verging, während andere meinten, die plötzliche Stille und der Ruf seien fast gleichzeitig gekommen. Im Nachhinein musste Fatima zugeben, dass das eiskalte Auftreten des kurzhaarigen muskulösen Mannes sie beeindruckt hatte. Nachdem sowohl Malin als auch der Tontechniker außer Gefecht gesetzt worden waren, hatte er sich umgedreht und mit lauter Stimme gerufen: »Es brennt«, und sich dann einen Weg durch den Saal nach draußen gebahnt.

Alles war in der kurzen Minute geschehen, die Fatima gebraucht hatte, um die steile gewundene Eisentreppe vom Projektorraum hinunterzukommen. Die Musik war plötzlich verstummt und geblieben war das Stimmengewirr aus der voll besetzten Konzerthalle, das klang wie von einem schlaftrunkenen urzeitlichen Tier.

Fatima kam die erste Welle von Leuten entgegen, die sich ziemlich verwirrt in Richtung Ausgang bewegte. Sie versuchte, sich durch den ständig zunehmenden Strom von Menschen zu drücken, um zu sehen, was passiert war. Ihren Polizeiausweis über den Kopf haltend, schrie sie: »Polizei, lassen Sie mich durch!« Das war jedoch vergeblich. Durch das Gedränge war der Ausgang verstopft worden, und Panik war in dem dunklen Saal ausgebrochen. Jemand hatte den Feueralarm ausgelöst.

Ich muss Malin finden, dachte Fatima noch, ehe sie mit hinaus in den Sommerabend gedrängt wurde und sich draußen vor der Eingangstür an einer Glasscherbe schnitt. Dann zückte sie ihr Handy:

»Kjelle, im Theater ist Panik ausgebrochen, möglicherweise Feuer, alarmiere alle!«

Sie drückte das Gespräch weg und versuchte, Malin auf deren Handy zu erreichen. Nach drei Signalen schaltete sich die Mailbox ein.

Malin Skogh lief die Lilla Brogatan entlang. Als der Mann an der Rögårdsgatan abbog, verlor sie ihn aus den Augen.

Schärenmorde

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